Man kann nichts verändern? Von wegen!
Fünf Beispiele, wie gemeinnützige Arbeit und Spaß zusammenpassen
(aus Hinz&Kunzt 121/März 2003 – Die Jugendausgabe)
Es ist ein verregneter Samstagnachmittag, als das Telefon klingelt. Martin G. (20) nimmt ab, und am anderen Ende meldet sich ein junges Mädchen, das von ihren besten Freunden verraten wurde. Martin macht bei „Jugendliche beraten Jugendliche“ mit, einem Projekt des Jugendseelsorgetelefons.
Jeden Samstag beraten jeweils zwei Jugendliche die Anrufenden. „Die Probleme lassen sich natürlich nicht so schnell aus dem Weg räumen. Aber es ist schon ein großer und wichtiger Schritt, über seine Sorgen zu sprechen“, erläutert Martin. „Manche Jugendliche haben absolut niemanden zum Reden, dann sind wir da!“
Bevor sich die Jugendlichen als verständnisvolle Zuhörer bewähren dürfen, müssen sie eine 13-stündige Ausbildung absolvieren. „Durch Rollenspiele und Gruppenarbeiten bereiten wir uns auf den Job vor“, so Martin. Er ist schon länger dabei und fühlt sich immer wieder „gut, anderen helfen zu können“. Praktisch ist die Beratung für ihn auch deshalb, weil er später einen Pädagogenberuf ausüben möchte.
Das Projekt ist eine Light-Version ehrenamtlicher Arbeit, denn die Jugendlichen beraten lediglich einmal im Monat. Doch deswegen ist es nicht minder bemerkenswert. „Man gewinnt ungeheuer an Erfahrung und lernt nach manchen Gesprächen für sein eigenes Leben dazu“, findet Martin.
Für das Leben anderer setzt sich die amüsante Truppe der ,,Blutigen Vampire“ vom Jugendrotkreuz (JRK) ein. Auf Großveranstaltungen erkennt man die vierköpfige Gruppe leicht an der roten JRK-Sanitäter-Jacke. Hin und wieder kommt es dort zu Einsätzen, oder es stehen Seminare und Schulungen an. Da passiert es schon mal, dass sie sich am Samstagmorgen um acht Uhr treffen oder ein ganzes Wochenende mit dem JRK unterwegs sind. Ansonsten treffen sie sich jeden Dienstag zur Gruppenbesprechung.
Doch „nur Arbeit ist das bei uns natürlich nicht, oft ist es witzig und entspannt“, erzählt Torge Meister (19). Das sei einer der Gründe, warum er sich als Sanitäter engagiere. Außerdem sei es faszinierend zu lernen, wie man Menschen in Notsituationen helfen kann. „Ich will Leute kennen lernen, Neues ausprobieren und einfach in einer Gruppe mitwirken“, fasst Hülya (16), die aufgeweckteste der Truppe, ihre Motivation zusammen. „Bei uns kommt noch hinzu, dass wir durch die Arbeit hier nicht zum Bund müssen“, spricht Torge für sich und seinen Bruder Arne (16). Stolz sind die 16- bis 19-Jährigen auf die viertägige „Kinderstadt“ im vergangenen Jahr, bei der sie mit anderen DRKlern Berufe vorstellten.
Ebenso auf die Wettkämpfe, die regelmäßig stattfinden. „Einmal wurden wir sogar Zweiter!“, erzählt Gruppenleiterin Jennifer Trojack (17). In den Wettkämpfen, die regional, bundesweit und international stattfinden, geht es um Erste Hilfe, aber auch um das Schminken von Wunden und Brüchen. „Das ist eine besondere Aufgabe unserer Gruppe, deshalb der Name ‚Die blutigen Vampire‘“, erklärt Jennifer.
Zwar in keiner gemeinnützigen Organistation, aber trotzdem engagiert sind Robert und Martin. Sie sind Teil einer Gruppe, die im Autonomen Jugendhaus (AJH) in Bargteheide Angebote für Jugendliche macht. Die Filmabende, Essensausgaben, Partys oder auch politischen Vor- träge werden von Jugendlichen organisiert – ohne Hilfe der Stadt. Martin Trautvetter (22), schon seit acht Jahren beim AJH, erklärt: ,,Wir geben keine Richtung vor. Bei uns wird alles gemixt, Jugendliche mit unterschiedlichen ethnischen Hintergründen, Kultur und die Musik.“ Dieses Konzept geht auf, denn schon seit 18 Jahren kommen Jugendliche ins AJH.
