Energiearmut :
Stromsperren steigen um 64 Prozent

Immer mehr Menschen können ihre Stromkosten nicht mehr zahlen. Foto: Petra Bork / pixelio.de

Drastische Entwicklung: Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Stromsperren in Hamburg auf fast 11.000. Doch weder die Sozialbehörde noch das Umweltministerium sehen Handlungsbedarf.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Die Anzahl der Hamburger Haushalte, denen wegen unbezahlter Rechnungen der Strom abgestellt wurde, ist im vergangenen Jahr stark angestiegen. 10.948 Mal hat der Netzbetreiber Stromnetz Hamburg GmbH Stromkunden den Stecker gezogen. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Zuwachs um 4260 Fälle oder 64 Prozent. 2015 waren es noch 6688 Stromsperren gewesen.

Ihre Anzahl steigt seit Jahren kontinuierlich an – wie auch die Preise für Energie. Die Stromkosten haben sich nämlich in Deutschland seit 2002 fast verdoppelt. Als Ursache für den sprunghaften Anstieg im vergangenen Jahr vermutet der Hamburger Stromnetzbetreiber aber, dass die Kunden vor der Sperrung nicht mehr wie bislang zwei Mal gewarnt werden.

Neues Verfahren Grund für den Anstieg?

Bislang sind Stromkunden vom Hamburger Grundversorger Vattenfall vor dem Abschalten schriftlich darüber informiert worden, dass ihnen eine Stromsperrung droht. Vattenfall beauftragte dann Stromnetz Hamburg mit der Sperrung, die erneut vor der drohenden Stromabschaltung warnte. Diese zweite Warnung fiel 2016 weg. Weil Stromnetz Hamburg nach einer Änderung der Regularien durch die Bundesnetzagentur innerhalb von sechs Tagen nach der Aufforderung durch Vattenfall den Stecker ziehen muss, fehle die Zeit für eine zweite Warnung.

Für 2017 erwartet der Betreiber einen Rückgang der Sperrungen. „Die Kunden wissen nun, dass der Netzbetreiber nicht mehr separat anschreibt“, sagt Unternehmenssprecherin Anette Polkehn-Appel. Deshalb, so die Vermutung, würden sie ihre offene Rechnung früher bezahlen.

Senat und Bundesregierung sehen keinen Handlungsbedarf

In der Sozialbehörde sieht man deshalb keinen Grund, etwas gegen die gestiegenen Zahlen zu unternehmen. „Der Staat bietet Bürgerinnen und Bürgern, die ihre Stromrechnungen nicht zahlen oder nicht zahlen können, verschiedene Hilfsangebote an“, sagt Enrico Ickler, Referent von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). Jobcenter würden unter Umständen Stromschulden übernehmen, Schuldnerberatungsstellen würden allen Bürgern offenstehen.

Auch die Bundesregierung sieht offenbar keinen Grund für verstärkte Anstrengungen, die hohe Anzahl der Stromsperren zu verringern. Das Energie- und Sozialrecht biete „bereits heute einen ausreichenden Rahmen, um soziale Härten bei Stromsperren zu vermeiden“, heißt es in einer Antwort des SPD-geführten Umweltministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion. Mögliche Verbesserungen würden allerdings geprüft.

Linke scheitern mit Anträgen

Einen Antrag der Linken, Stromsperren ganz zu verbieten, hatte der Bundestag schon 2015 abgelehnt. In Hamburg hatte Linksfraktion im vergangenen Herbst vom Senat gefordert, unabhängige Clearingstellen für Energieschuldner einzurichten und sich auf Bundesebene für die Übernahme der kompletten Stromkosten durch die Jobcenter einzusetzen. Die Bürgerschaft lehnte den Antrag ab.

Autor:in
Benjamin Laufer
Benjamin Laufer
Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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