Meldungen: Politik und Soziales

(aus Hinz&Kunzt 210/August 2010)

Notunterkünfte vollkommen überfüllt
Die städtischen Notschlafstellen Pik As (für Männer, 190 Plätze) und Frauenzimmer (für Frauen, 20 Plätze) sind völlig überlastet. Die Einrichtungen waren im Mai zu 101 (Pik As) beziehungsweise 125 Prozent (Frauenzimmer) belegt; im Juni zu 93 Prozent und 120 Prozent, so die Sozialbehörde auf Nachfrage von Hinz&Kunzt. Zahlen für den Juli lägen nicht vor. Weil die Notunterkünfte keinen Hilfesuchenden abweisen dürfen, werden bei Bedarf zusätzlich Doppelstockbetten aufgestellt oder Matratzen ausgelegt. Die Behörde begründet die hohe Belegung mit Schwierigkeiten bei der Vermittlung in ständige Unterkünfte. Diese wiederum seien stark belegt, weil die Vermittlung in passenden Wohnraum nicht gelingt: Es gibt schlicht zu wenig kleine, günstige Wohnungen. BEB

Unnötiger Wohnungsleerstand
Der Verein Mieter helfen Mietern wirft der Stadt vor, zu wenig gegen den Leerstand von Wohnraum zu tun. Allein im Schanzenviertel und Umgebung stünden 39 Wohnungen leer, teils länger als ein Jahr, ohne Eingriff des Bezirksamts. Die Mieterschützer fordern mehr Druck auf die Eigentümer und dass Wohnungen wegen Baumaßnahmen nicht unbegrenzt leer stehen dürfen. UJO

Abzock-Vermieter: Senat verweigert Auskünfte
Der Senat will weiterhin nicht erklären, warum die Behörden monatelang nichts gegen Abzock-Vermieter wie Thorsten Kuhlmann unternommen haben. Antworten auf eine SPD-Bürgerschaftsanfrage verweigerte die Regierung Mitte Juli mit dem Hinweis: „Neben Geschäftsgeheimnissen des Vermieters Kuhlmann und anderen Vermietern sind auch Sozialdaten der Mieter betroffen.“ Im Oktober 2009 hatte Hinz&Kunzt erstmals berichtet. Der Sozialbehörde sei damals „die generelle Problematik bekannt geworden“, so der Senat. Im Mai 2010 – sieben Monate später – habe die Arge mitgeteilt, „dass in 107 Fällen Mietbetrug oder der Verdacht auf Mietbetrug besteht“. Was die Sozialbehörde unternommen hat, um den Missbrauch von Steuergeldern zu stoppen, erklärte der Senat nicht. UJO

Arbeitslose als „Bürgerarbeiter“
34.000 Langzeitarbeitslose in Deutschland sollen künftig sogenannte Bürgerarbeit leisten. An einer sechsmonatigen „Aktivierungsphase“ nehmen derzeit rund 160.000 Arbeitslose teil, die von den Ämtern intensiv bei der Stellensuche unterstützt werden sollen. Knapp ein Viertel der Auserwählten soll ab Januar 2011 für drei Jahre eine gemeinnützige Beschäftigung erhalten. Im Gegensatz zu Ein-Euro-Jobs sind die Stellen sozialversicherungspflichtig. In Hamburg nehmen 685 Personen an der Vorauswahl teil, 188 sollen später Bürgerarbeit leisten. Unter allen 16 Bundesländern stellt Hamburg mit Abstand die wenigsten Plätze. Ein vergleichbares Bundes-Programm heißt „Jobperspektive“ und läuft seit rund zwei Jahren. Problem: Viele Arbeitslose wollen mitmachen, doch es gibt nur wenige geförderte Stellen. BEB

Brandanschlag auf Wohnunterkunft
Ein 17-Jähriger hat gestanden, Anfang Juli einen Molotow-Cocktail auf eine Obdachlosenunterkunft in Velbert (Nordrhein-Westfalen) geworfen zu haben. Er habe Streit mit Hausbewohnern gehabt und sie erschrecken wollen. Weil ein Bewohner das Feuer sofort löschte, wurde niemand verletzt. Der Jugendliche ist laut Polizei psychisch labil und in Betreuung.  BEB

