Weil er neidisch auf den Schlafplatz war, soll ein Obdachloser an den Landungsbrücken die Platte von Krzysztof und Slawomir angezündet haben. Das Landgericht verurteilte ihn zu sechs Jahren Haft wegen versuchten Mordes.
Nach 14 Verhandlungstagen sprechen die Richter am Hamburger Landgericht ihr Urteil gegen den Obdachlosen Dorian: Sechs Jahre Haft wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung. Zwar gebe es keine direkten Beweise dafür, dass er den Schlafplatz seiner Bekannten, den Obdachlosen Krzysztof und Slawomir, im Januar angezündet und sie so gefährlich verletzt hat. Das räumt der vorsitzende Richter Stephan Sommer ein. Am Schuldspruch ändert das aber nichts.
Eine Reihe von Indizien überzeugte die Richter von Dorians Schuld. „Unter dem Strich ist klar geworden, dass es nur der Angeklagte gewesen sein kann“, sagt Sommer in seiner Urteilsbegründung im Strafjustizgebäude. Er war in der Tatnacht von gleich mehreren Videokameras in Tatortnähe aufgezeichnet worden – und zwar „zeitlich minutiös exakt in dem Moment“, so Sommer, in dem der Täter dort entlanggegangen sein musste. Dass ein Spürhund der Polizei später Dorians Spur direkt am Tatort vorbei verfolgt hatte, beziehen die Richter wegen Zweifeln an der Aussagekraft gar nicht mehr in ihre Begründung mit ein.
Motiv: Neid auf den Schlafplatz
Auch ein „plausibles Motiv“ für die Brandstiftung sehen die Richter: Dorian sei neidisch gewesen, weil Krzysztof und Slawomir auf der Platte geschlafen haben, auf der er früher selbst genächtigt hatte. Weil die Ecke in einem Parkhaus an den Landungsbrücken überdacht und geschützt ist, spricht Richter Sommer von einem „Premium-Schlafplatz“, den Dorian sicherlich zurückhaben wollte.
Zudem hätten die beiden Polen dem Rumänen nicht erlaubt, sich ihnen anzuschließen, was ihn verärgert habe. „In der Gesamtschau kann das nicht mehr in die Kategorie Zufall eingeordnet werden“, sagt Sommer.
Verteidigung fordert Freispruch
„Für mich ist sicher, dass das nicht das Werk meines Mandanten war.“– Alexandra Elek
Dorian selbst sagt zum Ende der Verhandlung, er habe „nichts falsch gemacht“– also das Feuer nicht gelegt. Seine Rechtsanwältin Alexandra Elek hatte zuvor in ihrem Schlussplädoyer einen Freispruch gefordert: „Für mich ist sicher, dass das nicht das Werk meines Mandanten war“, sagte sie. „Nicht eine einzige Bemerkung“ von ihm aus den vergangenen Monaten lasse sie daran zweifeln. Ohnehin gebe es keinen Beweis für seine Täterschaft. Elek sprach zudem von „erheblichen Fehlern in der Ermittlungsarbeit“ der Polizei: Ihren Mandanten entlastenden Spuren sei nicht nachgegangen worden.
Ihr wichtigster Zeuge hatte den Täter weglaufen sehen – und vor Gericht ausgesagt, dass es nicht Dorian war. Er beschrieb ihn dunkel gekleidet, während der Angeklagte eine helle Jacke trug. Der Zeuge sah keinen Rucksack, Dorian trug aber einen. „Der Zeuge hat eine andere Person gesehen“, schlussfolgerte Elek.
Der Fall geht zum Bundesgerichtshof
„Na klar gibt einem das zu denken, wenn der Zeuge sagt: Nein, der ist es nicht gewesen“, entgegnet der Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Allerdings sei allgemein bekannt, dass die Erinnerung von Zeugen „extrem verfälscht“ sein könne: „Das ist einfach ein Klassiker.“
„Ich muss Sie belehren“, sagt Sommer abschließend zum gerade verurteilten Dorian. Innerhalb einer Woche könne er Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen. Seine Verteidigerinnen haben bereits im Gespräch mit Hinz&Kunzt erklärt, das tun zu wollen. Dann muss der Bundesgerichtshof prüfen, ob die Richter in ihrer Entscheidung Fehler gemacht haben.