Neues Zuhause für Bolle
Die private Initiative „Hilfe für Hamburger Obdachlose“ um den Ex-Obdachlosen Max Bryan hat ein so genanntes Sommernotprogramm gestartet. Erster Erfolg: ein Zimmer für den 65-jährigen Bolle.
Die private Initiative „Hilfe für Hamburger Obdachlose“ um den Ex-Obdachlosen Max Bryan hat ein so genanntes Sommernotprogramm gestartet. Erster Erfolg: ein Zimmer für den 65-jährigen Bolle.
Gute Nachricht für den Obdachlosen Rolf: Auf dem Gelände der Kirchengemeinde Lokstedt wurde ein Wohncontainer für den 67-Jährigen aufgestellt – eine Privatinititative um den ehemaligen Obdachlosen Max Bryan sammelte das Geld dafür.
895 Container hat die Stadt eingelagert – für teures Geld. Wenn man diese nutzen würde, wären viele Hamburger Obdachlose auf einen Schlag untergebracht. Aber das will der Bürgermeister wohl nicht, nicht mal zum G20.
Das ist der Gipfel: Seit Jahren fordert die Wohnungslosenhilfe, Obdachlose vernünftig unterzubringen. Nun stellt sich heraus: Die Stadt lagert mindestens 895 Container ein, die sie derzeit nicht braucht. Hinz&Kunzt fordert: Gebt sie den Obdachlosen!
(aus Hinz&Kunzt 214/Dezember 2010)
Großer Ansturm auf Winternotprogramm
Zum Start des Winternotprogramms am 1. November gab es großen Andrang auf die 92 Wohncontainer, in denen Obdachlose überwintern können. Etwa 100 Interessierte seien am ersten Vergabetag erschienen, sagte Nikolas Borchert von der Tagesaufenthaltsstätte Bundesstraße – so viele wie noch nie. „Einige hatten vor Ort übernachtet“, so Borchert. Zur Vergabe der Container habe man Nummern verteilt, der Ablauf sei wegen des Andrangs chaotisch gewesen. HAN
Obdachloser in Schnelsen erstochen
In Schnelsen ist Ende Oktober ein 49-jähriger Wohnungsloser durch Messerstiche getötet worden. Nach Angaben der Polizei entdeckte ein Passant seine Leiche in einem Gebüsch. Die alarmierten Beamten verhafteten kurz darauf einen 20-jährigen Bewohner der nahe gelegenen Wohnungslosen-Unterkunft Holsteiner Chaussee. Weil Blutspuren bis zu seinem Zimmer führten, wird der Mann des Totschlags verdächtigt und sitzt in Untersuchungshaft. Die Polizei stellte auch ein blutverschmiertes Messer sicher. HAN
Neuer Leerstandsmelder im Internet
Mehr Transparenz beim Thema Leerstand ist das Ziel eines neuen Internetportals aus dem Umfeld des Gängeviertel e.V. und des Hamburger Bündnisses „Recht auf Stadt“. Online kann jeder leerstehende Häuser und Wohnungen melden, die dann automatisch auf einem virtuellen Stadtplan von Hamburg eingetragen werden. Außerdem kann jeder Nutzer Fotos der leerstehenden Objekte einfügen. So sollen Informationen über Leerstände zentral gesammelt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. HAN
Die Aktion im Internet: www.leerstandsmelder.de
Obdachloser fast zerquetscht
Ein Obdachloser ist in Bahrenfeld beinahe im Inneren eines Müllwagens zu Tode gequetscht worden. Wie die Polizei mitteilte, hatte der 49-Jährige Mitte November in einem Altpapier-Container übernachtet und war bei der Leerung in den Müllwagen gefallen. Der Fahrer hörte seine Hilferufe nur, weil er gegen den Seitenspiegel eines geparkten Autos gefahren und deshalb ausgestiegen war. Der Obdachlose wurde im Krankenhaus Altona behandelt. HAN
Bezirk weist Wohnungssuchende ab
Vielen Obdachlosen und von Obdachlosigkeit Bedrohten kann die Fachstelle für Wohnungsnotfälle im Bezirk Mitte nicht helfen. Nach Zählungen von Mitarbeitern wurden in diesem Jahr bereits 442 Mal Alleinstehende oder Familien abgewiesen, weil es zu wenige Wohnungen gibt. Sie kommen dann bei Bekannten oder in der öffentlichen Unterbringung unter oder landen auf der Straße. Offizielle Zahlen gibt es laut Bezirk nicht: Elektronisch werde nur die Zahl der Vermittelten erfasst, so eine Sprecherin. BEB
Meine Angst vor dem Winter
Ein Kommentar von Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer
Ein Mann übernachtet in einem Papiercontainer und wird am nächsten Morgen um ein Haar in einem Müllwagen zerquetscht. Dieser Fall hat uns bei Hinz&Kunzt schockiert. Und wir sind froh, dass so viele Menschen Mitgefühl mit dem Mann zeigen. Aber seien wir mal ehrlich: Menschen ohne Zuhause, die auf der Straße, in Garagen oder abbruchreifen Häusern schlafen, sehen wir alle täglich.
