Die Deichtorhallen widmen der Fotografenlegende Albert Watson eine Retrospektive. Kern der Ausstellung sind Bilder, die der Prominenten- und Modefotograf für ein soziales Baumwollprojekt in Benin gemacht hat.
Das ist Pech. Fotolegende Albert Watson war extra von Amerika aus nach Benin gekommen, um die Baumwollernte der Kleinbauern zu fotografieren. Aber das Wetter war umgeschlagen, die Bauern mussten die Ernte früher einfahren – und als Watson ankam und seine Fotokoffer auspackte, waren die Baumwollfelder leer. Es wurde trotzdem eine aufregende Reise mit aufregenden Bildern, die der Prominenten- und Modefotograf erlebte. Glück im Unglück: Auf einem Feld wurde tatsächlich noch gearbeitet. Watson fotografierte die vier Männer im Vintage-Look – ein Bild, das um die Welt gehen wird.
Vielleicht nicht so wie die Bilder von ihm, die jeder kennt, selbst wenn man seinen Namen nicht weiß: Steve Jobs mit dem Bleistift, Mick Jaggers Gesicht unterlegt mit dem Gesicht eines Leoparden, Alfred Hitchcock mit der toten Gans. Und um noch ein paar Namen zu nennen: Johnny Depp, Kate Moss und Jack Nicholson. Aber in Benin war Watson auch in anderer Mission unterwegs: Er will die Stiftung Aid by Trade und ihr Baumwollprojekt Cotton made in Africa (CmiA) unterstützen.
Die Organisation will die Lebensbedingungen von Kleinbauern nicht durch Spenden, sondern durch Handel verbessern. Das Projekt funktioniert so: Die Stiftung hilft rund 420.000 Kleinbauern in sechs afrikanischen Ländern, nachhaltig anzubauen. Und sie kümmert sich um Schulungen und Schulen und darum, dass die Baumwolle zu fairen Preisen verkauft und verarbeitet wird. Ein Schwerpunkt ist, „eine Allianz internationaler Textilunternehmen aufzubauen, die die Baumwolle einkauft und weiterverarbeitet“, so die Geschäftsführerin der Stiftung, Tina Stridde, bei der Präsentation der Bilder.
Gegründet wurde die Stiftung 2005 in Hamburg, von Michael Otto, inzwischen gehören dem Netzwerk 20 Unternehmen an, darunter C&A, Puma, die Rewe Group, Tchibo – und natürlich Otto. 15 Millionen CmiA-Textilien sind derzeit weltweit im Handel, in diesem Jahr könnten es 20 Millionen werden. Die Nachfrage soll aber noch steigen, so Stridde. Und dazu ist es nötig, dass die Öffentlichkeit überhaupt von dem Projekt weiß – und auch die Kunden nachfragen können. Deshalb auch das Fotoprojekt: „Mit der Kraft von Bildern sollen die Herzen der Menschen erreicht werden“, so Tina Stridde.
Ob ein „ganz neues Bild afrikanischer Lebenswelten“ entstanden ist, wie Tina Stridde es sich gewünscht hat, muss der Betrachter selbst entscheiden. Fakt ist, dass es eine abenteuerliche Reise durchs Land wurde und Albert Watson nie wusste, was er am nächsten Tag erleben würde. Aufgeregt war er auch aus einem anderen Grund. „Ich wusste ja, dass die Bilder in einem Museum hängen würden“, da fotografiere man anders als bei einem Auftrag für den Stern. Was ihn faszinierte: „Die Energie, die diese Menschen haben. Man kann sich nicht vorstellen, dass ein Land mit solchen Menschen arm ist.“
Das versucht er in seinen Arbeiten einzufangen. Viele seiner Bilder entstanden bei einem lokalen Festival. Entsprechend sieht man die Menschen auch weniger in ihrer normalen Alltagskluft als in ihren traditionellen Festtagsgewändern. Was vielleicht mit dem modernen Afrika genauso viel zu tun hat wie die Trachten der Bauern im Alten Land. Watson lernt dabei auch den Regionalkönig kennen. Den fotografiert er – gut ausgeleuchtet – in einem einfachen Haus, mit seinen Insignien der Macht. Und weil der König inzwischen alt ist, aber auf dem Bild quasi sein ganzes Leben abgebildet wissen will, lässt er sich mit einem Jugendfoto von sich ablichten.
Oder die wunderschöne Frau, die Watson auf dem Festival erblickt. Watson fotografiert sie und andere Menschen – „ohne Haare und Make-up“. Gerade das Bild der jungen Frau könnte ein Titel für die Vogue sein, findet der gebürtige Schotte. Und sie treffen einen Farmer, „der nicht wusste, wie alt er ist“, so Watson. Und der ihm erzählt, wie sehr er sich anfangs gegen das Projekt und den Schulbau gesträubt und wie sehr er seine Meinung mittlerweile geändert habe. „Drei Kühe habe er geboten, damit die Leute und die Schule wieder verschwinden“, so Watson, „jetzt würde der Farmer am liebsten alle seine Kühe dafür geben, dass noch mehr Schulen gebaut werden.“
Text: Birgit Müller
Fotos: Albert Watson
Albert Watson: Visions feat. Cotton made in Africa, 14. 9. 2012 bis 6.1. 2013, Haus der Photographie in den Deichtorhallen, Di–So 11–18 Uhr, jeden 1. Donnerstag 11–21 Uhr (außer an Feiertagen). 3.10., 25. und 26.12. Geöffnet von 11–18 Uhr; Heiligabend und Silvester geschlossen; Neujahr 13–18 Uhr. Eintritt 9/6/4,40 Euro.
Weitere Infos unter www.deichtorhallen.de
Interview mit Albert Watson zur Ausstellung