Zu Besuch in Hamburgs einziger Badeanstalt für Ross und Reiter
(aus Hinz&Kunzt 125/Juli 2003)
Celim, die 6-jährige ungarische Lipizzaner-Stute, schnaubt leise vor sich hin. Neben ihr steht Magic, eine Mischung aus Araber-Vollblut und Hannoveraner-Stute. Magic hat die Ohren weit nach vorne gespitzt, so als warte sie nun ganz neugierig auf ein nächstes Abenteuer. Eben noch sind beide Pferde inmitten einer Herde aufgeregt durch das Wasser der Dove-Elbe gespritzt, haben mit den Hufen Schaumkronen aufgeschlagen und dabei nicht nur die Hosenbeine der Reiterinnen durchnässt. Wie kleine Kinder haben sie da getobt, wenn die sich im Badebecken unter Gejohle und bis zur Erschöpfung mit den Händen gegenseitig Wasser auf die Körper schaufeln.
Jetzt prustet auch Magic ganz zufrieden, und Celim beginnt langsam, ihr mit dem Maul das Fell am Mähnenkamm zu kraulen. Ganz dicke Pferdefreundschaft demonstrieren die beiden nun. Schließlich klappt Magic schnell noch die Oberlippe über die Nüstern, so als versuche sie, nie mehr diese Witterung zu verlieren, diesen Duft vom Wasser und den vom befreundeten Pferd, die jetzt wohl gleichermaßen in ihrer Nase hängen.
Sommerzeit ist Badezeit, auch für Pferde. Im vierten Jahr nun schon gibt es für sie in den Vier- und Marschlanden eine eigene Badeanstalt, die einzige offizielle Schwemme dieser Art auf Hamburger Gebiet. Am Moorfleeter Deich wurde sie vom Bezirksamt Bergedorf gemeinsam mit den umliegenden Reiterhöfen und mit Zustimmung des Wasserwirtschaftsamtes in die Dove-Elbe gebaut.
Etwa 3.500 vor allem Reit- und Freizeitpferde leben in den ländlichen Randgebieten der Großstadt Hamburg, knapp die Hälfte davon in den Vier- und Marschlanden. Über Jahrhunderte schon war es den jeweiligen Besitzern gestattet, ihre Tiere zur Erfrischung in naheliegende Gewässer zu führen. Um mögliche Widersprüche zum heutigen Baderecht mit seinen Verschmutzungsverordnungen zu umgehen, ist deshalb im Frühjahr 2000 an der Dove-Elbe die Pferdeschwemme errichtet worden – eine Art Badestrand mit festem Sanduntergrund für die schweren Huftiere, der sanft ins Wasser abfällt. Ein paar Meter vor dem Ufer ragen einige hölzerne Pferdeköpfe aus dem Wasser; für Mensch und Tier eine lebensgroße Symbolik, wer hier welche Vorrechte genießt.
Pferde dürfen seither ganz offiziell dort baden – ein paar hundert Meter weiter gilt gleiches übrigens auch für Hunde –, Menschen hingegen nur auf eigene Verantwortung. An warmen Sommertagen, wenn auch die Ufer der Dove-Elbe Ziel unzähliger Kurzurlauber aus der Großstadt werden, „haben wir hier Zuschauer hoch drei. Die Leute fasziniert, was sie sehen“, erzählt Helmut Burmester, Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Allermöhe/Moorfleet/Reitbrook und Besitzer eines benachbarten Reiterhofes.
Beispielsweise, wenn Pferd und Reiterin gemeinsam hinaus in den Fluss schwimmen. „Das ist voll cool. Wir machen das an heißen Sommertagen“, sagt Ramona, die 15-jährige Tochter des Reiterhof-Besitzers, die heute Nachmittag auf dem Rücken von Celim sitzt. Und ihr Vater fügt hinzu: „Bei Flipper auf der Rückenflosse zu liegen muss ein ähnliches Gefühl sein.“ Pferde können sich beständig über Wasser halten. Ramona steigt dann erst draußen im Fluss aus den Sattelschlaufen, um sich zunächst längs über dem Pferderücken auszustrecken und schließlich sanft an die Seite des schwimmenden Tiers zu rutschen.
Zwar können einige Pferde durchaus Scheu vor Wasser zeigen. Doch die lässt sich, vor allem im jungen Fohlenalter, leicht nehmen durch ein behutsames Heranführen an das nasse Metier. Pferde sind nämlich auch neugierige Wesen, und Herdentiere sind sie sowieso. Wo zunächst nur einige von ihnen vergnügt durchs Wasser pflügen, stieben auch die zunächst Scheueren irgendwann ganz aufgeregt hinterher. Und verhalten sich fortan vielleicht so, als hätten sie dies eigentlich schon immer so gewollt.
Zum Wasser wollte heute auch Magic wieder. Vorhin auf den paar hundert Meter Weg vom Hof zur Badestelle, erzählt die 16-jährige Reitschülerin Katharina auf Magic’s Rücken, „da hab ich schon gespürt, wie sie sich freut. Sie wusste, wohin wir reiten. Und als sie dann im Wasser planschte, da fand sie das ganz toll.“
Peter Brandhorst