Krimi-Autorin Carmen Korn
„Schwarze Hefte“-Autorin mag die menschlichen Abgründe
(aus Hinz&Kunzt 120/Februar 2003)
Während Carmen Korn Morde plant, hat sie ihre Familie im Blick. Das bedingt die Architektur: Die Fünf-Zimmer-Altbau-Wohnung in Uhlenhorst ist hell, hoch und offen. Von ihrem Schreibtisch hat Carmen Korn freie Sicht ins Esszimmer und gleich weiter in die Küche. Sohn Paul büf-felt am langen Tisch englische Grammatik, Tochter Maris (15) isst Spaghetti. „Kann ich den Killer haben?“, fragt der Zehnjährige. Killer sind immer bei seiner Mutter zu finden. Auch die gegen Tinte.
Geboren wurde Krimiautorin Carmen Korn in Düsseldorf, in Köln ist sie aufgewachsen, einige Zeit hat sie in München gelebt und ist dann vor 28 Jahren dem Mann, mit dem sie heute noch zusammen ist, nach Hamburg gefolgt. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so lange hier bleiben würde“, sagt sie, „aber ohne Not wechsele ich diese Stadt nicht mehr. Schließlich sind die wichtigsten Dinge in meinem Leben in Hamburg passiert.“ Das war zunächst mal der „Stern“. Sieben Jahre war Carmen Korn dort Redakteurin, Ressort Unterhaltung: „Mein journalistisches Traumziel.“
Wichtig war auch die Geburt ihrer Kinder. Sie sind der Grund, warum Carmen Korn vom „Stern“ wegging – als „späte Mutter“ wollte sie mehr Zeit mit ihnen. Seither schreibt sie zu Hause. Die Frage, ob man einen morbiden Charakter braucht, um sich gerne Verbrechen auszudenken, amüsiert sie. „Hat nicht jeder eine Dunkelkammer, in die er manchmal verschwinden muss?“ Carmen Korn lächelt verschwörerisch. „Gerade wenn man so ein braves Familienleben führt.“
Manchmal, gibt die 50-Jährige zu, nervt sie die offene Altbauwohnung, in der man sich nie richtig zurückziehen kann. Wo immer Lärm aus der Küche zum Schreibtisch dringt. Krimis schreiben als Ventil gegen Aggression. Zugleich hat sie Angst um das Familienidyll. Deswegen bezeichnet sie ihre Bücher als „prophylaktische Buße“: „Was erst mal weggesagt wurde, kann doch nicht mehr in den eigenen kleinen Frieden dringen.“
Als Carmen Korn 1989 das erste Mal aus ihrer Dunkelkammer zurückkam, brachte sie „Thea und Nat“ mit. Die Geschichte einer Frau, die sich von ihrem Freund trennen will, aber aus Mitleid bei ihm bleibt, weil er durch einen von ihr verschuldeten Unfall scheinbar an den Rollstuhl gefesselt ist. Das war kein Krimi, Korn lotete nur ein bisschen die seelischen Abgründe der Menschen aus. „Jetzt werden Sie erleben“, sagte ihr der Journalist Wolf Schneider, „dass Sie ein gutes Buch geschrieben haben und sich keiner dafür interessiert.“ Er irrte. Das Buch hatte gute Presse, und Carmen Korn schaffte, was nur wenigen Debütanten vergönnt ist: Sie verkaufte die Filmrechte. „Thea und Nat“ lief im ZDF.
Mit den Krimis ging es so richtig erst durch einen Anruf von Volker Albers los. Der Herausgeber der „Schwarzen Hefte“ des Hamburger Abendblatts suchte eine Autorin. Carmen Korn schrieb „Der Tod in Harvestehude“. Dafür bekam sie den „Marlowe“-Preis für die beste deutschsprachige Krimigeschichte: „Mein erster und einziger Preis bisher, vorher hab ich noch nicht mal bei den Bundesjugendspielen was gewonnen.“
Verliehen wird der Preis von der Raymond-Chandler-Gesellschaft in Ulm. Carmen Korn sah sich im Rampenlicht, wählte sorgfältig die Garderobe aus – umsonst, die Verleihung fand im kleinen Kreis in der Ulmer Universität statt. Und dotiert war der Preis leider auch nicht. Aber der Vorsitzende der Gesellschaft hielt eine so rührende Laudatio, dass Carmen Korn sie heute noch hervorholt, wenn sie von Selbstzweifeln geplagt wird.
Seither ist Carmen Korn aufs Krimigenre abonniert. Die Schwarzen Hefte „Barmbeker Blues“, „Die Liebe in Hohenfelde“ und „Schlafende Ratten“ folgten. Und auch ihr neues Buch „Tod eines Pianisten“, dessen Skript fertig auf dem Schreibtisch liegt, ist wieder ein Krimi. „Am meisten Spaß habe ich daran, mir die Figuren auszudenken“, verrät die Autorin, „mich interessiert vor allem die Psychologie von Täter und Opfer.“ Wie und ob der Täter gefasst wird, ist nebensächlich – Carmen Korn ist keine Freundin der klassischen „Whodunit“-Geschichten.
Ein bisschen bringt sich die Autorin auch immer selbst ein. So haben viele ihrer Figuren mit Musik zu tun, zum Beispiel als Komponisten oder gescheiterte Sängerinnen. „Musik spielt in meinem Leben einfach eine große Rolle“, sagt die Autorin. Das Klavier ihres Vaters Heinz steht in ihrem Arbeitszimmer. Bis zu ihrem fünften Lebensjahr saß sie unter diesem Klavier und hörte ihrem Vater beim Komponieren zu. Einige seiner Schlager, wie „Mit 17 hat man noch Träume“, hört man heute noch im Radio. Während eines einjährigen Londonaufenthaltes versuchte sie sich in Jazzclubs selbst als Sängerin.
Nur ein Problem hat die Besucherin der Dunkelkammer. „Ich produziere nur sehr ungern Leichen!“, sagt Carmen Korn. Viel lieber würde sie ohne auskommen. In den meisten ihrer Lieblingskrimis wird auch nicht gestorben: „Denken Sie nur an Georges Simenons Bücher außerhalb der Maigret-Reihe – da muss kein Mord passieren, und trotzdem läuft es einem eiskalt den Rücken herunter.“
Da kam ein Angebot vom Erika Klopp-Verlag gerade recht. Einen Kinderkrimi solte die Marlowe-Preisträgerin schreiben, für das Alter von zehn bis zwölf, einzige Auflage: Es darf kein Mord vorkommen.
Als „Der Mann auf der Treppe“ fertig war, gab sie das Manuskript Maris und Paul zum Lesen: „Damit keine Klopse drin sind.“ Außerdem berieten die Kinder Carmen Korn bei Sprache und Musikgeschmack der Protagonisten – zufällig handelte es sich hier auch um ein Geschwisterpaar. Paul war richtig stolz auf das Buch, das Carmen Korn ihm und seiner Schwester gewidmet hat. Er gab jedem Freund, der bei ihm zu Besuch war, ein Belegexemplar mit: „Hier, lies mal, das hat meine Mutter geschrieben.“