Diese Menschen schlafen draußen, obwohl das Hamburger Winternotprogramm bereits seit einem Monat läuft. Und das hat einen Grund: Die Schlafplätze im Pik As oder in der Notunterkunft Sportallee sind für viele Obdachlose keine Alternative zur Straße. Die meisten Obdachlosen halten es in den großen Zimmern kaum aus, in denen bis zu acht einander fremde Menschen untergebracht werden.
Innerhalb des Notprogramms gibt es auch 100 heiß begehrte Containerplätze. Sie sind bei Kirchengemeinden aufgestellt, wo es relativ ruhig ist. Und ganz wichtig: Hier kann man die Tür hinter sich zuziehen. Um so einen Platz zu bekommen, haben viele Obdachlose sogar vor der Vergabestelle übernachtet. Doch nicht alle, die einen Platz im Container wollten, haben einen bekommen. Der Bedarf an Schlafplätzen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, ist riesig.
Das zeigt: Es stimmt nicht, dass die meisten, die jetzt draußen schlafen, draußen schlafen wollen, wie es die Behörde gerne darstellt. Es zeigt auch: Wer den Obdachlosen wirklich helfen will, muss mehr Schlafplätze in Containern oder Einzelzimmern schaffen.
Um auf den Mann aus dem Papiercontainer zurückzukommen: Hätte er mich nach einem Schlafplatz gefragt, hätte ich ihm bei der derzeitigen Lage nichts anbieten können.
Dass ich weder eine Wohnung noch ein Einzelzimmer zu vermitteln habe, sondern höchstens einen Platz in einem Achtbettzimmer, macht den Job des Hinz&Kunzt-Sozialarbeiters im Winter fast unerträglich.
Umzug: Hartz-IV-Behörde muss neue Miete zahlen
Wenn ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger aus überzeugenden Gründen in eine teurere Wohnung umzieht, muss das Amt (Arge) die höhere Miete auch dann zahlen, wenn sie den Umzug vorab nicht genehmigt hat. Das hat das Sozialgericht Dortmund entschieden (Az: S 31 AS 317/08). Geklagt hatte die Mutter einer Sechsjährigen, deren Wohnung von Schimmel befallen war. Auch in Hamburg hatte die Arge in einem vergleichbaren Fall kürzlich Mietzahlungen verweigert. UJO
Neues Angebot für Alkoholiker
Mit einem neuen Projekt will der Bezirk Harburg die Trinkerszene am Rathaus verkleinern. „Zu Arbeit“ beschäftigt drei Sozialarbeiter, die bis zu 200 Betroffenen Alternativen zum Alkohol nahebringen sollen. Jeder fünfte soll zumindest zeitweise in geregelte Arbeit gebracht werden. Bezirksamtsleiter Torsten
Meinberg (CDU) bezeichnete das zur Hälfte vom Europäischen Sozialfonds finanzierte Projekt als „letzte Chance“ für die öffentlichen Dauertrinker. Im Falle eines Scheiterns müsse der Bezirk verstärkt Platzverweise aussprechen. UJO
Gruß vom Bundespräsidenten
Bundespräsident Christian Wulff hat Deutschlands Straßenmagazine als „wichtige und richtige Initiative zu Selbsthilfe“ bezeichnet und die Bürger dazu aufgefordert, sie regelmäßig zu lesen. „Wie viel wissen wir über den Alltag unserer Mitmenschen, die in soziale Not geraten sind? Straßenzeitungen berichten uns darüber“, so Wulff in seinem Grußwort für die Weihnachtsausgabe. Die Magazine seien ein „Beitrag zu Meinungsvielfalt und Teilhabe“. UJO
