CDU-Bürgermeisterkandidat Dennis Thering erläutert im Interview seine Positionen zu den Themen Obdachlosigkeit und Wohnen, Bürgergeld und Bettelnde.
Hinz&Kunzt: Welche Priorität hat das Thema Obdachlosigkeit unter einem Bürgermeister Dennis Thering?
Dennis Thering: Mit 1706 Wohnungslosen auf 100.000 Einwohner hat Hamburg die höchste Quote aller Städte in Deutschland. Das kann uns nicht zufriedenstellen. Ich war in den letzten Jahren viel unterwegs, bei der Alimaus, beim Cafée mit Herz, bin mit dem Kältebus mitgefahren und habe das Gespräch mit Obdachlosen gesucht, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wo wir unterstützen können. Das war sehr lehrreich. Insofern wird das Thema Reduzierung der Obdachlosigkeit unter einem Bürgermeister Dennis Thering hohe Priorität haben.
Bund und Länder wollen die Obdach- und Wohnungslosigkeit in Deutschland innerhalb der nächsten fünf Jahre abschaffen. Im Wahlprogramm der Hamburger CDU ist von „Null bis 2030“ allerdings keine Rede. Warum nicht?
Das liegt nicht daran, dass wir nicht am Ziel festhalten. Wir werden alles daransetzen, die Obdachlosigkeit in Hamburg bis 2030 auf null zu bringen. Ich war im vorletzten Jahr in Zürich. Die haben durch sehr gute, auch medizinische Betreuung und durch Housing First große Erfolge erzielt. Das kann ein Vorbild sein.
Wie stehen Sie zu Housing First?
Ich glaube an das Konzept. Es ist elementar wichtig, dass Menschen in die eigenen vier Wände kommen. So bekommen sie eine Perspektive und ihr Leben bekommt wieder mehr Struktur. Neben einer Wohnung müssen wir prüfen, wie wir mehr Menschen wieder in Arbeit, vielleicht auch in ehrenamtliche Arbeit bekommen – sodass sie eine Aufgabe und eine Perspektive haben.
Die Bekämpfung von Armut wird im Programm aber nur kurz abgehandelt. Liegt das daran, dass Ihre Partei mit diesem Thema keine Wahlen gewinnt?
Die Bekämpfung von Armut sollte sich jede Partei auf die Fahnen schreiben. In Hamburg leben viele Menschen in Armut, auch viele Kinder. Das kann uns nicht zufriedenstellen. Wir sind der Meinung: Wenn wir die Wirtschaft wieder zum Laufen bekommen, wenn es uns gelingt, dass die Löhne steigen und wir besonders Betroffene wieder mehr in Arbeit bekommen, dann wird das Thema Armut eine untergeordnete Rolle spielen.
„Bauen muss günstiger werden.“
Auch in Zeiten florierender Wirtschaft haben viele Menschen in Armut gelebt.
Die Wirtschaft anzukurbeln ist die Grundvoraussetzung. Das Ziel muss sein, dass jeder von seiner Arbeit leben kann. Mit einer florierenden Wirtschaft haben wir außerdem mehr Spielraum als Staat und als Stadt und können mehr Unterstützung bieten.
Ihr Bundesparteivorsitzender Friedrich Merz will die Mietzuschüsse beim Bürgergeld noch stärker begrenzen als bisher, damit der Staat keine hohen Mieten in Ballungsräumen finanziert. Ist es auch aus Ihrer Sicht der richtige Weg, Bürgergeldempfänger:innen aus den Innenstädten auszusperren?
Die Leute, die zu Recht – nennen wir es erst mal weiter so – Bürgergeld bekommen, weil sie nicht arbeitsfähig sind, denen kann man nicht den Mietzuschuss kürzen und sie aus Hamburg rausdrängen. Das werden wir als CDU Hamburg nicht mitmachen. Alle anderen müssen wir motivieren, arbeiten zu gehen – und wenn das über eine Reduzierung des Mietzuschusses funktioniert, dann kann das eine Möglichkeit sein. Klar ist, dass das Bürgergeld nicht funktioniert. Deshalb wollen wir es in seiner jetzigen Form abschaffen, weil es zu wenig Anreize schafft, arbeiten zu gehen. Wenn jemand, der Bürgergeld bezieht, am Ende nur minimal weniger hat als jemand, der 40 Stunden arbeiten geht, dann geht das nicht auf.