Arm trotz Arbeit
1,3 Millionen Erwerbstätige in Deutschland, darunter eine halbe Million Vollzeitbeschäftigte, können laut Deutschem Gewerkschaftsbund von ihrer Arbeit allein nicht leben und sind auf Sozialleistungen angewiesen. Mittlerweile liege der Anteil der sogenannten Aufstocker unter den Hartz-IV-Empfängern bei 21 Prozent.  BEB

Arm trotz Rente
Fast 18.000 Hamburger über 64 Jahre haben Ende 2009 Leistungen zur Grundsicherung erhalten. Das waren zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu 2004 ist die Zahl um 42 Prozent gestiegen. 70 Prozent bezogen die Hilfe ergänzend zur Rente.  BEB

Gericht: Lohndumping ist Straftat
Erstmals hat ein deutsches Gericht die Zahlung von Dumpinglöhnen als Straftat und nicht als Ordnungswidrigkeit bewertet. Das Landgericht Magdeburg verurteilte einen Reinigungsunternehmer zu 1000 Euro Strafe, weil er Beschäftigten statt des verbind­­lichen Mindestlohns von damals 7,68 Euro Stundenlöhne von zum Teil unter einem Euro bezahlt hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (21 Ns 17/09).  UJO

Videoüberwachter Kiez: mehr Straftaten?
Die Videoüberwachung auf der Reeperbahn senkt laut Innenbehörde nicht die Zahl der Straftaten dort. Die erfassten Delikte stiegen im dritten Jahr seit Montage der Kameras um 32 Prozent gegenüber dem Jahr vor der Überwachung, Körperverletzungen sogar um 75 Prozent. Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) erklärte den statistischen Anstieg: „Das liegt daran, dass wir genauer hinsehen.“ BEB

Urteile zum Tod von Lara Mia
Im Prozess um den Tod der im Alter von neun Monaten verstorbenen Lara Mia hat das Landgericht Hamburg die 19-jährige Mutter nach Jugendstrafrecht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Ihr damaliger Freund bekam eine Jugendstrafe von neun Monaten auf Bewährung. Weil ein plötzlicher Kindstod nicht ausgeschlossen werden konnte, erklärten die Richter die beiden nur der gefährlichen Körperverletzung und Verletzung der Fürsorgepflicht für schuldig, die Mutter auch der Misshandlung einer Schutzbefohlenen. Lara Mia war Anfang 2009 tot aufgefunden worden, zum Zeitpunkt des Todes war sie deutlich unterernährt.  HAN

23 Euro pro Kind im Monat mehr
480 Millionen Euro will die Bundesregierung kommendes Jahr bereitstellen, um Kinder von Hartz-IV-Empfängern besser zu fördern. Mit dem Geld sollen etwa Nachhilfeunterricht oder die Teilnahme an Musik- und Sportveran­staltungen finanziert werden, so Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar die aktuelle Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder verworfen. Sie betragen zurzeit je nach Alter zwischen 60 und 80 Prozent der Regelsätze für Erwachsene. Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält mindestens 1,5 Milliarden Euro für nötig, um dem Urteil gerecht zu werden.  UJO

Meldungen: Politik und Soziales

(aus Hinz&Kunzt 214/Dezember 2010)

Großer Ansturm auf Winternotprogramm
Zum Start des Winternotprogramms am 1. November gab es großen Andrang auf die 92 Wohncontainer, in denen Obdachlose überwintern können. Etwa 100 Interessierte seien am ersten Vergabetag erschienen, sagte Nikolas Borchert von der Tagesaufenthaltsstätte Bundesstraße – so viele wie noch nie. „Einige hatten vor Ort übernachtet“, so Borchert. Zur Vergabe der Container habe man Nummern verteilt, der Ablauf sei wegen des Andrangs chaotisch gewesen. HAN