Das gesamte Grußwort lesen Sie unter www.hinzundkunzt.de
Demonstranten zeigen Polizisten an
Die Organisatoren der Demonstration „Leerstand zu Wohnraum“, auf der Ende Oktober mehr als 3000 Menschen gegen Büroleerstand und Wohnungsnot in Hamburg protestierten, haben Strafanzeige gegen mehrere Polizeibeamte gestellt. In mindestens einem gut dokumentierten Fall hätten Polizisten unverhältnismäßige Gewalt gegen Teilnehmer des Aufzuges angewandt, so das Bündnis, das aus verschiedenen Gruppen und politischen Initiativen besteht. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat bestätigt, dass bereits Ermittlungen gegen bisher unbekannte Beamte aufgenommen wurden. HAN
Diakonie gründet neue Stiftung
Das Diakonische Werk hat Ende Oktober die Stiftung MitMenschlichkeit Hamburg gegründet. Das Stammkapital von 500.000 Euro kommt aus dem Erbe des sozial engagierten Hamburger Unternehmers Hermann Haltermann. Die Stiftung wolle vorerst neue Projekte für benachteiligte Kinder, Demenzkranke und Arme fördern, sagte Diakonie-Chefin und Landespastorin Annegrethe Stoltenberg. Der erste Förderpreis in Höhe von 12.000 Euro ging an die Evangelischen Kindertagesstätten, die durch zusätzliche Betreuungs-Angebote am Abend und am Wochenende alleinerziehende Eltern entlasten wollen. HAN
Nicht sparen an armen Vierteln!
Caritas und Diakonie haben die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, die geplanten massiven Kürzungen beim Programm Soziale Stadt zu verhindern. Andernfalls würden „Menschen in Problemquartieren bei der Bewältigung ihrer Alltagsprobleme alleingelassen“. Die Regierung veranschlagt statt 95 künftig nur noch 28 Millionen Euro jährlich. Damit steht das Programm, das bundesweit benachteiligte Viertel fördert, vor dem Aus. UJO
Neue Wohnungsgenossenschaft gegründet
In zehn Jahren 500 Wohnungen für Menschen mit besonderen Schwierigkeiten zu bauen, ist das Ziel einer neuen Hamburger Wohnungsgenossenschaft. Zur Gründung der gemeinnützigen Genossenschaft Schlüsselbund eG haben sich 19 Träger zusammengeschlossen, die Behinderte, psychisch Kranke, Jugendliche oder Haftentlassene betreuen. Diese Gruppen sind von der Krise auf dem Hamburger Wohnungsmarkt besonders betroffen. HAN
Leitbild für das Hamburg von morgen
Wie kann die Stadt sich fit machen für die Zukunft? Antworten bietet die Studie „Zukunftsfähiges Hamburg – Zeit zum Handeln“. Anfangen kann jeder bei sich selbst, so die Autoren: Wäscheleine statt Trockner nutzen, intelligente Stromzähler einbauen, weniger fliegen. Einer der vielen Vorschläge an die Politik: weniger Parkplätze in der City, Menschen mit wenig Geld fahren kostenlos Bus und Bahn. Mitherausgeber der Studie ist das Diakonische Werk. UJO
Rettung für die Elbtreppenhäuser?