Sie verbreiten das Bild, dass die Leute, die Bürgergeld beziehen, keine Lust hätten zu arbeiten.
Sicherlich nicht alle. Aber es ist bekannt, dass es Menschen gibt, die arbeitsfähig, aber nicht arbeitswillig sind. Diese Leute müssen wir identifizieren und dafür sorgen, dass sie arbeiten gehen – gerade in Zeiten von Fachkräftemangel.
Sie stellen „ausreichend Wohnraum für Menschen in sozialen Notlagen“ in Aussicht. Wo soll der herkommen?
In Hamburg werden faktisch keine Wohnungen mehr gebaut. Das hat viele Gründe, die Politik nicht beeinflussen kann: hohe Rohstoffpreise und Zinsen etwa. Genossenschaften und private Investoren sagen: Hamburg hat die schwierige Situation noch mal auf die Spitze getrieben, indem keine städtischen Grundstücke mehr verkauft werden. Wir müssen schauen, dass wir Bauvorschriften abbauen und die Grunderwerbssteuer reduzieren. Der Wohnungsbau muss günstiger werden und die Behörden schneller. So ist es möglich, den Wohnungsmarkt anzukurbeln. Dann wird das Angebot größer, und dann wird sich der Preis auch wieder regulieren.
Der soziale Wohnungsbau in Hamburg ist allerdings unter den letzten CDU-Regierungen komplett zum Erliegen gekommen. Stehen wir heute nicht auch deshalb vor den Problemen, die wir haben?
Das glaube ich nicht. Die SPD regiert jetzt seit 14 Jahren unsere Stadt. In der Zeit hätte man noch deutlich mehr Sozialwohnungen bauen können.
Muss man aber nicht auch an die Spielregeln ran? Einfach auf Investoren zu vertrauen, deren Pleiten zuletzt Baulücken und Ruinen in Hamburg zurückgelassen haben, ist doch naiv.
Ein Hamburger Senat muss vertrauensvolle Investoren finden. René Benko, der in Österreich mehrere Strafprozesse hatte, hier so zentrale Immobilien zu geben, wie Hamburg das getan hat – da muss man sich nicht wundern. Ich glaube aber daran, dass es gute und seriöse Investoren gibt, die Wohnungen, auch Sozialwohnungen, im großen Stil bauen wollen. Man muss sie aber eben lassen und Grundstücke zur Verfügung stellen. In Erbpacht bauen wollen viele nicht. Der Senat hat da einen folgenschweren Fehler begangen.
Würden Sie am Drittelmix im Wohnungsbau festhalten wollen?
Auf jeden Fall.
Zur Obdachlosigkeit: Vergangenes Jahr sind mindestens 26 Menschen auf den Straßen unserer Stadt gestorben. Wie wollen Sie das als Bürgermeister ändern?
Das sind unerträgliche Zahlen, und da haben wir es ein Stück weit auch mit Politikversagen zu tun. Viele Fälle hätten sicherlich verhindert werden können. Ich habe mit Obdachlosen gesprochen, die gesagt haben, dass sie nicht ins Winternotprogramm wollen. Deshalb müssen wir dieses Angebot attraktiver machen. Und wir müssen insgesamt dafür sorgen, dass wir die Menschen enger betreuen. Wir müssen sie in ihre eigenen vier Wände bekommen – Housing First ist ganz entscheidend –, und wir müssen die Institutionen der Obdachlosenhilfe bestmöglich unterstützen. Politik kann nicht alles regeln, sie kann aber dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen so sind, dass die Menschen nicht auf der Straße übernachten.
Wie stehen Sie zu einer Tagesöffnung des Winternotprogramms?
Wenn eine Tagesöffnung dazu führt, dass wir mehr Menschen überzeugen können, kann das der richtige Weg sein. Das würde ich gern zumindest mal ausprobieren.
In Ihrem Wahlprogramm kritisieren Sie, dass Rot-Grün nicht repressiv genug gegen diejenigen vorgeht, die „unsere Stadt verschandeln“ – gemeint sind Bettler:innen und Obdachlose. Warum ist im öffentlichen Raum aus Ihrer Sicht kein Platz für diese Menschen?