Obdachloser in Schnelsen erstochen
In Schnelsen ist Ende Oktober ein 49-jähriger Wohnungsloser durch Messerstiche getötet worden. Nach Angaben der Polizei entdeckte ein Passant seine Leiche in einem Gebüsch. Die alarmierten Beamten verhafteten kurz darauf  einen 20-jährigen Bewohner der nahe gelegenen Wohnungslosen-Unterkunft Holsteiner Chaussee. Weil Blutspuren bis zu seinem Zimmer führten, wird der Mann des Totschlags verdächtigt und sitzt in Untersuchungshaft. Die Polizei stellte auch ein blutverschmiertes  Messer sicher. HAN

Neuer Leerstandsmelder im Internet
Mehr Transparenz beim Thema Leerstand ist das Ziel eines neuen Internetportals aus dem Umfeld des Gängeviertel e.V. und des Hamburger Bündnisses „Recht auf Stadt“. Online kann jeder leerstehende Häuser und Wohnungen melden, die dann automatisch auf einem virtuellen Stadtplan von Hamburg eingetragen werden. Außerdem kann jeder Nutzer Fotos der leerstehenden Objekte einfügen. So sollen Informationen über Leerstände zentral gesammelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. HAN
Die Aktion im Internet: www.leerstandsmelder.de

Obdachloser fast zerquetscht
Ein Obdachloser ist in Bahrenfeld beinahe im Inneren eines Müllwagens zu Tode gequetscht worden. Wie die Polizei mitteilte, hatte der 49-Jährige Mitte November in einem Altpapier-Container übernachtet und war bei der Leerung in den Müllwagen gefallen. Der Fahrer hörte seine Hilferufe nur, weil er gegen den Seitenspiegel eines  geparkten Autos gefahren und deshalb ausgestiegen war. Der Obdachlose wurde im Krankenhaus Altona behandelt. HAN

Bezirk weist Wohnungssuchende ab
Vielen Obdachlosen und von Obdachlosigkeit Bedrohten kann die Fachstelle für Wohnungsnotfälle im Bezirk Mitte nicht helfen. Nach Zählungen von Mitarbeitern wurden in diesem Jahr bereits 442 Mal Alleinstehende oder Familien abgewiesen, weil es zu wenige Wohnungen gibt. Sie kommen dann bei Bekannten oder in der öffentlichen Unterbringung unter oder landen auf der Straße. Offizielle Zahlen gibt es laut Bezirk nicht: Elektronisch werde nur die Zahl der Vermittelten erfasst, so eine Sprecherin. BEB

Meine Angst vor dem Winter
Ein Kommentar von Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer

Ein Mann übernachtet in einem Papiercontainer und wird am nächsten Morgen um ein Haar in einem Müllwagen zerquetscht. Dieser Fall hat uns bei Hinz&Kunzt schockiert. Und wir sind froh, dass so viele Menschen Mitgefühl mit dem Mann zeigen. Aber seien wir mal ehrlich: Menschen ohne Zuhause, die auf der Straße, in Garagen oder abbruchreifen Häusern schlafen, sehen wir alle täglich.
Diese Menschen schlafen draußen, obwohl das Hamburger Winternotprogramm bereits seit einem Monat läuft. Und das hat einen Grund: Die Schlafplätze im Pik As oder in der Notunterkunft Sportallee sind für viele Obdachlose keine Alternative zur Straße. Die meisten Obdachlosen halten es in den großen Zimmern kaum aus, in denen bis zu acht einander fremde Menschen untergebracht werden.
Innerhalb des Notprogramms gibt es auch 100 heiß begehrte Containerplätze. Sie sind bei Kirchengemeinden aufgestellt, wo es relativ ruhig ist. Und ganz wichtig: Hier kann man die Tür hinter sich zuziehen. Um so einen Platz zu bekommen, haben viele Obdachlose sogar vor der Vergabestelle übernachtet. Doch nicht alle, die einen Platz im Container wollten, haben einen bekommen. Der Bedarf an Schlafplätzen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, ist riesig.
Das zeigt: Es stimmt nicht, dass die meisten, die jetzt draußen schlafen, draußen schlafen wollen, wie es die Behörde gerne darstellt. Es zeigt auch: Wer den Obdachlosen wirklich helfen will, muss mehr Schlafplätze in Containern oder Einzelzimmern schaffen.
Um auf den Mann aus dem Papiercontainer zurückzukommen: Hätte er mich nach einem Schlafplatz gefragt, hätte ich ihm bei der derzeitigen Lage nichts anbieten können.
Dass ich weder eine Wohnung noch ein Einzelzimmer zu vermitteln habe, sondern höchstens einen Platz in einem Achtbettzimmer, macht den Job des Hinz&Kunzt-Sozialarbeiters im Winter fast unerträglich.