Mit einem Bürgerbegehren setzen sich mehr als 11.000 Altonaer für den Erhalt der Elbtreppenhäuser ein. Zwar wollen laut Initiative „Rettet die Elbtreppe“ alle Parteien im Bezirk das historische Ensemble erhalten. Doch könne Saga/GWG den Abriss einklagen, wenn Stadtentwicklungssenatorin und Saga-GWG-Aufsichtsratsvorsitzende Anja Hajduk (GAL) nicht einschreite. UJO
„Rosi“ gewinnt den Social Media Award 2010
Der Film „Rosi“ hat den mit 3000 Euro dotierten ersten Preis beim Social Media Award 2010 gewonnen. Der Film zeigt, wie die geistig behinderte Sandra ihr Leben meistert – und den Job als Sängerin der Band „Rosi“. Der vom Bundesministerium für Arbeit geförderte Wettbewerb für Kurzfilme über Armut und soziale Ausgrenzung wurde erstmals ausgerufen. Aus 62 Einsendungen wurden fünf prämiert. Sie sind im Internet zu sehen: www.social-media-award.eu HAN
Gratis-Kultur für Arme
Geringverdiener, Hartz-IV-Empfänger oder Alleinerziehende können sich Tickets für kulturelle Veranstaltungen wie Theater oder Oper meist nicht leisten. Gleichzeitig sind in den Sälen oft Plätze frei. Nach dem Prinzip der deutschen Tafeln will der Verein „Kulturloge Hamburg“ unverkaufte Karten kostenlos an Bedürftige weitergeben. Das Angebot soll im Januar 2011 starten. Der Verein sucht noch ehrenamtliche Mitarbeiter und Partner aus der Hamburger Kulturszene. Infos und Kontakt online unter www.kulturloge-hamburg.de. BEB
(aus Hinz&Kunzt 117/November2002)
Welche Angebote gibt es in Hamburg für Menschen, die nicht mehr auf der Straße leben wollen? Im ersten Teil unseres Überblicks stellen wir die Notunterkunft Achterdwars, das Container-Projekt der Neuen Wohnung und das betreute Wohnen im Jakob Junker Haus vor.
Kleine Ewigkeiten
In den Notunterkünften von pflegen & wohnen (p & w) leben Menschen, die keiner haben will: Alkohol- und Drogenkranke, Verwirrte und Alte, Einsame und Uneinsichtige. Hans-Jürgen zum Beispiel hat zuletzt in einer sozialtherapeutischen Einrichtung gewohnt. Gärtnern sollte er dort, um sich das Trinken abzugewöhnen. Das gefiel ihm nicht, und deshalb ist er gegangen. „Wer arbeitet denn für 150 Mark im Monat?“, fragt der 53-Jährige noch heute empört.
17 Jahre ist das nun her. In der Bergedorfer Unterkunft Achterdwars ist der mittlerweile Pflegebedürftige dann gestrandet. 172 „alleinstehende obdachlose Männer“ leben hier in dreistöckigen, unauffälligen Klinkerbauten, „öffentlich untergebracht“ laut Behördendeutsch. Die meisten teilen sich zu viert die schlichten Zwei-Zimmer-Appartements mit Küche und Bad, jeweils zwei Betten pro Raum. Für schwierige Kunden stehen 24 Einzelzimmer bereit. „Wir nehmen jeden so, wie er hier ankommt, und versuchen ihm ein Gefühl von Zuhause zu vermitteln“, sagt Werner Glissmann, Leiter der Wohnunterkunft. Da haben seine beiden Sozialarbeiter eine Menge zu tun.
Eigentlich sollen ihre Klienten hier nur vorübergehend leben. Doch wie Hans-Jürgen gibt es manchen, der den Weg aus dem Provisorium niemals mehr findet. Laut einer Studie, die p & w-Sozialarbeiter vor zwei Jahren anfertigten, ist jeder fünfte Bewohner der Notunterkünfte „nicht bzw. nur äußerst schwer integrierbar“. Viele der Dauerbewohner hätten nicht nur schwere Suchtprobleme, sondern seien auch psychisch krank und verwahrlost.
