Neustart: Wir haben einen Traum

Vieles neu bei Hinz & Kunzt

(aus Hinz&Kunzt 122/April 2003)

Uwes Traum: Einmal Helgoland

Wenn diese Zeitung erscheint, bin ich noch gar nicht 60. Aber ich werde es am 22. April. Große Geburtstagswünsche habe ich nicht, habe ich nie gehabt. Wer sollte mir schon groß was schenken? Aber einen Traum hat ja wohl jeder. Meiner ist, nein war: eine Schiffsreise nach Helgoland. Ich habe die Lange Anna im Fernsehen gesehen und diese bunten, kleinen Häuser, ich nenne sie die „Papageiensiedlung“.

Als mir die Redaktion von den Fotos erzählte und mich nach meinem Traum fragte, da wusste ich erst gar nichts – und dann fiel es mir wieder ein: Helgoland. Ich hatte nie daran gedacht, mal wirklich dahin zu kommen. Immer fehlte das Geld. Ich war früher ja auch noch spielsüchtig. Als die mir dann sagten, dass wir wirklich und wahrhaftig nach Helgoland fahren, habe ich, das muss ich ehrlich sagen, fast geweint. Das war ein richtiger Schock. Ich nach Helgoland – und nicht alleine, sondern mit den beiden Fotografen Martin und Mauricio, ein richtiger Ausflug also.

Morgens um 8 Uhr holten sie mich ab. Meine erste Schiffsreise – das war wahnsinnig. Wir hatten gutes Wetter, die Sonne schien, ich war richtig aufgeregt. Die Lange Anna und die netten Häuser in Natur zu sehen, das war umwerfend. Martin und Mauricio haben mich ganz schön gescheucht: berg-auf, bergab. So hab ich auf jeden Fall viel gesehen. Nachts um 22 Uhr war ich wieder zu Hause. Ich fiel nur so ins Bett und war sofort weg. Also, ohne zu lügen, das war der schönste Tag, seit ich bei Hinz & Kunzt bin – und das ist schon lange, mehr als neun Jahre.

Uwe Dierks, 59 Jahre

Das neue Gesicht

Haben Sie’s gemerkt? Hinz & Kunzt hat ein neues Gesicht. Und damit meinen wir nicht nur unseren Verkäufer Uwe, der auf der Titelseite prangt und der schon immer davon träumte, einmal nach Helgoland zu fahren.

Wir werden in diesem Jahr zehn Jahre alt und fragen uns, was aus unserem eigenen Traum eigentlich geworden ist. Dem Traum, so vielen Obdachlosen wie möglich eine sinnvolle Aufgabe zu geben. Ihnen den Weg zurück in die Gesellschaft zu ebnen und gegen soziale Kälte in dieser Stadt anzugehen. Vieles ist uns gelungen, manche Missstände müssen wir wieder und wieder benennen. Deshalb haben wir zehn Geburtstags-Wünsche, die wir von diesem Heft an jeden Monat an die Öffentlichkeit richten. Der erste Wunsch: mehr Krankenbetten für Obdachlose.

Bei unserer Arbeit stehen Obdach- und Wohnungslose im Vordergrund. Deshalb haben wir uns gefragt: Warum bringen wir sie nicht aufs Titelblatt? Die Hinz & Kunzt-Verkäufer sind unsere Promis. Sie sind überall präsent, tragen zum besonderen Bild der Stadt bei. Daraus entstand die Idee, unsere Verkäufer mal nicht als Obdachlose zu zeigen, sondern sie nach ihren Träumen zu fragen und diese fotografisch umzusetzen. Dass sich mancher Traum sogar verwirklichen lässt, daran hatten wir zunächst gar nicht gedacht…

Mit dem Titelbild-Konzept geht auch unser verändertes Layout an den Start, kreiiert vom neuen Layouter Martin Kath: größere Fotos, aufgeräumtere Seiten, übersichtlichere Heftstruktur. Bei so viel Neuem lag es nahe, den Schwerpunkt dieser Hinz & Kunzt-Ausgabe unter das Motto „Neustart“ zu stellen.