Umzug: Hartz-IV-Behörde muss neue Miete zahlen
Wenn ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger aus überzeugenden Gründen in eine teurere Wohnung umzieht, muss das Amt (Arge) die höhere Miete auch dann zahlen, wenn sie den Umzug vorab nicht genehmigt hat. Das hat das Sozialgericht Dortmund entschieden (Az: S 31 AS 317/08). Geklagt hatte die Mutter einer Sechsjährigen, deren Wohnung von Schimmel befallen war. Auch in Hamburg hatte die Arge in einem vergleichbaren Fall kürzlich Mietzahlungen verweigert. UJO

Neues Angebot für Alkoholiker
Mit einem neuen Projekt will der Bezirk Harburg die Trinkerszene am Rathaus verkleinern. „Zu Arbeit“ beschäftigt drei Sozialarbeiter, die bis zu 200 Betroffenen Alternativen zum Alkohol nahebringen sollen. Jeder fünfte soll zumindest zeitweise in geregelte Arbeit gebracht werden. Bezirksamtsleiter Torsten
Meinberg (CDU) bezeichnete das zur Hälfte vom Europäischen Sozialfonds finanzierte Projekt als „letzte Chance“ für die öffentlichen Dauertrinker. Im Falle eines Scheiterns müsse der Bezirk verstärkt Platzverweise aussprechen. UJO

Gruß vom Bundespräsidenten
Bundespräsident Christian Wulff hat Deutschlands Straßenmagazine als „wichtige und richtige Initiative zu Selbst­hilfe“ bezeichnet und die Bürger dazu aufgefordert, sie regelmäßig zu lesen. „Wie viel wissen wir über den Alltag unserer Mitmenschen, die in soziale Not geraten sind? Straßenzeitungen berichten uns darüber“, so Wulff in seinem Grußwort für die Weihnachtsausgabe. Die Magazine seien ein „Beitrag zu Meinungsvielfalt und Teilhabe“. UJO
Das gesamte Grußwort lesen Sie unter www.hinzundkunzt.de

Demonstranten zeigen Polizisten an
Die Organisatoren der Demonstration „Leerstand zu Wohnraum“, auf der Ende Oktober mehr als 3000 Menschen gegen Büroleerstand und Wohnungsnot in Hamburg protestierten, haben Strafanzeige gegen mehrere Polizeibeamte gestellt. In mindestens einem gut dokumentierten Fall hätten Polizisten unverhältnismäßige Gewalt gegen Teilnehmer des Aufzuges angewandt, so das Bündnis, das aus verschiedenen Gruppen und politischen Initiativen besteht. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat bestätigt, dass bereits Ermittlungen gegen bisher unbekannte Beamte aufgenommen wurden. HAN

Diakonie gründet neue Stiftung
Das Diakonische Werk hat Ende Oktober die Stiftung MitMenschlichkeit Hamburg gegründet. Das Stammkapital von 500.000 Euro kommt aus dem Erbe des sozial engagierten Hamburger Unternehmers Hermann Haltermann. Die Stiftung wolle vorerst neue Projekte für benachteiligte Kinder, Demenzkranke und Arme fördern, sagte Diakonie-Chefin und Landespastorin Annegrethe Stoltenberg. Der erste Förderpreis in Höhe von 12.000 Euro ging an die Evangelischen Kindertagesstätten, die durch zusätzliche Betreuungs-Angebote am Abend und am Wochenende alleinerziehende Eltern entlasten wollen. HAN

