Zehn Jahre Hinz&Kunzt – zehn Geburtstags-Forderungen
(aus Hinz&Kunzt 124/Juni 2003)
Darum geht es:
Die Sozialbehörde will rund 3,3 Millionen Euro sparen und Ende des Jahres das Sozialticket abschaffen. Bislang nutzen rund 20.000 Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose in Hamburg die Monatsfahrkarte, für die sie monatlich 15,50 Euro bezahlen; die Sozialbehörde zahlt 13,25 pro Karte Verlustausgleich an den HVV. Nutzbar ist das Ticket in ganz Hamburg, allerdings außerhalb der Hauptverkehrszeiten.
Die Begründung:
Das Sozialticket muss unbedingt erhalten bleiben, denn es hat sich bewährt. Wir befürchten, dass die Zahl der Schwarzfahrer sich wieder erhöhen wird, weil sich viele eine CC-Karte für 27 Euro (22 Euro im Abo) nicht leisten können. Schließlich machen dann die Fahrkosten 9,2 bzw. 7,5 Prozent der Sozialhilfe aus (voller Satz: 293 Euro). Wer kein Konto hat, kann die CC-Karte auch nicht abonnieren. Und die CC-Karte gilt sowieso nur in drei Zonen.
Der Hintergrund:
Die Sozialbehörde will mit der Abschaffung des Sozialtickets rund 3,57 Millionen Euro sparen. Ein kleines Minus kalkuliert sie für den erhöhten Verwaltungsaufwand ein: rund 300.000 Euro. Der Hilfeempfänger muss nämlich für jede Fahrt einen Antrag stellen: weil er zum Arzt muss oder sich bei einem potentiellen Arbeitgeber bewirbt. Ein ziemlich aufwändiges Verfahren. Die Kritiker glauben deshalb nicht, dass die Behörde mit einkalkulierten Summen hinkommt. „Unterm Strich wird kein Cent gespart“, so Dorothee Freudenberg, die sozialpolitische Sprecherin der GAL.
„Es ist doch völliger Blödsinn, die Mitarbeiter jetzt Anträge auf einzelne U-Bahn-Karten bearbeiten zu lassen“, kritisiert auch Petra Brinkmann, sozialpolitische Sprecherin der SPD. „Das widerspricht dem von der CDU forcierten Ziel, möglichst viele Leistungen der Sozialhilfe pauschal zu bezahlen.“
Ein weiterer Punkt, warum Rot-Grün das Ticket 1998 beschloss, übrigens auf Anregung von Hinz & Kunzt und anderen sozialen Einrichtungen: die Zahl der notorischen Schwarzfahrer, die nur deshalb im Knast saßen (und somit wieder das Stadtsäckel belasteten), weil sie ihre Geldstrafe nicht bezahlen konnten (siehe S.4/5). Laut Sozialbehörde hat sich die Einführung des Sozialtickets auf die Gesamtzahl der Schwarzfahrer nicht signifikant ausgewirkt. Aber es gibt überhaupt keine Statistik darüber, wie viel Prozent der früheren und heutigen Schwarzfahrer Sozialhilfeempfänger waren. Die Erfahrungen von Hinz & Kunzt: „Seit der Einführung des Tickets habe ich kaum neue Fälle von Schwarzfahrerei bearbeiten müssen“, sagt Anwältin Maria Peter, die Hinz & Künztler vertritt. „Jetzt befürchte ich, dass das Ganze wieder von vorne losgeht.“
Ein anderer Grund, warum Rot-Grün das Sozialticket befürwortet – damals wie heute: „Wer wieder Arbeit sucht, muss mobil sein“, sagt die Sozialdemokratin Petra Brinkmann. Dass die Hilfeempfänger für jede Fahrkarte einzeln zum Sozialamt gehen und dort einen Antrag stellen müssen, findet sie nicht nur bürokratisch, sondern auch für die Betroffenen nicht praktikabel. „Vielleicht baut die Senatorin darauf, dass Sozialhilfeempfänger gar nicht erst Anträge auf Einzelfahrten stellen“, so die sozialpolitische Sprecherin. „Das wäre unredlich.“
Außer sparen bezweckt die Sozialbehörde auch noch, „die Besserstellung von Menschen im Sozialhilfebezug gegenüber Menschen mit geringerem Einkommen“ zu beenden. Allerdings gibt es da einen kleinen Denkfehler. Jeder Arbeitnehmer kann seine Monatsfahrkarte bei der Steuererklärung geltend machen.
So müsste es laufen:
Wir fordern, dass die Sozialbehörde das Sozialticket weiter subventioniert. Aber wir fordern auch den HVV auf, der Behörde ein besseres Angebot zu machen. Schließlich dürfte die Sozialbehörde bei derzeit 20.000 Nutzern einer der größten Kunden sein.
Birgit Müller