Wer zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, diese aber nicht bezahlen kann, landet meist doch noch hinter Gittern. Für den Verurteilten unverhältnismäßig und für den Staat teuer. 150 Euro kostet ein Hafttag. Das kann man nur abwenden, wenn man gemeinnützige Arbeit leistet. Die Voraussetzungen dafür werden mit einer neuen Tilgungsverordnung verbessert.
(aus Hinz&Kunzt 238/Dezember 2012)
Wer arm ist, ist häufig auch noch arm dran. Wenn er zum Beispiel straffällig und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Obwohl der Gesetzgeber ihn ausdrücklich zu einer Geld- und nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hat, muss er womöglich doch in den Knast. Betroffen sind fast ausnahmslos Arme und Hartz-IV-Empfänger. Sie können die vereinbarten Raten oft nicht bezahlen. Wer Geld hat, zahlt spätestens bei der letz-ten Zahlungsaufforderung.
Mit gemeinnütziger Arbeit kann eine Gefängnisstrafe zwar womöglich abgewendet werden. Aber auch das war bislang problematisch: 40 Prozent derjenigen, die ihre Schulden abarbeiten wollten, brachen die Maßnahme ab, „weil sie überfordert waren“, so die Erfahrung des Fachamts für Straffälligen- und Gerichtshilfe.
Das hat mehrere Gründe: Bislang mussten pro Tag sechs Stunden abgeleistet werden. Beispielsweise mit Laubharken, Schulhofreinigen oder im Altersheim-Aushelfen. Und das haben viele nicht durchgehalten. Denn gerade die, die kein Geld haben und ihre Strafe abarbeiten müssen, befinden sich laut Justizbehörde oft „in einer sehr schlechten wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Situation, die insbesondere durch Wohnungslosigkeit, Drogen- und Alkoholprobleme, langjährige Arbeitslosigkeit mit weitgehender Arbeitsentwöhnung gekennzeichnet ist.“ Zwar gab es auch schon in der bestehenden Verordnung eine Härtefallklausel. Wer darunter fiel, musste nur drei Stunden pro Tag arbeiten. Aber als Härtefälle galten nur Behin- derte und Verurteilte, die nachts ihre gemeinnützige Arbeit ableisten.
Die neue Tilgungsverordnung soll nun der Wirklichkeit Rechnung tragen: Im Normalfall müssen die Verurteilten künftig fünf statt sechs Stunden täglich arbeiten. Wichtiger aber ist: Die Härtefallregelung wird deutlich ausgeweitet. Neben den Schwerbehinderten und Nachtarbeitern gelten künftig auch chronisch Kranke, Drogen- und Alkoholabhängige und alleinerziehende Mütter mit mindestens einem Kind unter zwölf Jahren als Härtefälle sowie alle, die einen Job haben oder an einer Umschulung teilnehmen, die mindestens einen Umfang von 30 Wochenstunden umfassen. Eine Win-win-Situation. Denn auch für den Staat lohnt sich die neue Verordnung. Der muss bei Ersatzfreiheitsstrafen zuzahlen. Schließlich kostet ein Hafttag 150 Euro.
Text: Birgit Müller