Neu ist auch die Dart-Reportage. Die Reporter werfen mit geschlossenen Augen einen Dartpfeil auf den Stadtplan. Dort, wo er stecken bleibt, muss der Schreiber eine Geschichte suchen. Die ersten Reportagen schreiben übrigens Journalistik-Studenten, unter Leitung von Dr. Rudolf Großkopff (ehemals Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt).

Schon mal was von der Kunzt-Kommission gehört? In dieser Kommission „sitzen“ Literaten, Musiker, Kinder, Sportler und Hinz & Künztler, die abwechselnd kleine Kulturkolumnen schreiben. In diesem Heft empfiehlt Jurai, das Zoologische Museum zu besuchen, Schriftstellerin Tina Uebel rät zur Lektüre des „Mädchenbuches“ von Sven Amtsberg, und Ex-Box-Champion Jürgen Blin stellt junge Boxer vor, deren Namen man sich dringend merken muss…

Tatkräftig unterstützen Hamburger Krimi-Autoren Hinz & Kunzt: Sie schenken uns Kurzgeschichten. Darunter sogar Erstveröffentlichungen – wie die von Gunter Gerlach.

Sie merken: Uns hat dieser Neustart wahnsinnig Spaß gemacht. Jetzt kommt’s nur noch darauf an, dass Sie ihn genauso spannend finden.

Birgit Müller

Alles bleibt anders bei Hinz&Kunzt

Die neue Hinz&Kunzt ist abwechslungsreicher gestaltet und führt die Leser besser durch die Geschichten des Straßenmagazins.

Das Format ist handlicher und die Bildsprache anders: Wo vorher meist Porträts zu sehen waren, ist die Bebilderung jetzt reportagiger. Durch das neue Format können Fotos ohne weißen Rand gedruckt werden.
Spannung für den Leser soll durch mehr Abwechslung in Textlängen und -satz erreicht werden. Die Schriftenfamilien sind größtenteils beibehalten worden, die Schriftgrößen variieren aber jetzt mehr.

Vor allem jüngeren Lesern soll der Zugang zum Straßenmagazin durch das neue Layout erleichtert werden.

Gleich geblieben ist der Aufbau des Magazins: Die Rubriken, der Kulturteil mit den Veranstaltungstipps, die politischen Meldungen und das Verkäuferporträt am Ende des Heftes zum Beispiel bleiben.

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„An Hinz&Kunzt finde ich wunderbar, dass es ein sinnvolles Produkt ist und keinen kommerziellen Hintergrund hat“, sagt Anna-Clea Skoluda, seit der Dezember-Ausgabe neue Artdirektorin und verantwortlich für den Relaunch des größten deutschsprachigen Straßenmagazins.
Dessen Chefredakteurin Birgit Müller sagt zum Relaunch: „Jedes Magazin, natürlich auch ein Straßenmagazin, muss sich öfter mal was Neues einfallen lassen, um interessant zu bleiben.
Von Anna-Clea Skoluda kannte ich schon einiges und bin ein Fan von ihr.
Vom Ergebnis des Relaunches bin ich schwer begeistert. So eine Veränderung ist natürlich immer mit Herzklopfen verbunden, weil viele Leser am Althergebrachten hängen. Aber wir hoffen, dass es den Stammlesern gefällt und wünschen uns, durch den Relaunch auch neue Leser zu gewinnen.“

Ann-Clea Skoluda, Hinz&Kunzt-Artdirektorin
Ann-Clea Skoluda, Hinz&Kunzt-Artdirektorin

Anna-Clea Skoluda arbeitete schon während ihres Studiums an der Hamburger HAW als Grafikerin für Werbeagenturen wie Jung von Matt. 2001 entwickelte sie mit Dirk Linke (Ringzwei) den Relaunch des St.-Pauli-Magazins „Viertel nach fünf“, später das Fußballmagazin „Rund“. Seit November 2009 ist sie Artdirektorin des größten deutschsprachigen Straßenmagazins, Hinz&Kunzt. www.anna-clea.de