40 Menschen haben dieses Jahr den Sprung in die eigene Wohnung oder „andere dauerhafte Wohnformen“ (z.B. WG) geschafft, so die Statistik. Wie viele davon in eine Notunterkunft zurückkehren („Drehtüreffekt“), weil sie ihre Probleme nicht in den Griff bekommen, erfasst p & w nicht. Und auch nicht, wie lange die Menschen in den Unterkünften verweilen.
„Es geht nicht nur darum, Wohnungen zu vermitteln“, meint Sozialarbeiter Mike Schulze. Ein soziales Umfeld sei ebenso wichtig. Manch ehemaliger Bewohner komme trotz eigener vier Wände regelmäßig in der Unterkunft vorbei, weil er anderswo keine Freunde findet. „Einige haben sogar schon gefragt, ob sie nicht wieder einziehen dürfen – weil die Kommunikation hier so gut ist.“ Der Weg ins bürgerliche Leben ist eben lang. Und bei manchem psychisch kranken Schützling, den der Spardruck aus der Psychatrie vertrieben hat, denkt der Sozialarbeiter auch: „Ich wüsste nicht, wo der besser untergebracht sein sollte.“
Notunterkunft Achterdwars
Größe: 172 Plätze
Unterkunftsart: Doppel- und Einzelzimmer in Zwei-Zimmer-Appartements (40 Quadratmeter), möbliert
Betreuungsschlüssel (Sozialarbeiter pro Bewohner): 1:100
Bewohner: Obdach- und Wohnungslose
durchschnittliche Verweildauer der Bewohner: keine Angaben
Auszüge in eigene Wohnung: 21 von 113 (1998) = 19 Prozent
Kosten/Bewohner/Tag: 10,89 (Doppel-) bzw. 13,79 Euro (Einzelzimmer), finanziert von der Sozialbehörde
Träger: pflegen & wohnen
Kontakt: Wohnunterkunft W 611, Achterdwars 7–13, 21035 Hamburg, Tel. 040 / 721 15 19
Sprungbrett Container
„Bis Januar will ich eine Wohnung finden“, sagt Sascha. Seit anderthalb Jahren lebt der Ex-Obdachlose im Containerdorf an der Langenfelder Straße. „Von der Atmosphäre her ist das hier ein bisschen wie in der Jugendherberge: Man hat immer jemanden zum Reden“, sagt der 25-Jährige. „Aber ich will mich jetzt um meine Zukunft kümmern. Um Arbeit zum Beispiel.“
Projektleiter Michael Struck hört solche Sätze gern. Schließlich ist es das Ziel der gemeinnützigen Neue Wohnung GmbH, aus verzweifelten Existenzen normale Mieter zu machen. Oft gelingt das: Rund 150 Obdach- und Wohnungslose haben Struck und sein Kollege Karsten Lüdersen seit 1994 in Wohnraum vermittelt. Dieser Erfolg fußt auf drei Säulen: Nicht mehr als 20 Bewohner leben in einem Container-Projekt, wer Hilfe vom Fachmann braucht, der bekommt sie schnell, und jeder kann seine Tür hinter sich schließen. Das kostet, doch es macht Sinn: „So können sich die Menschen in Ruhe Gedanken machen, was sie wann in Angriff nehmen wollen“, sagt Lüdersen.
Monate lang mussten die Helfer mit der Stadt verhandeln, bis die sich bereit erklärte, die laufenden Kosten eines neuen Container-Projekts zum größten Teil zu übernehmen. Und obwohl die Neue Wohnung das Ziel der Sozialsenatorin – kleine, dezentrale Unterkünfte für Obdachlose – vorbildlich umsetzt, musste schließlich eine Stiftung die 180.000 Euro Investitionskosten für die neue Unterkunft in Barmbek berappen.
