Wulffsche Siedlung :
Stadt verschenkt hunderte Sozialwohnungen

Nur 90 von 700 neuen Wohnungen in Langenhorn werden Sozialwohnungen: viel weniger als das bei Neubauten versprochene Drittel. Und viel weniger, als die Stadt hätte verlangen können. Sie ermöglicht den Investoren die Baupläne – gegen den Bürgerwillen.

Er gibt ganz schön an. „Wir schaffen das Doppelte“, schreibt der Sprecher der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Er meint den Anteil der Sozialwohnungen bei einem der größten und umstrittensten Bauprojekten der Stadt: bei der Wulffschen Siedlung in Langenhorn. Zwei Drittel soll der betragen – und damit das Doppelte des Anteils, den Bausenatorin Jutta Blankau bei jedem Neubauprojekt in Hamburg versprochen hat. Deren Drittelmix-Maxime besagt nämlich, dass 30 Prozent der neuen Wohnungen Sozialwohnungen werden. Ist der Senatorin da ein ganz großer sozialer Coup gelungen? Mitnichten!

In der Wulffschen Siedlung wird die Art Wohnraum vernichtet, die Hamburg so dringend braucht: 546 kleine, günstige Wohnungen verschwinden in den kommenden zehn bis 15 Jahren – und werden durch 700 größere, teurere ersetzt, von denen nur 90 Sozialwohnungen werden.
In der Wulffschen Siedlung wird die Art Wohnraum vernichtet, die Hamburg so dringend braucht: 546 kleine, günstige Wohnungen verschwinden in den kommenden zehn bis 15 Jahren – und werden durch 700 größere, teurere ersetzt, von denen nur 90 Sozialwohnungen werden.


Aber der Reihe nach.
Das ist die Wulffsche Siedlung bisher: 546 Wohnungen in 34 Häuserblöcken, Durchschnittsgröße: 49 Quadratmeter, Durchschnittswarmmiete: 10 Euro pro Quadratmeter. Viele Wohnungen für verhältnismäßig wenig Miete – noch. Denn die Gartenstadt, die in den 1950er und 1960er-Jahren entstand, ist ganz schön in die Jahre gekommen. Deswegen wollen die Eigentümer die Siedlung neu gestalten, genauer gesagt: die Häuser abreißen und neu bauen. In den kommenden zehn bis 15 Jahren sollen insgesamt 700 neue Wohnungen entstehen. Die werden nicht nur größer sein als die bisherigen und allein dadurch mehr kosten. Auch der Quadratmeterpreis wird höher sein. Wie hoch, kann bisher niemand sagen. Fest steht aber: Es fallen kleine, günstige Wohnungen zugunsten größerer, teurerer weg.

Nur 90 von 700 neuen Wohnungen werden Sozialwohnungen.

Dafür müsste es in der Wulffschen Siedung, wenn alles fertig ist, aber zumindest rund 230 mietpreisgebundene öffentlich geförderte Wohnungen geben, nämlich ein Drittel von 700. Es werden aber viel weniger sein, nämlich nur 90 Stück.

Darauf haben Stadt und Eigentümer sich geeinigt, es in einem städtebaulichen Vertrag festgeschrieben und dabei die Drittelmix-Regelung übergangen. Der Trick ist folgender: Sie sagen, ein großer Teil der 700 neuen Wohnungen sei gar nicht neu. Weil es schon rund 550 Wohnungen gäbe, würden nur 150 neue entstehen. Davon sollen 90 Sozialwohnungen werden. Das sind zwei Drittel.

Für den Eigentümer gelten die meisten Wohnungen nicht als neu – weil dort vorher schonmal welche waren.

Das klingt ziemlich willkürlich. Warum das trotzdem geht? Eine verbindliche Definition, was „ein Neubau im Sinne des Drittelmixes ist“, gibt es laut Jörg Drefers, Sprecher der Hansa Grundstücksverwaltung, die für die Wulffsche Siedlung zuständig ist, nicht. Für ihn geht die Definition so: 550 der 700 neuen Wohnungen ersetzen Wohnungen, „die es jetzt schon gibt und die keinerlei Bindungen unterliegen“. Man könne sie „Ersatzneubauten“ nennen. Und für die gelte der Drittelmix nicht: „Die Drittellösung gilt beispielsweise, wenn auf einem freien Grundstück etwas Neues entsteht“, so Drefers.

Die zuständige Stadtentwicklungsbehörde gibt sich machtlos. „Hier können wir den gewohnten Sozialwohnungsschlüssel nicht einhalten“, sagt Behördensprecher Volker Dumann. Er übernimmt die Argumentation der Grundstücksverwaltung und gibt als Grund an: „Diese Wohnungen sind ,alt‘, schon lange gebaut und wir können und dürfen nicht nachträglich in Bestandsverhältnisse eingreifen“.

Dabei hätte die Stadt durchaus die Möglichkeit gehabt, die Eigentümer zum Bau von mehr Sozialwohnungen zu verpflichten, sagt Sylvia Sonnemann von Mieter helfen Mietern: „Was im städtebaulichen Vertrag zwischen der Stadt und den Eigentümern der Wulffschen Siedlung steht, war Verhandlungssache.“ Und in diesen Verhandlungen hatte die Stadt eine mächtige Position. Denn der Senat hat es überhaupt erst möglich gemacht, dass die Eigentümer ihre Pläne für die Siedlung weiter verfolgen.

Zuvor hatte eine Bürgerinitiative diese gestoppt: Die Initiative erreichte einen Bürgerentschied gegen den Bebauungsplan „Langenhorn 73“. In der Stichfrage votierten die Bewohner des Bezirks Nord dann auch gegen den Bebauungsplan. Der war damit hinfällig – eigentlich. Denn die Stadt hat die Entscheidungshoheit in dem Fall an sich gerissen und in einem sogenannten Evokationsverfahren entschieden: Langenhorn 73 darf doch kommen.

Die Stadt hat schlecht verhandelt – und lässt so zu, dass günstiger Wohnraum vernichtet wird.

Angesichts dessen ärgert es Sylvia Sonnemann besonders, dass die Stadt sich mit einer so geringen Zahl Sozialwohnungen begnügte: „Das ist ein beschämendes Ergebnis“, sagt Sonnemann. „Ein Drittel der 700 neuen Wohnungen als Sozialwohnungen zu bauen, das hätte das Minimalergebnis sein müssen.“

546 kleine, günstige Wohnungen werden schließlich durch die Neugestaltung der Siedlung „vernichtet“, so Sonnemann. „In Hamburg brauchen wir aber nichts dringender als solche Wohnungen. Hier hat die Stadt eine Riesenchance vertan.“

Text: Beatrice Blank, Mitarbeit: Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante