Die Sozialbehörde hat ihre Pläne für das Winternotprogramm vorgestellt, das am 1. November startet. Deutliche Veränderungen zum letzten Jahr gibt es nicht. Deshalb ist auch die Kritik weiterhin groß.
Insgesamt 780 Plätze sind für das diesjährige Winternotprogramm geplant. Das sind in etwa so viele wie im letzten Jahr. 650 davon stellt der städtische Betreiber fördern&wohnen (f&w) zur Verfügung – aufgeteilt auf zwei Großunterkünfte in der Friesenstraße und Kollaustraße mit jeweils hunderten Schlafplätzen. Neben einer Kleiderkammer und abschließbaren Schränken bietet die Stadt dort auch wieder eine Sozialberatung an.
Weitere 130 Plätze werden staatlich finanziert, aber ehrenamtlich betreut. Konkret heißt das, dass Wohncontainer auf dem Gelände von Kirchengemeinden oder anderen Einrichtungen aufgestellt werden. Die haben teilweise Einzelzimmer, müssen tagsüber nicht verlassen werden und sind deshalb besonders begehrt.
Die 650 Plätze in den Großunterkünften bleiben auch in diesem Jahr tagsüber geschlossen . Zwischen 9.30 und 17 Uhr müssen die Obdachlosen ihre Unterkunft verlassen. In dieser Zeit können sie Tagesaufenthaltsstätten aufsuchen. Die sind allerdings teilweise weit von den beiden Großunterkünften entfernt – und die Plätze sind begrenzt.
Ein Teil der obdachlosen EU-Bürger, die eine Meldeadresse im Ausland besitzen, hatten in der Vergangenheit grundsätzlich keinen Anspruch auf das Winternotprogramm – auch wenn sie in Hamburg monatelang obdachlos waren. Oft sind das Rumänen oder Bulgaren. Für sie bleibt nur die nächtliche Wärmestube in der Hinrichsenstraße mit ihren 100 Plätzen. Weil die aber nicht als Schlafstätte gedacht ist, gibt es dort keine Betten. Wenn überhaupt, schlafen die Menschen dort auf dem Boden.
Kritik am Winternotprogramm
Obwohl im letzten Jahr 1910 Obdachlose in Hamburg gezählt wurden, war das Winternotprogramm im vergangenen Jahr bei weitem nicht ausgelastet. Hinz&Kunzt-Verkäufer Kai ist einer von vielen Obdachlosen, die das städtische Winternotprogramm auch in diesem Jahr meiden werden: „Da sind zu viele Menschen auf einem Raum. Das ist zu viel Stress. Und die Hygiene ist auch ein Thema.“ Außerdem hat Kai einen Hund. Dadurch fallen die beiden Großunterkünfte ohnehin weg. Für Obdachlose mit Hund bleiben lediglich einige der 130 ehrenamtlich betreuten Schlafplätze. „Aber da hast du kaum eine Chance auf einen Platz“, meint Kai. Ändern könnte sich die Situation durch einen Ausbau des schon heute bestehenden Angebots an Wohncontainern, den Hinz&Kunzt fordert.
Auch wegen der Unzulänglichkeiten des Winternotprogramms haben im letzten Jahr viele Obdachlose die kalten Wintermonate auf der Straße verbracht – mit dramatischen Folgen. Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer: „Im letzten Winter sind sechs Menschen auf Hamburg Straßen gestorben! Die Menschen sind erschöpft. Gebt ihnen wenigstens im Winter die Chance, sich vom Leben auf der Straße zu erholen!“
Karrenbauer fordert, wie auch schon in den Jahren zuvor, eine dauerhafte Öffnung des Programms, die Aufnahme aller Obdachlosen, unabhängig von ihrer Nationalität, einen früheren Beginn des Programms sowie eine dezentrale Unterbringung in kleineren Einrichtungen.
Anmerkung der Redaktion:
In einer früheren Version des Artikels hieß es: „Im letzten Jahr sind sechs Menschen auf Hamburgs Straßen erfroren.“ Tatsächlich war laut Obduktionsergebnissen bei vier der Menschen, die vergangenen Winter auf Hamburgs Straßen gestorben sind, Kälte im Zusammenspiel mit Vorerkrankungen oder Alkohol für den Tod verantwortlich. Eine Obdachlose starb an den Folgen einer unentdeckten Vorerkrankung, in einem Fall wurde der Leichnam nicht obduziert. Wir bitten die Ungenauigkeit zu entschuldigen.