Nachbarschaftshilfe : Solidarität und Herzlichkeit

Ein Pastor leistet humanitäre Nothilfe: 80 afrikanische Flüchtlinge ziehen im Juni in die St. Pauli Kirche ein. Dort erhalten sie beeindruckende Unterstützung aus der Nachbarschaft. Der Senat will sie aber weiterhin nach Italien abschieben.

(aus Hinz&Kunzt 245/Juli 2013)

1_HK245_INBeim Basketballspiel im Park Fiction wird jeder Treffer bejubelt, egal ob von Jung oder Alt, Schwarz oder Weiß, Mann oder Frau. An einem Grill in der Nähe werden Würstchen angeboten. Anwohner haben am 14. Juni ein Fest im Park organisiert, um die Flüchtlinge kennenzulernen. Das Motto: „Lass uns was gemeinsam essen!“

Seit Anfang Juni übernachten 80 der bis zu 300 afrikanischen Flüchtlinge, die über Libyen und Italien nach Hamburg kamen, in der St. Pauli Kirche. Pastor Sieghard Wilm hat sie dort spontan aufgenommen, nachdem die Gespräche zwischen Sozialbehörde, Diakonie und Kirche über eine städtisches Quartier für die Afrikaner zunächst gescheitert waren. Die Sozialbehörde hatte eine Unterkunft nur unter der Bedingung angeboten, dass die Flüchtlinge Hamburg wieder verlassen. Wilm wollte sie nicht weiter auf der Straße schlafen lassen: „Diese Menschen sind gar nicht in der Lage, sich richtig zu sortieren, weil sie mit Überleben beschäftigt sind“, sagte er nach der ersten Nacht. Bis die Flüchtlinge eine Lösung gefunden haben, will er ihnen Unterschlupf gewähren.

1_HK245_INSeine Hoffnung auf Hilfe aus der Nachbarschaft wird nicht enttäuscht: Die Flüchtlinge erleben im Juni eine Welle der Solidarität. St. Paulianer spenden Essen und Kleidung, helfen ehrenamtlich. Der FC St. Pauli spendet palettenweise Fanbekleidung und Trinkwasser und einige Nachbarn organisieren eine Wäschekette: Säckeweise holen sie die Schmutzwäsche der Flüchtlinge in der Kirche ab und reinigen sie in der eigenen Waschmaschine. „Das funktioniert alles wie am Schnürchen“, freut sich Wilm. Affo Tchassei, Sprecher der Flüchtlinge, ergänzt: „Wir danken allen, die uns unglaublich viel Solidarität und Herzlichkeit entgegengebracht haben!“

„St. Pauli ist der ideale Stadtteil, in dem man so was durchführen kann“, sagt Pastor Wilm. „Nicht überall würde alles so glattgehen.“ Es gibt andere Kirchengemeinden und Moscheen, die auch Flüchtlinge aufgenommen haben, aber die würden die Öffentlichkeit aus Angst vor Rassismus scheuen, sagt Wilm. Auch er habe schon Drohanrufe erhalten.

1_HK245_INDie Zukunft der Flüchtlinge ist weiter unklar. Der Senat will sie nach Italien zurückschicken und hat ein Abschiebe-moratorium abgelehnt. Auch ein Bleiberecht aus humanitären Gründen will er nicht erteilen: Das dafür notwendige Einverständnis des Bundesinnenministeriums würde es ohnehin nicht geben, sagt Innenbehördensprecher Frank Reschreiter. Tatsächlich sieht das Ministerium laut eines Sprechers hierfür keinen Grund. „Hamburg hat gar keine Handlungsoption“, meint Reschreiter. Die Flüchtlinge aber wollen bleiben. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, sagt Pastor Wilm.

Text: Benjamin Laufer, Jonas Füllner
Fotos: Mauricio Bustamante

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