Wohnungslose führen Regie

Kein Theater für Angsthasen

Schauspielerin Angelika Richter hört zu, was Hinz&Künztler Harald anzumerken hat. Foto: Migurel Ferraz
Hinz&Kunzt Randnotizen

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Hinz&Kunzt-Verkäufer:innen machen mit dem Schauspielhaus Theater. Sie haben eine klassische Komödie über Reichtum und Armut in die Gegenwart transportiert. Der Regisseur will alles – nur kein „Mitleidstheater“ machen.

Hoch oben im 4. Stock des Schauspielhauses auf der Kleinen Probebühne entsteht seit Ende März etwas ziemlich Großartiges: Ein Theaterstück, bei dem Wohnungslose den Ton angeben. So wie Hinz&Künztlerin Doro: „Kannst du statt Weibsbild vielleicht Frauenzimmer sagen?“, fragt sie. Schauspielerin Angelika Richter nickt: „Ja, finde ich gut! Frauenzimmer ist auch irgendwie ein schönes Wort.“ Sie und vier Schauspielkolleg:innen proben unter der Leitung von Theater- und Filmregisseur Eike Weinreich gerade ein ganz besonderes Stück: Die Texte kommen von (ehemals) obdach- und wohnungslosen Menschen, die meisten von ihnen Hinz&Künztler:innen.

Die inszenieren das Stück auch mit. So wie Doro. Normalerweise verkauft die quirlige Frau in der Schanze das Straßenmagazin. Heute arbeitet sie mit dem Regisseur konzentriert an einer Szene. „Mir macht so was halt Spaß“, sagt Doro, als wäre es das Normalste der Welt. Eike Weinreich ist ganz bei ihr: „Geschichten erzählen kann ja eigentlich jede:r, dafür muss man nicht studiert haben“, sagt er völlig uneitel. Schauspielhaus-Dramaturg Ralf Fiedler ist beeindruckt von der unkonventionellen Herangehensweise und übt zudem Selbstkritik: „Theater wird ja fast immer für privilegierte Gruppen gemacht. Eike Weinreichs Projekt ist ein ziemlich radikaler und konsequenter Versuch, das Ungleichgewicht ein bisschen zu verschieben.“ Schauspielerin Angelika Richter stimmt zu: „Wir spielen ja immer die Verlierer und die Abgerissenen, das sind unsere Helden. Aber wenn wir sie vor unserer Tür sehen, haben wir Berührungsängste.“


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Ausgabe 387

80 Jahre Befreiung vom Faschismus

Wie wichtig Erinnerung an NS-Verbrechen in Zeiten des Rechtsrucks ist und wie das Stigma der „Asozialität“ den Nationalsozialismus überdauerte. Außerdem: Über Musiker Marlo Grosshardt und ein Theaterstück mit Wohnungslosen am Schauspielhaus.

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Autor:in
Simone Deckner
Simone Deckner
Simone Deckner ist freie Journalistin mit den Schwerpunkten Kultur, Gesellschaft und Soziales. Seit 2011 arbeitet sie bei Hinz&Kunzt: sowohl online als auch fürs Heft.

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