Nicht sparen an armen Vierteln!
Caritas und Diakonie haben die Bundes­tagsabgeordneten aufgefordert, die geplanten massiven Kürzungen beim Programm Soziale Stadt zu verhindern. Andernfalls würden „Menschen in Problemquartieren bei der Bewältigung ihrer Alltagsprobleme alleingelassen“. Die Regierung veranschlagt statt 95 künftig nur noch 28 Millionen Euro jährlich. Damit steht das Programm, das bundesweit benachteiligte Viertel fördert, vor dem Aus. UJO

Neue Wohnungsgenossenschaft gegründet
In zehn Jahren 500 Wohnungen für Menschen mit besonderen Schwierigkeiten zu bauen, ist das Ziel einer neuen Ham­burger Wohnungsgenossenschaft. Zur Gründung der gemein­nützi­gen Genossenschaft Schlüsselbund eG haben sich 19 Träger zusammengeschlossen, die Behinderte, psychisch Kranke, Jugendliche oder Haftentlassene betreuen. Diese Gruppen sind von der Krise auf dem Hamburger Wohnungs­markt besonders betroffen. HAN

Leitbild für das Hamburg von morgen
Wie kann die Stadt sich fit machen für die Zukunft? Antworten bietet die Studie „Zukunftsfähiges Hamburg – Zeit zum Handeln“. Anfangen kann jeder bei sich selbst, so die Autoren: Wäscheleine statt Trockner nutzen, intelligente Stromzähler einbauen, weniger fliegen. Einer der vielen Vorschläge an die Politik: weniger Parkplätze in der City, Menschen mit wenig Geld fahren kostenlos Bus und Bahn. Mitherausgeber der Studie ist das Diakonische Werk. UJO

Rettung für die Elbtreppenhäuser?
Mit einem Bürgerbegehren setzen sich mehr als 11.000 Altonaer für den Erhalt der Elbtreppenhäuser ein. Zwar wollen laut Initiative „Rettet die Elbtreppe“ alle Parteien im Bezirk das historische Ensemble erhalten. Doch könne Saga/GWG den Abriss einklagen, wenn Stadtentwicklungssenatorin und Saga-GWG-Aufsichtsratsvorsitzende Anja Hajduk (GAL) nicht einschreite. UJO

„Rosi“ gewinnt den Social Media Award 2010
Der Film „Rosi“ hat den mit 3000 Euro dotierten ersten Preis beim Social Media Award 2010 gewonnen. Der Film zeigt, wie die geistig behinderte Sandra ihr Leben meistert – und den Job als Sängerin der Band „Rosi“. Der vom Bundesministerium für Arbeit geförderte Wettbewerb für Kurzfilme über Armut und soziale Ausgrenzung wurde erstmals ausgerufen. Aus 62 Einsendungen wurden fünf prämiert. Sie sind im Internet zu sehen: www.social-media-award.eu HAN

Gratis-Kultur für Arme
Geringverdiener, Hartz-IV-Empfänger oder Alleinerziehende können sich Tickets für kulturelle Veranstaltungen wie Theater oder Oper meist nicht leisten. Gleichzeitig sind in den Sälen oft Plätze frei. Nach dem Prinzip der deutschen Tafeln will der Verein „Kulturloge Hamburg“ unverkaufte Karten kostenlos an Bedürftige weitergeben. Das Angebot soll im Januar 2011 starten. Der Verein sucht noch ehrenamtliche Mitarbeiter und Partner aus der Hamburger Kulturszene. Infos und Kontakt online unter www.kulturloge-hamburg.de. BEB

Kein Herz für Spekulanten

Wer Wohnungen leer stehen lässt, Mieten in die Höhe treibt und angestammte Mieter vertreibt, der sollte nicht einfach so davonkommen, findet Marc Meyer, Anwalt bei Mieter helfen Mietern. Trotzdem ist es schwierig, gegen die schwarzen Schafe in der Wohnungswirtschaft zu gewinnen.

(aus Hinz&Kunzt 215/Januar 2011)

Noch mehr leer!

