Gemeinsam sind sie stark!
Wie die Bürger von Nörten-Hardenberg ihr Schwimmbad gerettet haben
(aus Hinz&Kunzt 208/Juni 2010)
Das Schwimmbad macht Miese. Die Gemeinde hat kein Geld. Ein Investor ist nicht in Sicht. Normalerweise bedeutet das: Das Bad wird geschlossen. In Nörten-Hardenberg haben sie eine andere Lösung gefunden. Da haben die Bürger sich zusammengetan nach dem Motto: Alle packen an. Ihre Genossenschaft ist heute Vorbild für Gemeinderäte in der ganzen Republik.
Irgendwann sind sie runter an die Theke gegangen. Haben dort weiterdiskutiert über die scheinbar verrückte Idee, eine Genossenschaft zu gründen. Genossenschaft! Das klingt nach: Sozialismus. Kommunismus. Spinnereien. „Die haben mich ausgelacht!“, sagt Frank Priebe und schmunzelt angesichts der Erinnerung an jenen Abend im Ratskeller von Nörten-Hardenberg. Doch der Bürgermeister der 8343-Seelen-Gemeinde ist hartnäckig geblieben. Und hat den Unternehmern des Ortes – dem Schnapsfabrikanten, dem Autohändler, dem Banker – eine folgenschwere Zusage abgerungen: „Wir prüfen mal, ob es sich rechnet.“ Ein paar Monate danach, im September 2005, haben sie gemeinsam die erste Hallenbad-Genossenschaft Deutschlands gegründet.
Viereinhalb Jahre später hat sich der kommunale Verlustbetrieb in ein Vorzeigeprojekt verwandelt. Ortsvorsteher und engagierte Bürger aus dem ganzen Bundesgebiet reisen in die zehn Kilometer nördlich von Göttingen gelegene Gemeinde, um das Geheimnis des Erfolgs vor Ort zu erkunden. Für sie führt kein Weg vorbei an Frank Priebe. Der charismatische 54-Jährige ohne Parteibuch lenkt nicht nur seit 20 Jahren die Geschicke der Gemeinde. Er ist auch der Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft, der einmal im Monat am Wochenende die Lohnabrechnungen der Schwimmbad-Beschäftigten erstellt und sagt: „Man muss bereit sein, viel Zeit und eigene Gedanken zu investieren.“
Im Frühjahr 2002 deutet nichts auf eine Erfolgsstory hin. Die Gemeinde ist klamm, der Rat ist es leid, immer wieder aufs Neue Geld ins Schwimmbad zu pumpen. Die Schließung droht. Da schlägt die Stunde von Theresia Asselmeyer und ihren Mitstreitern. Schon die beiden Söhne der 57-Jährigen haben in dem schmucklosen 70er-Jahre-Bau das Schwimmen gelernt, und die Universitätsangestellte will, dass andere Kinder es ihnen nachtun können. Sie verfasst Flugblätter und ruft mit Gleichgesinnten gleich fünf Arbeitskreise ins Leben, die Antworten auf entscheidende Fragen finden sollen: Wer nutzt Schwimmbad und Sauna? In welchem Zustand ist das Gebäude? Und wie kann es sich rechnen, das Bad zu betreiben?
Heute ist das jährliche Defizit von 250.000 Euro auf 75.000 Euro gesunken – eine Summe, die die Gemeinde stemmen kann. Es sind die Bürger, die das Schwimmbad zu dem gemacht haben, was es heute ist: ein Gemeinschaftswerk, das den Nörten-Hardenbergern noch viele Jahre Freude bereiten wird. 300 Menschen haben Geld in die Genossenschaft gesteckt, 150 stehen als Mitglieder des Fördervereins bereit für den jährlichen Großputz und die Öffentlichkeitsarbeit, sammeln Geld für eine neue Saunatür oder Kinderspielzeug für den Zeitvertreib der kleinen Badbesucher. Die Zahl der Badegäste hat sich mehr als verdoppelt, vor allem die gute Auslastung durch Schulen und Vereine macht es möglich, dass Schwimmen gerade mal 3,50 Euro kostet, Kinder zahlen 3 Euro.
Seit einem Jahr versorgt ein Blockheizkraftwerk das Bad mit Wärme und Strom. Es ist eine Investition, die sich schnell rechnet: Den 50.000 Euro für den Bau stehen 15.000 Euro weniger Energiekosten pro Jahr gegenüber. Auch das Chlor kauft die Genossenschaft billiger ein als früher die Gemeinde. Doch scheint nun, was das Sparen angeht, das Ende der Fahnenstange erreicht. „Mit einem Freizeittempel können Sie schwarze Zahlen schreiben – aber nicht mit einem Schwimmbad“, sagt Bürgermeister Priebe.
Am Rand des Schwimmbeckens steht Markus Rittmeyer, der wohl einzige Bademeister Deutschlands, der auch Geschäftsführer ist. Der 38-Jährige war „ein bisschen erschrocken“, als er von der Idee der Schwimmbad-Genossenschaft hörte. Er fürchtete um seinen Arbeitsplatz. Heute ist der gelernte Schwimmmeister „sehr glücklich“. Die Veränderung beschreibt er so: „Die Verantwortung ist immens gestiegen. Ich verdiene nicht nennenswert mehr. Und der Job macht Spaß!“
Text: Ulrich Jonas
Foto: Hannah Schuh