Am Sonntag ermittelt Sebastian Bezzel als Kai Perlmann das letzte Mal an der Seite von Eva Matthes im „Tatort“ Konstanz. Wir haben den Schauspieler mit bayerischem Migrationshintergrund vorab getroffen.
Das ist ihm noch nie passiert, wirklich. Sebastian Bezzel kommt zur Tür des Hofbräuhauses Am Speersort hereingehetzt. Über ihm von der Decke baumeln blauweiße Papiergirlanden, hinter ihm stemmen Kellnerinnen im Dirndl Maßkrüge, Männer kloppen Karten, aus den Lautsprechern blubbert Blasmusik. Alles wie beim Original in München.
Bezzel, „der derzeit erfolgreichste Schauspiel-Export Bayerns“ (Die Welt), war noch nie hier. Er hat auch noch nie einen Interviewtermin vergessen, beteuert er. Zwei Premieren also heute für den Mann, der vor allem durch seine Rollen als schnöseliger Kai Perlmann im „Tatort“ Konstanz und als machohafter Dorfpolizist Franz Eberhofer in den Krimi-Verfilmungen von Rita Falk bekannt geworden ist.
Auf den Schreck erst mal ein Radler. Acht Jahre wohnt der 45-Jährige Bayer nun schon in Hamburg. Er mag Franzbrötchen, die Strandperle, Mittagsschlaf, das St. Pauli-Theater und seinen Kiez in Ottensen. Aber das Radler darf bitte bayerisch sein: mit Orangenlimonade, nicht mit Zitronenlimonade. Die Münchner Wiesn hingegen hält er für eine „komplett pervertierte Veranstaltung“, 1998 war er zum letzten Mal da, freiwillig bringen ihn da keine zehn Pferde mehr hin. Dann schimpft er noch ein bisschen auf die CSU.
Mit Klischees kommt man bei Sebastian Bezzel nicht weit. Immerhin: Er mag den FC Bayern München. An Samstagen geht er mit seinem fünfjährigen Sohn manchmal in die Kneipe, um sich eine Halbzeit anzugucken („Mehr schafft er noch nicht.“). Die beiden tragen dann Bayern-Trikots. Dafür fängt Bezzel sich öfter einen Spruch, aber damit kann er leben. Mit Direktheit auch. Das ist sogar einer der Gründe, weshalb er in der Großstadt wohnt.
Aufgewachsen ist er in Garmisch-Partenkirchen. 26.000 Einwohner plus unzählige Touristen. Eine glückliche Kindheit in der Natur: Im Winter jeden Tag Ski fahren, im Sommer mit dem Vater raus in die Natur, Vögel beobachten. Der war Ornithologe, leitete die staatliche Vogelschutzwarte Partenkirchen, auf einem hektargroßen, herrlich gelegenen Grundstück oben auf einem Berg, erzählt Bezzel. Die Familie wohnte im Nebenhaus, ein Nest der Geborgenheit. „Aber es war mir relativ früh schon klar, dass ich nicht in Garmisch bleiben werde“, sagt Bezzel. Zu viele Touristen. Zu viel Gewese ums Geld.
„Ich fand Schauspieler schon als Kind toll.“ – Sebastian Bezzel
Den Zivildienst macht er noch in der Heimat, bei der Caritas. Er kauft ein, putzt, räumt auf, vertreibt die Langeweile seiner alten und behinderten Schützlinge. Ein paar heftige Fälle seien dabei gewesen, sagt Bezzel. Mit einem seiner damaligen Spezls hat er noch bis heute Kontakt.
Es war sein Großvater, der ihm vorlebte, jeden Menschen mit Respekt zu behandeln. „Mein Opa war ein richtiger Münchner: ein ganz feiner Herr, immer mit Anzug und Krawatte. Der war unglaublich penibel in allem: Seine Geldscheine haben immer so ausgeschaut, als hätte er die zu Hause gebügelt“, sagt Bezzel. Fast jedem Bettler drückte der penible Opa ein blitzblankes Fünfmarkstück in die Hand. „Stadtstreichern gibt man etwas“, sei dessen Überzeugung gewesen, erzählt Bezzel.
