Die Verlegung des Frauenstrafvollzugs von Hahnöfersand ins hochgesicherte Billwerder ist fachlich falsch. Und sie bedeutet den Abschied von einem ambitionierten Strafvollzug. Ein Kommentar von Chefredakteurin Birgit Müller
(aus Hinz&Kunzt 240/Februar 2013)
Eine Expertenanhörung, eine öffentliche Anhörung, ein offener Brief von prominenten Hamburgerinnen – nichts konnte die Pläne des SPD-Senats ändern: Der Frauenstrafvollzug wird von Hahnöfersand nach Billwerder verlegt. Und das, obwohl sich fast alle Experten oder besser gesagt Expertinnen – die meisten sind Frauen – dagegen ausgesprochen haben. Niemand glaubt ernsthaft, dass es aus fachlicher Sicht besser ist, wenn 100 Frauen zusammen mit 650 männlichen Gefangenen auf einem Gelände untergebracht sind. Das behauptet nicht einmal die Justizbehörde: Es geht nämlich nicht um besser. Es geht um billiger – vielleicht 870.000 Euro jährlich.
Die Frauen sollen zwar mehr Möglichkeiten für eine Qualifizierung erhalten. Aber mindestens so wichtig wie die Qualifizierung ist im Frauenstrafvollzug etwas anderes: die Entwicklung der Persönlichkeit – und die funktioniert bei den Frauen nachweislich besser ohne Männer. Denn: Frauen werden oft straffällig, weil sie von einem Mann abhängig waren. 75 Prozent der inhaftierten Frauen haben Gewalterfahrungen und 50 Prozent wurden sexuell missbraucht.
Die Frauen müssen deshalb, um ein straffreies Leben führen zu können, vor allem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aufbauen. In einem männerdominierten Umfeld ist das deutlich schwerer. Hinzu kommt, dass die Frauen meist nicht gefährlich und nicht ausbruchsgefährdet sind. Sie müssten also gar nicht in einem Hochsicherheitsgefängnis wie Billwerder untergebracht werden.
Der Abschied von Hahnöfersand ist aber auch der endgültige Abschied von einem Strafvollzug mit Visionen. Hahnöfersand ist eine Vorzeigeanstalt, die letzte Hamburgs. Früher waren das auch die Sozialtherapeutische Anstalt Altengamme oder das Moritz-Liepmann-Haus, in dem Gefangene den Alltag trainieren konnten, bevor sie entlassen wurden. Aufgebaut wurden die Anstalten unter SPD-Regierungen. Unter Justizsenator Roger Kusch (CDU) wurde Altengamme in den Großknast Fuhlsbüttel verlegt, das Moritz-Liepmann-Haus wurde geschlossen.
Der Gefangene, in der alten Wahrnehmung ein Mensch mit Defiziten, den man resozialisieren musste – gerade zur Sicherheit der Gesellschaft –, wurde in der Kusch-Ära quasi zu einem Feind der Gesellschaft, den es in erster Linie zu bestrafen galt. Viele hatten gehofft, dass mit dem Regierungswechsel wieder bessere Zeiten für den Strafvollzug anbrechen würden. Aber der Kahlschlag unter Kusch war so gravierend, dass sich die SPD nicht in der Lage sieht, ihn rückgängig zu machen. Ein kleiner Trost: Der Senat will den offenen Vollzug in Glasmoor modernisieren. Statt Gemeinschaftssälen soll es Zweibettzellen geben für 250 Gefangene. Der offene Vollzug als Vorbereitung auf das Leben draußen erhält damit wieder mehr Gewicht. Man mag dem Senat deshalb Sparvollzug vorwerfen, aber Feindvollzug ist das nicht mehr.
Mehr Infos lesen Sie unter www.hinzundkunzt.de/frauenstrafvollzug