Ein Stück Himmel auf Erden
Die christliche Gemeinschaft Brot & Rosen teilt ihr Einkommen und nimmt Flüchtlinge auf
(aus Hinz&Kunzt 143/Januar 2005)
Die Terrassentür an der Küche ist fast immer offen. Die Bewohner und Freunde des Hauses kommen und gehen. Es herrscht reges Treiben. Bis zu 20 Menschen, Erwachsene und Kinder, essen jeden Abend am großen Tisch.
In einem schmucklosen Backsteinbau in Hamburg-Bramfeld lebt die christliche Gemeinschaft Brot & Rosen – derzeit mit drei Mitgliedern, zwei Novizinnen und einem Freiwilligen. Außerdem haben hier sieben Flüchtlinge Unterkunft gefunden. Sie bleiben mehrere Monate bis zu einem Jahr, „Brot & Rosen“ nimmt sie unabhängig von ihrem rechtlichen Status und ohne bürokratische Hürden auf. Alle leben unter einem Dach und teilen den Alltag miteinander. Alle helfen im Haushalt, kochen, putzen und kaufen ein.
Die Gemeinschaft besteht seit 1996. „Für mich ist Brot & Rosen der Versuch, an die Wurzeln zurückzugehen“, sagt Birke Kleinwächter. Die 42-Jährige begann vor fünf Jahren, sich für das Haus der Gastfreund-schaft zu interessieren. Die Sozialpädagogin war damals arbeitslos; vorher hatte sie mit Schulkindern gearbeitet. Zunächst teilte sie als Freiwillige das Leben der Gemeinschaft und arbeitete im Haus mit. Seit Ostern 2004 ist sie „Vollmitglied“.
Gemeinschaft, Gastfreundschaft und Fürsorge seien im urchristlichen Kontext selbstverständlich gewesen, sagt Birke Kleinwächter. Am An-fang war es vor allem das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen, das sie an Brot & Rosen faszinierte. Das Miteinander sei außergewöhn-lich: „Eine besondere Atmosphäre, ein Gefühl von Dankbarkeit, das gibt mir eine Menge.“ Als bereichernd empfindet sie auch die tägliche politische Diskussion und die reflektierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln bei den wöchentlichen Zusammenkünften. Ihr Traum sei, den Tisch, an dem im Himmelreich alle zusammensitzen, auf die Erde zu holen, sagt sie. Sie schätzt die gemeinsame Spiritualität, die tägliche Morgenandacht und das Lesen biblischer Texte. Brot & Rosen verstehe sich zwar als Appell für gemeinschaftliches Leben, es stehe jedoch kein missionarischer Gedanke dahinter, betont sie. Zurzeit sind alle, die hier zusammenleben, christlich orientiert. Das war aber auch schon anders und funktionierte trotzdem gut.
Jeder Winkel des Hauses wird genutzt. Im Keller befindet sich ein behaglicher Andachtsraum, im Obergeschoss liegen die Zimmer der Bewohner und ein kleiner Raum für Notübernachtungen. Alles ist einfach und zweckdienlich eingerichtet. Die Gemein-schaft bemüht sich, mit wenig Geld zu leben. In ökonomischer Hinsicht ist das Konzept von Brot & Rosen radikal: Die Gemeinschaftsmitglieder gehen jeweils Teilzeitjobs außerhalb des Hauses nach. So arbeitet Birke Kleinwächter stundenweise beim Ham-burger Puppentheater und kümmert sich dort um die Kartenbestellungen. Das erwirtschaftete Geld wird zusammengelegt und deckt den Lebensunterhalt der Mitglieder. Die Beherbergung der Flüchtlinge wird aus Spenden finanziert.
Auch Viola Engels hat sich für das andere Leben bei Brot & Rosen entschieden. Die 35-Jährige ist eine der Novizinnen und damit auf dem Weg zum Gemeinschaftsmitglied. Nach rund einem Jahr bei Brot & Rosen resümiert die gelernte Krankenschwester lächelnd: „Die Vision hält der Realität stand.“ Für sie sei ihr Wunsch nach einem ganzheitlichen Leben Wirklichkeit geworden: mit Spiritualität, konkreter Gastfreundschaft und politischem Engagement. Aushilfsweise arbeitet sie noch als Krankenschwester im Hospizbereich, doch ihren Schwer-punkt sieht sie in der Flüchtlingsarbeit: „Mein größter Traum ist natürlich, dass Notlagen wie die der Flüchtlinge nicht mehr entstehen.“
Annette Scheld
Brot & Rosen: Telefon 69 70 20 85, Internet: www.brot-und-rosen.de, Spendenkonto: Trägerverein Diakonische Basisgemeinschaft, Kontonummer 23 88 13, Evangelische Darlehnsgenossenschaft Kiel (BLZ 210 602 37)