„Ich fahre privat einen völlig zerdengelten Volvo“
Seinen Kindern versucht Bezzel die Einstellung weiterzugeben. Wenn die fragen, was der Mann auf dem Fußweg oder die Flüchtlingsfrau vor dem Supermarkt machen, antwortet er: „Die haben aus welchen Gründen auch immer kein Zuhause, denen geht es schlecht. Manche trinken, manche sind krank. Aber wir behandeln sie respektvoll.“
Ihn selbst behandeln hingegen nicht immer alle mit Respekt. Ein Kritiker schrieb einmal, er „dackele immer treudoof neben ihr (Eva Mattes, die Red.) her und müsse ständig klassische Krimivollpfostensätze sagen“. Als er vor Jahren seine damalige Freundin und heutige Frau, die Schauspielerin Johanna Christine Gehlen, in Ottensen besuchte, pöbelte ihn ein total besoffener Punk am Bahnhof Altona mit den Worten an: „Du bist auch so ein schlechter Schauspieler!“ Bezzel lacht laut, als er die Geschichte erzählt – wie damals. Am Ende unterhielt er sich noch nett mit seinem schonungslosen Kritiker von der Straße.
Sebastian Bezzel hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt: Angefangen mit 19 als eine Art Edelkomparse am Münchner Residenztheater, Ausbildung an der Bayerischen Theaterakademie August Everding und Engagements am Bayerischen Staatsschauspiel und Prinzregententheater. Schon im Kindergarten wollte er Schauspieler werden. „Ich fand schon immer, dass das lustige und verrückte Typen waren und teilweise auch hoch neurotische. Das fand ich spannend“, sagt Bezzel.
In seinem Spielfilmdebüt 1996 spielte er noch eine Geisel, danach sah man ihn immer wieder auf der Seite der Gesetzeshüter agieren: ob in „Abschnitt 40“, dem „Tatort“ oder in den Eberhofer-Krimis. Er hat auch schon Rikschafahrer, Juristen und Wintersportler dargestellt, aber Serienrollen, das weiß auch Bezzel, prägen das Image.
Beschweren will er sich darüber nicht, denn: Serie, das bedeutet auch immer ein geregeltes Einkommen. Nicht selbstverständlich in seiner Branche. Dass viele aber denken, er schwimme im Geld, findet der Fahrer eines „völlig zerdengelten Volvos“ amüsant. Einmal sei er mit seiner Frau nach Mallorca geflogen, Ryanair. An Bord wurden Lose verkauft, Hauptgewinn: 200.000 Euro. Bezzels Frau kaufte gerade ein Los, als ein Ehepaar im Flieger sie erkannte und für alle vernehmbar fragte „Was will denn die? Die hat doch schon Millionen!“
Sein letzter „Tatort“-Fall
Am 4.12. 2016 ist er zum letzten Mal als Kommissar Perlmann im TV zu sehen (hier zur Vorschau). Die ARD setzt den Konstanz-Tatort nach 14 Jahren ab, die Geschichte sei auserzählt, ein neues Team soll für frischen Wind sorgen. Bezzel hätte sich bessere Drehbücher gewünscht und dass sich der SWR stärker für „seinen Tatort“ engagiert hätte, aber er trauert seiner Figur nicht nach. Auf Dauer sei es auch öde, immer wieder „Wo waren Sie gestern zwischen sieben und acht Uhr?“ zu fragen. „Ich will, dass mir jetzt mal die Fragen gestellt werden.“
Am liebsten würde er mal einen Heiratsschwindler spielen oder einen Hochstapler. Bloß keinen, der mit der Polizei zusammenarbeitet. „Da habe ich alles durch“, sagt er. Betrüger faszinieren ihn. Er hat schon viele Dokus zum Thema gesehen, lobt seine Kollegen Charly Hübner und Michael Maertens für ihren Film „Vorsicht vor Leuten“ (2015), der bei ihm „positiven Neid“ ausgelöst habe. Mit einer Freundin hat er sich sogar schon einen Arbeitstitel für einen Film ausgedacht, in dem er den Betrüger spielen könnte: ,Die Arschgeige‘. „Da steht dann auf dem Plakat: ‚Sebastian Bezzel ist die Arschgeige‘“, sagt er und lacht. Das würde ihm gefallen.