Verkäufer äußern sich zu drei aktuellen Themen
(aus Hinz&Kunzt 138/August 2004, Die Verkäuferausgabe)
„Mietnomaden“ und arme Schlucker
Die Informationen sind eindeutig: Immer mehr Privatleute können ihre Schulden nicht bezahlen. Allein im April dieses Jahres mussten 3500 Menschen ihre Zahlungsunfähigkeit anmelden – das sind fast 30 Prozent mehr als im vorigen Jahr. Gleichzeitig nehmen die Räumungsklagen vor Hamburger Amtsgerichten zu. Und die Wohnungsgenossenschaften klagen über ausstehende Mieten.
Eine neue Bezeichnung kursiert: „Mietnomaden“. Zahlungsunwillige Mieter mit Wiederholungspotenzial sind damit gemeint, die wissen, dass sie sich die geplanten Ausgaben nicht leisten können.
Sicher gibt es solche Betrüger. Aber das ist die Minderheit. Die Gefahr liegt in dem gezielt gepflegten Meinungsklima unserer Zeit. Denn wer nichts hat, ist auch nicht angesehen. So versuchen die Menschen, Gewinn vorzutäuschen, bei der großen Maskerade mitzuspielen.
Doch selbst, wer sich nicht maskiert: In Erwartung realer Kürzungen (Hartz IV) ist nicht nur die Angst der Armen, sondern auch die der unteren Mittelschicht berechtigt, bald nicht mehr zurechtzukommen. Wessen privates Warnsystem nicht funktioniert, der ist ungeschützt und wird dafür zahlen. Die Wege in Richtung Abgrund werden zunehmend besser planiert.
Autor: Laura
Beratungsstellen vor dem Aus?
Ein Gespräch mit Dieter Ackermann, Leiter Soziale Dienste beim Hamburger Caritasverband
Laura: Die Beratungsstelle Billstedt in der Möllner Landstraße und die Außenstelle Bergedorf am Achterdwars, die sich um Wohnungslose kümmern, sollen vor der Schließung stehen. Was ist an den Gerüchten dran?
Dieter Ackermann: Wahr ist, dass die Caritas ihren Mitarbeitern vorsorglich gekündigt hat. So können wir uns notfalls aus dem Beratungsangebot zurückziehen.
Laura: Warum erwägen Sie das?
Ackermann: Weil wir die Kosten trotz Zuschüssen von der Stadt auf Dauer nicht mehr tragen können. Allein die Geldverwaltung für Menschen, die kein eigenes Konto haben, kostet rund 8000 Euro im Jahr. Das sind Belastungen, die wir nicht refinanzieren können.
Laura: Haben Sie die Hoffnung, die Löcher zu stopfen und die Arbeit fortsetzen zu können?
Ackermann: Noch ja. Wir wollen die Betriebsführung kostengünstiger gestalten, außerdem verhandeln wir mit der Behörde. Noch bin ich zuversichtlich, dass die Arbeit in Billstedt weitergeführt werden kann.
Die Beratungsstellen Billstedt und Bergedorf werden von der Sozialbehörde (BSF) finanziert, allerdings, so Dieter Ackermann, reichen die Pauschalen nicht aus. Derzeit zahlt die BSF allein für Billstedt rund 317.000 Euro jährlich, die Beratungsstelle benötigt aber etwa 15.000 Euro mehr. Jährlich erhalten dort im Schnitt 317 Menschen Hilfe, zusätzlich besuchen etliche die offene Sprechstunde. Träger sind der Caritasverband und der Verein Integrationshilfen.
Hartz-Zeiten, harte Zeiten
Hinz & Kunzt-Verkäufer Torsten Pingel erhält Arbeitslosenhilfe. Doch ab 2005 wird Arbeitslosengeld II gezahlt – und das ist weniger Geld. „Soll ich nun halbiert leben?“, fragt Torsten.
„Bei meinem Kumpel Axel wird auch gekürzt. Werde ich hartziert? 20 Quadratmeter Wohnung statt 40? Meine Einrichtung – nur noch die Hälfte? Was denkt dieser Hartz sich! Ich säge meine Stühle durch! Ich hole die Hilti und hartze meinen Tisch, das heißt, ich hälfte ihn. Kommt das in den Nachrichten? Nein. Ich höre immer nur von Hartz, nie von mir.“