Jubiläum beim Hamburger Spendenparlament: Zur 50. Sitzung gratulieren Hamburgs Sozialsenator Scheele (SPD) und Gründer Dr. Stephan Reimers. Die Parlamentarier bewilligen weitere 82.062 Euro für soziale Projekte. Kritik an Abbau der 1-Euro-Jobs.
Als „Ort gelebter, demokratischer Verantwortung“ hat Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) am Dienstagabend das Hamburger Spendenparlament gelobt. Scheele sprach anlässlich der 50. Sitzung des ehrenamtlichen Bürger-Projekts ein Grußwort. Die seit 16 Jahren bestehende Einrichtung sei „entscheidend für das soziale Klima in der Stadt“, sagte der Senator. Er hob dabei besonders das Engagement des Parlaments für Obdachlosenprojekte wie den Mitternachtsbus und Tagesaufenthaltsstätten hervor. Viele der Projekte „wären ohne das Spendenparlament nicht möglich“, so Scheele.
„Wertvolle Arbeit gegen die Entfremdung in der Stadt“
Auch Spendenparlament-Gründer Dr. Stephan Reimers dankte den Parlamentariern im gut besetzten Ernst-Cassirer-Hörsaal der Universität für ihr Engagement: „Sie leisten wertvolle Arbeit gegen die Entfremdung in der Stadt.“ Er sei „hochzufrieden“, was seit dem Start 1996 alles bewegt worden sei.
Reimers hatte 1993 als Diakoniechef und Landespastor schon Hinz&Kunzt nach dem Vorbild der britischen Straßenzeitung Big Issue ins Leben gerufen. Er erinnerte daran, dass sich auf eine Hinz&Kunzt-Umfrage rund 2500 Bürger mit Ideen gemeldet hätten. Aus diesen Ideen entstanden später heutige Institutionen wie die Hamburger Tafel, der Mitternachtsbus und das Spendenparlament.
Reimers sagte, man habe es anfangs noch für möglich gehalten, dass sich das Straßenmagazin und das Spendenparlament nach zwei Jahren überflüssig machen, weil sie so erfolgreich sind, er wisse aber heute: „Hinz&Kunzt und das Spendenparlament werden auf lange Zeit nicht überflüssig werden.“
Kritik übte Reimers in seiner Rede am Abbau der 1-Euro-Jobs, den er als „eklatante Fehlleistung der Politik“ bezeichnete. Die Maßnahmen hätten vielen Menschen die Chance gegeben, wieder einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Sozialsenator Scheele konnte das nicht mehr hören. Er musste direkt nach seiner Rede gehen.
7000 Euro für „Singen gegen die Einsamkeit“
Die Parlamentarier bewilligten bei der Sitzung 14 Projekte mit einer gesamten Fördersumme von 82.062 Euro. Zu den Projekten gehört etwa die „Familienfeuerwehr“ in Billstedt, die für Familien mit Kindern in akuten Notfällen künftig erste Hilfe leisten will. Etwa, wenn ein Elternteil erkrankt, Alleinerziehende in Krisensituationen geraten und Verwandte, Freude und Nachbarn nicht helfen können (11.000 Euro). Unterstützt wird auch das Haus Gabriel in Rahlstedt, dass Menschen mit Behinderung betreut (12.000 Euro) so wie diverse Nachbarschaftsprojekte in Problemstadtteilen.
Der Leiter der Alevitischen Gemeinde Rothenburgsort gab in seiner Projektvorstellung zu, bis vor ein paar Wochen noch nicht gewusst zu haben, „dass es so eine tolle Sache, wie das Spendenparlament in Hamburg gibt“. Er habe dann „ganz schnell den Antrag ausgefüllt“. Am Ende der Sitzung konnte er sich über die Bewilligung von rund 7000 Euro für das Chorprojekt „Singen gegen die Einsamkeit“ freuen.
Ohne Abstimmung waren zuvor neben zwei anderen Projekten auch 500 Euro für die Krisenkasse für Obdachlose im Rumond-Walther-Haus in Ottensen bewilligt worden. In dem leer stehenden Pflegeheim der evangelischen Kirchengemeinde wohnen 50 obdachlose Menschen im Winternotprogramm. Die Finanzkommission des Spendenparlaments hat für solche dringende Fälle einen so genannten Feuerwehrtopf.
Mit fünf Euro im Monat wird man Parlamentarier
Bereits seit dem Start dem Spendenparlaments ist Hinz&Künztler Uwe Dierks dabei. „Ich verkaufe Hinz&Kunzt vor jeder Sitzung“ sagt er. Auch am Dienstagabend bot er wieder die aktuelle Ausgabe und das Literatur-Sonderheft an – dieses Mal neben einem Plakataufsteller, auf dem sich Hinz&Künztler beim Spendenparlament bedanken.
Seit seiner Gründung hat das Spendenparlament über 900 Projekte gefördert mit einer Gesamtsumme von über 7,3 Millionen Euro. Dazu zählen das Zahnmobil, die Tagesaufenthaltsstätte Herz As, die Kirchenkaten und das Containerprojekt für wohnungslose Frauen und Hinz&Kunzt.
Rund 3400 Hamburger sind Mitglied. Für fünf Euro im Monat (60 Euro im Jahr) kann jeder Hamburger beitreten und über die Vergabe von Spendengelder mitbestimmen. Das Spendenparlament tritt im Juli zur nächsten Sitzung zusammen.
Text und Fotos: Simone Deckner