Ehemaliges Altenheim Alsterberg: Seit die Senioren umzogen, stehen mehrere Gebäude leer
Ehemaliges Altenheim Alsterberg: Seit die Senioren umzogen, stehen mehrere Gebäude leer

Im Juni zeigte Hinz&Kunzt sechs Beispiele für leerstehende Häuser in Hamburg – bewohnbar oder zumindest zu Wohnraum umbaubar. Diese Ensembles sind nicht die einzigen, die verkommen, während Hamburger mit wenig Geld große Mühe haben eine Wohnung zu finden.

Die Leerprobe

(aus Hinz&Kunzt 208/Juni 2010)

Wer wenig Geld hat, findet in Hamburg nur mit Mühe eine Wohnung. Dabei stehen viele Häuser schon seit Jahren leer und könnten sofort bezogen oder zumindest zu Wohnraum umgebaut werden – wenn die Stadt oder die Privateigentümer  es wollten. Sechs Beispiele, die für viele stehen.

01HK208_Titel_05.inddEhemaliges AK Ochsenzoll: Wer über das Gelände der ehemaligen Klinik geht, entdeckt eine architektonische Perle nach der anderen. Kein Wunder, dass die Gebäude unter Denkmalschutz stehen. Der Versuch der Stadt, das Gelände der ehemaligen psychiatrischen Klinik als Ganzes zu verkaufen, scheiterte. Nun wird laut Finanzbehörde „ein Marketingkonzept erarbeitet“, um „in mehreren Tranchen marktgerechte Baufelder“ anzubieten. Der Verkauf der ersten Fläche stehe bevor.
Das denkmalgeschützte Häuser-Ensemble soll bis Ende 2011 neu erschlossen und dann verkauft werden. Da die ehemaligen Klinikgebäude seit Jahren nicht genutzt und deshalb auch nicht mehr beheizt werden, beklagte die Bezirksversammlung Nord im Dezember: „Die Zeit arbeitet hier im negativen Sinn.“ Sie befürchtet, die Stadt wolle die Häuser so lange verfallen lassen, bis der Denkmalschutz aufgehoben wird – um die Flächen anschließend besser verkaufen zu können. Die Finanzbehörde bestreitet das.
Die GAL Nord fordert, nach dem Vorbild des ehemaligen Krankenhauses Barmbek (Quartier 21) die Häuser einzeln für Wohn- oder andere Zwecke zu verkaufen. Interessenten für eine sofortige Nutzung gibt es. So will der Freundeskreis Ochsenzoll in der alten Kirche eine Ausstellung einrichten, die die Geschichte der deutschen Psychiatrie dokumentiert. Im Bezirk gibt es dafür breite Unterstützung: Ein interfraktioneller Antrag der Bezirksversammlung soll laut GAL noch in diesem Monat an die Stadt gehen.

01HK208_Titel_05.inddElbtreppen-Häuser („Heuburg“): Seit Jahren tobt ein Kampf um das historische Ensemble mit Elbblick. Die Saga will die Mehrzahl der Häuser abreißen, elf Wohnungen würden verloren gehen. An ihrer Stelle sollen „bezahlbare Mietwohnungen“ entstehen. „Die Substanz ist teilweise so schlecht, dass eine Sanierung wirtschaftlich völlig unvernünftig wäre“, so Saga-Sprecher Mario Spitzmüller. Er verspricht „deutlich mehr Wohnfläche und günstige Mieten“, wenn die Pläne der städtischen Wohnungsgesellschaft Wirklichkeit werden.
Die Bewohner der „Heuburg“ bezweifeln, dass sie oder andere Menschen mit geringem Einkommen die neuen Mieten bezahlen könnten. Sie wollen die Gebäude mithilfe einer Mieter-Genossenschaft in eigene Verantwortung übernehmen, um sie anschließend zu sanieren. Ein Kaufangebot mit diesem Ziel lehnte die Saga vor vier Jahren als „preislich nicht akzeptabel“ ab. Nun, so der Vorwurf der Mieter, lasse sie die Häuser verrotten. Heizungen und sanitäre Einrichtungen seien demontiert, Fußböden aufgerissen worden. Mindestens sechs Wohnungen stehen leer, laut Bewohnern teils seit 1996.
Während ein Gutachter, den die „Heuburg“-Bewohner beauftragt haben, das gesamte Ensemble für denkmalschutzwürdig hält, will das Denkmalschutzamt just nur jene Häuser schützen, die die Saga nicht abreißen will.
Wer am Ende die Oberhand behalten wird, ist nicht entschieden. Uwe Szczesny, Fraktionsvorsitzender der CDU
Altona, erklärte auf Anfrage: „Die Saga muss ein neues Konzept vorlegen.“ Dazu Saga-Sprecher Mario Spitzmüller: „Wir haben Planungen vorgelegt und alle Anträge gestellt.“