Robert (18) sieht sein Engagement als selbstverständlich an: ,,Wenn man was erreichen will, dann muss man eben auch aktiv sein.“ Er und seine Mitstreiter sind nicht hauptsächlich an ihrem eigenen Vergnügen interessiert, sondern wollen Jugendlichen etwas bieten. Die politische Jugendgruppe BASTA!, die sich regelmäßig im AJH trifft, nimmt an Antikriegs- oder Antifaschismus-Demonstrationen teil oder lädt Redner ein, jetzt etwa zwei Flüchtlinge aus Afghanistan.
Allerdings soll das leerstehende Haus, das die Jugendlichen gemütlich eingerichtet haben, nun einem Neubaugebiet weichen. Eine angemessene Alternative gibt es noch nicht. „Wir wissen, dass wir selber aktiv werden müssen, wenn wir etwas finden wollen. Mit größeren Räumlichkeiten könnten wir noch viel mehr machen“, sagt Martin.
Eine etwas andere Jugendarbeit leistet der Jugendarbeiter-Kreis (JAK) aus Hamm vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Die Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, Friedensarbeit zu leisten und sich um Kriegsgräber zu kümmern, die als Mahnmal für die Ewigkeit gedacht sind und somit Pflege benötigen. „Der Grabpflege dienen Workcamps für Jugendliche“, erzählt Christian (23), ein langjähriger JAKler. Sie finden in vielen Ländern statt. „Ein paar Stunden am Tag wird geschuftet, dafür ist der Preis gering.
Abends sind Party oder Kultur angesagt!“, sagt Leif Langberg (25). Wenn die Jugendlichen nicht gerade in Camps mitwirken, unterstützen sie den „Erwachsenen“-Volksbund, veranstalten Bildungsseminare im In- und Ausland oder gestalten Feiern.
„Man lernt viele Länder kennen und findet Freunde auf der ganzen Welt. Das motiviert weiterzumachen!“, freut sich Patrick Neubauer (17), und Borislav Dinav (25) ergänzt: „Es ist toll, Wissen zu vermitteln, Neues zu lernen und sich gleichzeitig für den Frieden einzusetzen.“
Auch Lisa Reichmann (15) befand sich unter hunderten Jugendlichen aus aller Welt: Bei einem einwöchigen Camp während des Urwald-Gipfels in Den Haag kämpfte sie für den Erhalt des Urwaldes – eine Aktion von Greenpeace. Das selbstbewusste Mädchen ist dort schon seit anderthalb Jahren in einer Jugend-Arbeitsgemeinschaft. ,,Mir ist es wichtig, dass ich mich für die Zukunft einsetze, bevor es zu spät ist, denn so, wie es ist, kann es nicht weitergehen.“ Aus diesem Grund setzt sie sich mit Informationsveranstaltungen, Demonstrationen oder Mahnwachen für den Umweltschutz ein. „Vom Nichtstun ändert sich eben nichts und vom ewigen Motzen schon gar nicht.“ Besonders am Herzen liegen ihr Energie- und Klimathemen. Wichtig ist ihr, dass sie nicht nur protestiert, sondern auch sinnvolle Gegenvorschläge anbieten kann. Aus diesem Grund wird auch eine neue internationale Jugendkampagne gestartet, die „Solargeneration“.
Trotz des Engagements ist Lisa enttäuscht über die geringe Teilnahme anderer Jugendlicher. Dass sich in Deutschland nur rund 400 Jugendliche bei Greenpeace engagieren, führt sie auf den geringen Informationsstand, aber auch auf die falsche Prioritätensetzung vieler zurück. ,,Die Leute müssen aufgerüttelt werden. Man muss nicht andere über die eigene Zukunft entscheiden lassen, wenn man durch aktive Beteiligung etwas retten kann. Je mehr sich engagieren, desto mächtiger ist man!“