Bürgerschaftswahl

Programme von SPD, Linke, FDP und Volt im sozialpolitischen Check

Blick in den Sitzungssaal der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus. Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius
Blick in den Sitzungssaal der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus. Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius
Blick in den Sitzungssaal der Hamburgischen Bürgerschaft im Rathaus. Foto: picture alliance/dpa/Christian Charisius

Die Bürgermeisterkandidat:innen Katharina Fegebank (Grüne) und Dennis Thering (CDU) haben wir nach ihren sozialpolitischen Ideen gefragt. Amtsinhaber Peter Tschentscher wollte sich für ein Interview mit uns keine Zeit nehmen. Was seine SPD und andere Parteien in Hamburg umsetzen wollen.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

SPD: Wohnungsbau wieder ankurbeln

Für die Hamburger SPD ist er das Rezept gegen steigende Mieten und Wohnungsnot: der Neubau. Das Senatsziel von 10.000 Wohnungsbaugenehmigungen pro Jahr will die SPD deshalb wieder erreichen. Zuletzt lag die Zahl mit 6710 weit unter dem avisierten Wert. Um den Wohnungsbau wieder anzukurbeln, setzt die SPD weiterhin darauf, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, neue Flächen zu entwickeln und Baustandards zu senken. Bei größeren Vorhaben soll der Anteil geförderter Wohnungen auf bis zu 50 Prozent erhöht werden.

Die SPD will zudem die Mietpreisbremse verlängern und sich im Bund dafür einsetzen, Schlupflöcher im Gesetz zu schließen. So sind möblierte Wohnungen bislang von der Mietpreisbremse ausgenommen. Außerdem soll die Kappungsgrenze gesenkt und damit allzu heftige Mietanstiege vermieden werden.

Mehr Wohnungen sollen außerdem für Menschen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Wohnungsmarkt, sogenannte vordringlich Wohnungssuchende entstehen. Konkrete Zielzahlen fehlen im Programm allerdings. Zuletzt waren mehr als 15.000 Hamburger Haushalte „vordringlich wohnungssuchend“ – Tendenz steigend.

Auch beim Thema Obdachlosigkeit lässt das Programm messbare Ziele vermissen. Das Entstehen von Obdachlosigkeit will die SPD häufiger verhindern, die überlasteten Fachstellen für Wohnungsnotfälle ausbauen, die Schuldnerberatungen stärken. Housing First soll ebenfalls ausgebaut und verstetigt werden. Was das konkret heißt? Unklar. Bislang wurden in Hamburg über Housing First 30 Menschen in Wohnraum vermittelt. Demgegenüber stehen mindestens 3878 Obdachlose. Wie die SPD die Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden will – ein Ziel, dem sich Bund und Länder ausdrücklich verpflichtet haben –, dazu findet sich kein Wort im Wahlprogramm.

Die Linke: Saga-Mieten senken, Wohnungskonzerne verstaatlichen

Die Linke bekennt sich in ihrem Wahlprogramm ausdrücklich zu „Null bis 2030“ und fordert vom Senat eine Selbstverpflichtung zu diesem Ziel. Sie will einen bedingungslosen Zugang zu Wohnraum und den Ausbau von Housing First – ebenfalls ohne konkrete Zahlen zu nennen. Statt Großunterkünfte fordert die Linke kleine, dezentrale Einrichtungen mit Einzelzimmern für Wohnungslose. Das Winternotprogramm soll ganztägig geöffnet werden. Zwangsräumungen in die Obdachlosigkeit lehnt die Partei ab.

Die Linke will die Saga in ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen umbauen, das seine Einnahmen ausschließlich für Instandhaltungen und Neubau nutzt. Außerdem soll das Wohnungsunternehmen verpflichtet werden, Mieten zu senken – das würde sich positiv auf den Mietenspiegel auswirken. Ein Mietendeckel soll ebenso eingeführt werden wie kostenlose Mieter:innenberatungen in allen Bezirken. Sozialbindungen sollen bei allen Saga-Wohnungen dauerhaft wirksam bleiben, bislang enden diese bei Saga-Neubauten in der Regel nach 30 Jahren. Zudem will die Partei profitorientierte Wohnungskonzerne verstaatlichen, Wohnungstausch fördern und die Zweckentfremdung von Wohnraum in Ferienwohnungen oder Büros verbieten. Auf Bundesebene soll sich Hamburg gegen Sanktionen beim Bürgergeld stark machen, Energiesperren sollen abgeschafft werden.

FDP: Aufmerksamkeit auf das Thema Obdachlosigkeit lenken

Auch die FDP will Housing First weiter fördern. Das Pfandsammeln wollen die Liberalen durch Aufkleber und Sammelvorrichtungen an Mülleimern erleichtern, außerdem wollen sie durch Workshops und Gesprächsrunden mehr Aufmerksamkeit auf das Thema Obdachlosigkeit lenken. Gleichzeitig findet die FDP: „Aufenthaltsorte von Obdachlosen und Drogenabhängigen erfordern besondere Überwachungskonzepte und die zeitnahe Erreichbarkeit der Polizei.“ Den Wohnungsbau plant die FDP durch Bürokratieabbau zu fördern – und vertraut dabei auf Genossenschaften und private Investoren: Städtische Flächen will sie wieder verkaufen – unter Rot-Grün werden sie nur noch in Erbpacht vergeben. Auch die Nachverdichtung, die Aufstockung von Gebäuden und die Umwandlung von Büroflächen in Wohnraum soll forciert werden.

Volt: Obdachlose besser beteiligen

Volt will bestehende Hilfsangebote weiterführen, insbesondere Housing First. Zudem plant die junge Partei neue Hilfsangebote zu schaffen, um die medizinische Versorgung sicherzustellen. Als Übergangslösung will Volt Obdachlosen das Übernachten auf Campingplätzen oder in Kleingärten und zu bestimmten Zeiten das Duschen in Schwimmbädern erlauben. Um ihre Bedürfnisse besser zu berücksichtigen, sollen Obdachlose zudem an Planungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Den sozialen Wohnungsbau, Baugenossenschaften und gemeinschaftliche Wohnprojekte will Volt fördern und eine dauerhafte Preisbindung für Sozialwohnungen schaffen. Indexmieten sollen abgeschafft, der Wohnungstausch erleichtert werden.

*Das Hamburger BSW hatte zu Redaktionsschluss noch kein Wahlprogramm für die Bürgerschaftswahl verabschiedet. Die AfD halten wir in Teilen für undemokratisch und menschenverachtend – und nicht für eine Partei wie jede andere. Ihre Positionen tauchen hier deshalb nicht auf.

Artikel aus der Ausgabe:
Ausgabe 384

Hamburg geht wählen

Schwerpunkt Wahlen: Wie wollen die Parteien in Bürgerschaft und Bundestag Wohnungslosigkeit und Armut bekämpfen? Außerdem: Baulücken in Hamburg, Reisen für arme Menschen mit schweren Behinderungen und 100 Jahre alte Nachrichten.

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Autor:in
Lukas Gilbert
Lukas Gilbert
Seit 2019 bei Hinz&Kunzt. Zunächst als Volontär, seit September 2021 als Redakteur.

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