01HK208_Titel_05.inddEhemaliges Altenheim Alsterberg: In der ehemaligen Kaserne lebten zuletzt Senioren. Die sind vergangenen Oktober in einen schmucken Neubau umgezogen, seitdem steht ein halbes Dutzend weitläufiger Gebäude leer. Das Bezirksamt Nord erklärte, die Häuser seien „in privatem Besitz“, das Gelände werde „als Wohnbaufläche geführt“. Jedoch: „Was damit im Einzelnen geplant wird, ist dem Bezirksamt noch nicht bekannt.“

01HK208_Titel_05.inddNesselstraße und Co: Nahe Santa Fu liegt ein kleines Paradies. In der Nesselstraße hört man die Vögel zwitschern, die schmucken Häuser wurden vor rund 100 Jahren gebaut. Heute stehen hier und in den Nachbarstraßen zahlreiche Wohnungen leer, in denen früher Gefängniswärter lebten. Für 84 Wohnungen hat die Saga die Verwaltung übernommen. Sie lasse die Häuser verrotten, um sie in ein paar Jahren billig von der Stadt abzukaufen, glauben Anwohner. Die Saga bestreitet das. Der Senat erklärte kürzlich, eine Vermietung sei „nur nach grundlegenden Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen“ möglich. Wer sich wann darum kümmern wird, will die Stadt nicht sagen. „Die Gespräche über die vorzunehmenden weiteren Schritte laufen derzeit noch“, so die Finanzbehörde auf Nachfrage von Hinz&Kunzt.

01HK208_Titel_05.inddGeisterdorf Neuenfelde: Die Hasselwerder Straße erinnert an die Kulisse einer verlassenen Westernstadt: Rund 50 zum Teil prächtige Altbauten stehen hier seit mindestens fünf Jahren leer und verfallen. Die Stadt hat die Häuser einst aufgekauft, um die Verlängerung der Airbus-Startbahn durchzusetzen, „zur Vermeidung von Klagebefugnissen“, wie die Finanzbehörde es ausdrückt. Nun fliegen die Flugzeuge übers Dorf, und schönster Wohnraum verrottet. Die Stadt verweist auf Klagen gegen die Werkserweiterung, über die vor Gericht noch nicht abschließend entschieden wurde, und auf laufende Begutachtungen. Die sollen ausschließen, dass „unzumutbare Wohnbelastungen“ auftreten. Wann Ergebnisse vorliegen werden, konnte die Finanzbehörde auf Nachfrage nicht sagen. Einschätzung der Hinz&Kunzt-Redaktion: An der Stresemannstraße lebt sich’s schlechter.

01HK208_Titel_05.inddEhemaliges Polizeirevier Oberaltenallee: Das 1893 erbaute repräsentative Gebäude steht seit einem Jahr leer. Zuletzt arbeitete hier das Polizeikommissariat 31. Die Hamburgische Immobilien Management Gesellschaft für Polizei und Feuerwehr (IMPF) teilte auf Anfrage mit, das Gebäude sei „keine städtische Immobilie mehr“. Wem der „Backsteinbau mit Sandsteingliederung und Terrakotta-schmuck“ (Schild an der Fassade) heute gehört, und was der Eigentümer damit vorhat, verriet die IMPF nicht.

Text: Ulrich Jonas
Fotos: Benne Ochs