Sorge bereitet den Sozialarbeitern vor allem, dass sich die Suche nach Wohnungen zunehmend schwierig gestaltet. „Man möchte sich nicht mehr mit dem Lumpenproletariat abgeben“, sagt Struck ketzerisch. Nur neun Wohnungslose konnten dieses Jahr in Wohnungen umziehen, in früheren Jahren waren es deutlich mehr. „Zusätzlich 2000 Wohnungen für Sozialschwache – sofort!“ fordern die Sozialarbeiter von den städtischen Wohnungsgesellschaften SAGA und GWG. Diese sollten auch Menschen mit Altschulden als Mieter akzeptieren: „Die Schranken zum Wohnen sind einfach zu hoch.“
Containerprojekt Neue Wohnung
Größe: 19 Plätze
Unterkunftsart: 1-Mann-Container (13 Quadratmeter), möbliert
Betreuungsschlüssel (Sozialarbeiter pro Bewohner): 1:20
Bewohner: Wohnungslose mit Kostenübernahme vom Sozialamt
durchschnittliche Verweildauer der Bewohner: sechs Monate
Auszüge in eigene Wohnung: 88 von 170 (1994 bis 2001) = 51 Prozent
Kosten/Bewohner/Tag: 23 Euro, davon Behörden-Zuschuss 17,90 Euro, ab Januar 20, 20 Euro;
Rest über eine Stiftung
Träger: Neue Wohnen gGmbH
Kontakt: Neue Wohnung gGmbH, Langenfelderstr. 132, 22769 Hamburg, Tel. 040 / 851 23 78
Blut und Feuer
Das Haus gehört zur Division Nord, die Leitung haben zwei Kapitäne, und am Eingang hängt das Wappen mit der Inschrift „Blut und Feuer“. Auf militärische Dramatik muss man sich einstellen bei einem Träger, der Heilsarmee heißt. Doch die Streiter für den christlichen Glauben sind eifrige Verfechter tätiger Nächstenliebe: In Hamburger Stadtteil Groß Borstel unterhalten sie seit 25 Jahren das Jakob Junker Haus, eine betreute Unterkunft für Obdachlose.
Besonderheit: Die Bewohner bereiten ihre Mahlzeiten nicht selber zu, sondern essen in der hauseigenen Kantine (die von der Rathauspassage beliefert wird). „Das wird rege angenommen“, sagt Betreuungsleiter Christoph Güra. „Die Vollverpflegung ist unser Part in der Hamburger Hilfelandschaft.“
Die 60 Einzelzimmer werden derzeit renoviert. Sie sollen auch künftig unter einem Dach bleiben: Eine Dezentralisierung des Angebots ist nicht geplant. Zusätzlich gibt es elf Zimmer, in denen Bewohner sich selbst versorgen – um mehr Selbstständigkeit zu üben. Wer ausgezogen ist, kann trotzdem noch Unterstützung bekommen: Ein Mitarbeiter im Jakob Junker Haus ist ausschließlich für Nachbetreuung zuständig.
Die Heilsarmee unterhält außerdem einen Tagestreff für Alkoholgefährdete in Billstedt (Park-In) und ist an der Beratung für Wohnungslose in Harburg beteiligt. Mit sechs Container-Plätzen beteiligt sich das Jakob Junker Haus am Winternotprogramm für Obdachlose. Die Polsterei, ein Beschäftigungsprojekt mit 14 Plätzen, muss allerdings zum Jahresende geschlossen werden. Grund: die Kürzungen bei den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.
Jakob Junker Haus
Größe: 71 Plätze
Unterkunftsart: 60 möblierte Einzelzimmer (ca. 12 Quadratmeter) mit Verpflegung,
11 möblierte Zimmer mit Selbstversorgung
Betreuungsschlüssel (Sozialarbeiter pro Bewohner): 1:8
Bewohner: wohnungslose Männer mit besonderen sozialen Schwierigkeiten
Durchschnittliche Verweildauer: sieben Monate
Auszüge in eigene Wohnung: 41 von 110 (2001) = 37 Prozent
Kosten/Bewohner/Tag: 60,15 Euro, finanziert von der Sozialbehörde
Träger: Heilsarmee
Kontakt: Jakob Junker Haus, Borsteler Chaussee 23, 22453 Hamburg, Tel. 040 / 51 43 14 0
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