Dramatische Lage :
Stadt weist Obdachlose ab

Die Situation für Hamburger Obdachlose spitzt sich dramatisch zu. Inzwischen kommt die Stadt ihrer Verpflichtung zu helfen immer häufiger nicht nach. Sogar die Notunterkunft Pik As weist Schutzsuchende ab.

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Letzte Station Straße: Die Diakonie schätzt die Zahl der Obdachlosen in Hamburg auf 2000.

Einfach war es nie, doch die Situation für Hamburgs Obdachlose spitzt sich immer mehr zu. Nicht nur, dass die regulären Unterkünfte überfüllt sind, weil ihre Bewohner keine reguläre Wohnung finden, die sie sich leisten können. Auch das Pik As, die städtische Notunterkunft für Obdachlose, ist überfüllt und weist Menschen ab, die dort einen Schlafplatz suchen. „Das gab’s noch nie!“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. „Damit ist die Wohnungslosenhilfe praktisch zum erliegen gekommen.“

Das Pik As ist so etwas wie der letzte Strohhalm, den die Sozialarbeiter aus der Wohnungslosenhilfe den Obdachlosen anbieten können. „Bislang konnten wir immer sagen: ‚Da kannst du auf jeden Fall heute Nacht schlafen’“, erklärt Karrenbauer. Jeder wurde aufgenommen und bekam drei Tage Zeit, sich zu orientieren und sich eine andere Bleibe zu organisieren. Inzwischen habe die Feuerwehr jedoch eine Höchstbelegungsgrenze von 260 Menschen für das Pik As auferlegt, teilt der städtische Betreiber fördern&wohnen (f&w) mit. Nach dem Ende des Winternotprogramms am 31. März und dem damit verbundenen Wegfall von 900 Schlafplätzen wurden deswegen zahlreiche Schutzsuchende abgewiesen. Alternativen bekamen viele nicht angeboten.

Hilfseinrichtungen sind überfordert 

Mit der Situation überfordert sind auch die Einrichtungen von Hilfsorganisationen. An Ostern sei es besonders dramatisch gewesen, berichtet der Leiter der Bahnhofsmission, Axel Mangat: „Da standen abends und nachts 50 Obdachlose bei uns vor der Tür, die nicht wussten, wo sie hin sollen.“ Sie waren von den Mitarbeitern des Pik As abgewiesen worden und suchten Hilfe bei der Einrichtung am Bahnhof. „Wir wissen nicht, was wir den Leuten sagen sollen“, sagt Mangat im Gespräch mit Hinz&Kunzt. Auch Andreas Bischke, Leiter der Tagesaufenthaltsstätte Herz As, beklagt: „Obdachlose, die weg von der Straße wollen und um Unterbringung nachsuchen, werden häufig von den Behörden abgewimmelt.“

Eigentlich ist die Stadt dazu verpflichtet, jedem Schutz vor Obdachlosigkeit zu gewähren. Die Sozialbehörde erklärt, in Ausnahmefällen sei eine Unterbringung im Hotel möglich. „Voraussetzung hierfür ist aber die positive Klärung der Frage nach dem Anspruch auf eine öffentliche Unterbringung“, sagt Behördensprecher Marcel Schweitzer. Übersetzt heißt das: Zumindest für obdachlose Zuwanderer fühlt sich die Behörde im Zweifelsfall nicht zuständig und überlässt sie der Straße.

Diakonie fordert konkrete Maßnahmen

Dabei könnte sie Abhilfe schaffen: Seit dem Ende des Winternotprogramms stehen in Hammerbrook 250 Übernachtungsplätze in Wohncontainern leer. Ungenutzt. Die Pläne, darin in den Sommermonaten ein Hostel zu eröffnen, wurden fallen gelassen. Hinz&Kunzt fordert, die Container auch im Sommer wenigstens nachts für Obdachlose zu öffnen.

Auch die Diakonie fordert vom neuen Senat konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit. „In Hamburg darf niemand gezwungen sein, die Nacht auf der Straße zu verbringen“, sagt Landespastor und Diakonie-Chef Dirk Ahrens. Der Hinz&Kunzt-Herausgeber verlangt vom Senat neue Unterkünfte und mehr Wohnungen für Obdachlose: „Was im Koalitionsvertrag dazu steht, ist zu wenig und zu unbestimmt.“ Eine Halbierung der Wohnungslosenzahl hielte er binnen fünf Jahren für realistisch, „wenn die neue Regierung ihre Kräfte wirklich konzentriert“. Das wäre auch höchste Zeit: Nach einer aktuellen Schätzung der Diakonie leben in Hamburg mindestens 2000 Menschen auf der Straße.

Text: Benjamin Laufer
Foto: Mauricio Bustamante