Die Pension für jobsuchende Zugewanderte ist Geschichte: Wie die Sozialbehörde der Bürgerschaft mitgeteilt hat, wurde das Modellprojekt Ende Oktober vorzeitig beendet. Begründung: Die Ziele seien nicht erreicht worden.
Sie galt als Mustervorhaben der Sozialbehörde: die „Pension für zugewanderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der EU“. Nun hat die Stadt das auf drei Jahre angelegte Modellprojekt am 31. Oktober vorzeitig beendet. Das geht aus einem Schreiben von Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) an die Bürgerschaftsfraktionen hervor.
Es habe sich gezeigt, „dass die konzeptionellen Annahmen in der Projektdurchführung in geringem Umfang umgesetzt werden konnten“, begründet die Sozialsenatorin ihre Entscheidung. „Auch die beabsichtigten arbeitsmarktpolitischen Wirkungen sind nur in geringem Umfang eingetreten.“ Kosten und Nutzen würden eine Fortführung des Angebots nicht rechtfertigen.
Die Pension mit insgesamt 22 Plätzen sollte die Not von Menschen insbesondere aus Osteuropa lindern, die auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg kommen und hier auf der Straße landen – etwa weil sie ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen entfliehen. Gleichzeitig erhoffte sich die Stadt „zusätzliche Arbeits- und Fachkräfte für Branchen, die einen besonders hohen Bedarf aufweisen“, schreibt Schlotzhauer. Voraussetzung für einen Platz in der Pension waren deshalb unter anderem „hinreichende Deutschkenntnisse“ sowie „schulische und berufliche Bildung oder Arbeitserfahrung“.
Wer diese Kriterien erfüllen konnte, bekam für sechs bis zwölf Wochen kostenlos Unterkunft und Beratung – eine Zeitspanne, die Fachleute von Anfang an als zu klein kritisierten. Tatsächlich, so die Behörde, blieb rund ein Drittel der insgesamt 89 Projektteilnehmenden länger als zwölf Wochen in der Pension. Verantwortlich für die längeren Aufenthaltszeiten dürfte vor allem der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Hamburg sein, wie weitere Zahlen der Stadt verdeutlichen: Von den Bewohner:innen, die dazu „freiwillige Angaben“ gemacht hätten, konnte nur „knapp die Hälfte in eine neue Unterkunft vermittelt werden“, heißt es in dem Schreiben.
Laut Sozialbehörde waren die beiden Standorte der Pension „durchschnittlich lediglich zu zwei Dritteln ausgelastet“. Es habe sich gezeigt, „dass die konzeptionell vorgesehene Zielgruppe der arbeitsmarktnahen Personen nicht oder nur in sehr kleinem Umfang als Projektteilnehmende identifiziert werden konnte“, erklärt dazu die Sozialsenatorin. Zudem „suchten sich die meisten der Bewohnerinnen und Bewohner auch nach intensiver Beratung ggf. selbstständig eine Beschäftigung“ – meist im „Bereich der prekären Beschäftigung“. Probleme von Teilnehmenden – etwa Sucht oder andere Erkrankungen – hätten sich zudem „bei einem erheblichen Teil“ erst nach der Aufnahme in die Pension herausgestellt. Mit anderen Worten: Die Behörde hat ihr Projekt offenbar an der Realität der Betroffenen vorbeigeplant.
Fachleute hatten jahrelang erfolglos für eine Pension für Zugewanderte gekämpft, erst kurz vor der Bürgerschaftswahl 2020 machten sich SPD und Grüne die Forderung zu eigen. Im April vergangenen Jahres startete dann endlich das Modellprojekt. Ein Jahr später präsentierte die Sozialbehörde erste Zahlen in der Bürgerschaft. Sie zeigten auf, dass die Stadt oftmals gar nicht wusste, was aus den Teilnehmenden wird. Hinz&Kunzt hat im Oktober beispielhaft über einen Schichtarbeiter berichtet, der nach seinem Aufenthalt in der Pension für Zugewanderte auf der Straße landete – weil es keinen Wohnraum für ihn gab.
Zuletzt lebten nur noch drei Menschen in der Pension, erklärte die Sozialbehörde auf Hinz&Kunzt-Nachfrage. Zwei seien nach der Schließung zu ihren Kindern in eine andere deutsche Stadt gezogen, einer in eine Unterkunft des Winternotprogramms, so ein Sprecher. Die Servicestelle Arbeitnehmerfreizügigkeit, neben dem Hamburg Wellcome Center der Stadt zuständig für die Durchführung des Projekts, wollte sich zum vorzeitigen Projektende nicht äußern: Sie verwies an die Sozialbehörde.