NS-Widerstand in Wandsbek

Auf dem Weg der Erinnerung

Gedenktafel auf dem Historischen Friedhof Wandsbek: Die Nazis taten alles, damit nichts mehr an einen der bekanntesten Widerstandskämpfer erinnerte: Helmuth James Graf Moltke wurde 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Foto: Miguel Ferraz
Gedenktafel auf dem Historischen Friedhof Wandsbek: Die Nazis taten alles, damit nichts mehr an einen der bekanntesten Widerstandskämpfer erinnerte: Helmuth James Graf Moltke wurde 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Foto: Miguel Ferraz
Gedenktafel auf dem Historischen Friedhof Wandsbek: Die Nazis taten alles, damit nichts mehr an einen der bekanntesten Widerstandskämpfer erinnerte – Helmuth James Graf Moltke wurde 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Foto: Miguel Ferraz

Gedenken in der Nachbarschaft: Im Bezirk Wandsbek erinnern 15 Stelen an Widerstand und Verfolgung in der Nazizeit.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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An einem Spätsommertag im vergangenen Jahr standen Linda Eggert und Lilli Albrecht neben einem Gedenkstein in ihrer Nachbarschaft und sprachen darüber, wie es ist, sich das Unvorstellbare vorzustellen. „Keiner, der in der heutigen Zeit lebt und nicht in einem solchen KZ gefangen war, kann sich in die damalige Lage hineinversetzen“, sagten die beiden Schülerinnen der zehnten Klasse des Gymnasiums Oberalster. Die beiden 16-Jährigen sind nur etwas jünger als es die Frauen vor 80 Jahren waren, als sie in das KZ Sasel, ein Frauenaußenlager des KZ Neuengamme, deportiert wurden. Eine von ihnen war die damals 19-jährige Jüdin Lucille Eichengreen aus Eimsbüttel. An sie erinnert eine Tafel an einer Stele, die zum neu geschaffenen Wandsbeker Weg der Erinnerung an Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus gehört.

Die Schülerinnen haben sich auf einer Projektwoche mit der Geschichte des KZ Sasel beschäftigt. Der zunehmende Rechtsruck in der Gesellschaft bereitet ihnen Sorgen. „Daher ist es umso wichtiger, weiterhin über die damaligen Verbrechen zu berichten.“ Weil es immer weniger Zeitzeug:innen gebe, müsse auf anderen Wegen an sie erinnert werden.

„Keiner kann sich in die damalige Lage versetzen.“

Linda Eggert und Lilli Albrecht

Die 15 Stelen befinden sich in mehreren Stadtteilen des Bezirks (siehe Infokasten). Erinnert wird an einfache Arbeiter, Rabbiner oder auch den damaligen Zweiten Bürgermeister Wandsbeks Gustav Delle. Die Wandsbeker Bezirksversammlung hat den Weg der Erinnerung vor zwei Jahren einstimmig beschlossen, wie Stefan Romey am Telefon erzählt. Im April 2020 hatte das Bezirksparlament einen Runden Tisch unter Beteiligung von Opferverbänden, Geschichtswerkstätten und örtlichen Initiativen damit beauftragt, ein Konzept für die Ehrung der Wandsbeker Widerstandskämpfer:innen gegen den Nationalsozialismus zu erstellen. Zum Moderator wurde der pensionierte Lehrer Stefan Romey berufen, der zu diesem Thema lange geforscht und das Buch „Widerstand in Wandsbek 1993–1945“ geschrieben hat. Der 72-Jährige ist auch Autor des Readers über die Orte der Erinnerung, der kostenlos erhältlich ist.

Auslöser, sich intensiver mit der Geschichte des Widerstands zu beschäftigen, war ein Streit, ob der Bezirk Helmuth James Graf von Moltke gedenken solle, obwohl er kein Wandsbeker war. „Ich war und bin der Meinung, dass man ihn in Wandsbek ehren muss“, so Romey. Denn seit 1972 steht der erste Gedenkstein für einen der bekanntesten Widerstandskämpfer auf dem Historischen Friedhof Wandsbek neben dem Grab eines seiner Vorfahren. Die Kontroverse führte zu einem Konzept, das Wandsbek zum Vorreiter der Erinnerungskultur macht: Es ist der erste Hamburger Bezirk mit einem Weg der Erinnerung. Obendrein ist der Bau eines zentralen Erinnerungsortes geplant. Wann machen sich die anderen sechs Bezirke auf den Weg?

Artikel aus der Ausgabe:

Kein Bargeld, kein Problem?

Die Gesellschaft wird bargeldloser – was bedeutet das für Arme und Obdachlose? Eine Spurensuche in Schweden. Außerdem: Wie Sie Hinz&Kunzt mit dem Handy bezahlen können, wo Sie in Hamburg Filmkunst aus Osteuropa sehen können und worunter die Psyche von Geflüchteten leidet.

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Autor:in
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Mathias Greulich

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