Kritik an Verboten in U- und S-Bahnen
Strafen für Betteln rechtswidrig?

Bus und Bahn fahren ohne Fahrschein ist bislang eine Straftat. Foto: Actionpress / imagebroker.com

Hamburgs S-Bahn und Hochbahn gehen verstärkt gegen bettelnde Menschen vor. Kritik daran üben jetzt Hinz&Kunzt und die Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Die Gesellschaft für Freiheitsrechte kritisiert das Vorgehen der Hamburger Hoch- und S-Bahn gegen Menschen, die in S- und U-Bahnen betteln. Juristin Luisa Podsadny hält es für rechtswidrig, dass die Bahngesellschaften Betteln in ihren Zügen grundsätzlich verbieten. „In Staatseigentum stehende Unternehmen wie die Hamburger Hochbahn und die Deutsche Bahn sind an Grundrechte gebunden. Sie dürfen in ihren Beförderungsbedingungen nicht willkürlich grundrechtlich geschütztes Verhalten verbieten“, sagt Podsany im Gespräch mit Hinz&Kunzt. „Betteln stört in den meisten Fällen nicht den Verkehrsbetrieb. Allgemeine Ansprachen und Bitten dürfen nicht einfach untersagt werden, um anderen Fahrgästen die Interaktion mit Menschen in Armut zu ersparen.“ Die Hochbahn wiederum hält der Juristin entgegen, dass unabhängig von den Eigentumsverhältnissen eines Unternehmens im Hamburger Verkehrsverbund die Allgemeinen Beförderungsbedingungen gelten würden.

In diesem Jahr hat die Hamburger Hochbahn durchschnittlich mehr als sechs Strafen wegen Bettelns pro Tag verhängt. Das sind fast doppelt so viele Strafen wie im Vorjahr und mehr als drei Mal so viele wie noch vor zwei Jahren. Für das verschärfte Vorgehen liefert das Verkehrsunternehmen jetzt eine Begründung: Viele Fahrgäste hätten zurückgemeldet, „dass sie sich teilweise unwohl fühlen, wenn sie im Zug oder an Haltestellen von Fremden nach Geld oder anderen Dingen gefragt werden“, heißt es auf einem vom Unternehmen betrieben Blogeintrag.

Beide Hamburger Verkehrsunternehmen – die S-Bahn und Hochbahn – reagieren jetzt: Mit neuen Durchsagen, die auf das in der Beförderungsbestimmungen festgehaltene Bettelverbot hinweisen, und verstärkten Aufforderungen zum Verlassen von Bahnen und Haltestellen durch das Wachpersonal soll das Aufkommen von Bettelnden eingedämmt werden. „Unser Ziel ist, unsere Fahrgäste sicher, pünktlich und so angenehm wie möglich zu befördern“, sagt ein Bahnsprecher gegenüber Hinz&Kunzt. „Aus diesem Grund müssen wir auf die Einhaltung der Beförderungsbedingungen bestehen.“ Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum wiederum sagt: „Uns steht es nicht an über das Sicherheits- und Wohlgefühl unserer Fahrgäste zu urteilen. Wir müssen aber schlicht sehen, dass wir unser Serviceversprechen (nichts anderes sind die Beförderungsbedingungen) immer weniger einhalten. Das können wir den Fahrgästen zunehmend weniger vermitteln.“

Dass es dabei aber nicht nur bei Aufforderungen bleibt, zeigt die hohe Zahl der Strafgelder, die durch die Hochbahn-Wache ausgesprochen wurden: 930 seit Anfang dieses Jahres und 1337 im Jahr 2023. Und das Strafmaß für die um Almosen Bettelnden liegt bei 40 Euro – allein im vergangenen Jahr hätten somit Bettelnde mehr als 53.000 Euro an die Hochbahn für ihre Vergehen – das Betteln – zahlen sollen. Die Bahn wiederum nennt keine Zahlen zu Vertragsstrafen.

Ob dieses Vorgehen überhaupt rechtens ist, bezweifelt Juristin Luisa Podsadny. Für mehr Toleranz und Verständnis wirbt wiederum Hinz&Kunzt-Geschäftsführer Jörn Sturm.  „Das Betteln gehört zum Leben“, sagt er. Es sei natürlich nicht in Ordnung, wenn Menschen aggressiv betteln oder Fahrgäste bedrängen. Aber: „Wie groß ist das Problem wirklich, wenn Menschen durch einen Waggon gehen, einen Vortrag halten und einen Becher hinhalten?“

Autor:in
Jonas Füllner
Jonas Füllner
Studium der Germanistik und Sozialwissenschaft an der Universität Hamburg. Seit 2013 bei Hinz&Kunzt - erst als Volontär und inzwischen als angestellter Redakteur.

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