Uns geht es in Ihrem Beispiel in erster Linie um Menschen, die aggressiv betteln, um die Bettelmafia, wo Menschen mit kleinen sedierten Hunden irgendwo hingesetzt werden …
Die Erzählung von der Bettelmafia konnte die Hamburger Polizei noch nie bestätigen.
Das wundert mich. Da würde ich gerne mal mit der Polizei in die Diskussion gehen, ich würde behaupten, dass wir eine Bettelmafia in Hamburg haben. Wenn ein Obdachloser friedlich mit seinem Hut in der City sitzt, dann ist das in Ordnung. Aber aggressives Betteln, das wollen wir als CDU ausdrücklich nicht.
Aber es ist doch der Regelfall, dass die Menschen friedlich betteln. Oder werden Sie permanent von aggressiven Bettelnden bedrängt?
Nicht permanent, die meisten sind friedlich. Das Ziel muss es sein, dass die Menschen überhaupt nicht mehr betteln, weil sie im besten Fall in Arbeit sind, eine Wohnung haben.
Viele Hamburger Obdachlose kommen aus dem EU-Ausland, etwa aus Rumänien oder Bulgarien. Nicht wenige haben jahrelang hier gearbeitet, andere ziehen das Betteln in Deutschland dem Elend in ihrem Herkunftsland vor. Was kann Hamburg tun?
Wir müssen die Erwartung an EU-Länder haben, dass die Menschen auch dort ein menschenwürdiges Leben führen können und sich nicht gezwungen sehen, nach Deutschland zu kommen, um hier zu betteln. Da gibt es sicherlich Verbesserungspotenzial. Aber wir haben die Freizügigkeit, und die halten wir als CDU auch sehr hoch. Wenn ein EU-Bürger sich entscheidet, nach Hamburg zu kommen, dann ist das erst mal zu akzeptieren.

Viele arbeiten lange ohne Papiere in Deutschland und landen dann auf der Straße.
Bei Menschen, die hier gearbeitet haben, aber keine Steuern gezahlt haben und keinem sozialversicherungspflichtigen Job nachgegangen sind, muss man sich fragen, wie weit die Solidarität geht. Nichtsdestotrotz: Wenn die Menschen hier sind, muss ihnen geholfen werden. Das Ziel muss es aber sein, den Menschen eine Perspektive in ihren Ländern zu geben.
Muss man nicht viel stärker die Arbeitgeber in den Blick nehmen?
Jeder Arbeitgeber, der Menschen ohne Abgaben an die Sozialversicherung anstellt, muss bestraft werden. Das ist Steuerbetrug, und man schadet damit nicht nur dem Fiskus, sondern auch den Beschäftigten, die am Ende keine Rente und kein Arbeitslosengeld bekommen.
Schauen wir auf den Hauptbahnhof: Rot-Grün setzt einerseits auf Ordnungspolitik, andererseits auf Hilfsangebote. Was ist Ihr Konzept?
Es ist ziemlich durchschaubar, dass SPD und Grüne kurz vor der Bürgerschaftswahl aufwachen und ein bisschen Aktionismus an den Tag legen. Wir als CDU fordern seit vielen Jahren, dass es mehr Polizeipräsenz gibt, ähnlich wie das mit den Quattro-Streifen jetzt der Fall ist. Zusätzlich forderten wir stets mehr Videoüberwachung und eine Ausweitung der Waffenverbotszonen. Das hat der Senat jetzt teilweise hinbekommen, aber zu spät und zu halbherzig. Wenn Sie Richtung Steindamm, ZOB oder Hansaplatz gehen, hat sich an der unhaltbaren Situation nichts verbessert. Wir müssen die Maßnahmen deutlich über den Hauptbahnhof hinaus ausweiten. Wir brauchen den Zweiklang aus Law and Order und engmaschiger Betreuung. Das ist aufwendig und kostet Geld, ist aber nötig, um das Problem langfristig in den Griff zu bekommen.
Was bringen Law and Order, wenn die Menschen nicht wissen, wo sie hingehen sollen?
Wir müssen Dealer und deren Hintermänner verfolgen und da den Verfolgungsdruck erhöhen. Sodass diese sagen: Hamburg ist keine Stadt, in der ich meine illegalen Machenschaften betreiben kann. So kann es gelingen, die Menschen aus der Illegalität zu holen, ihnen über das „Drob Inn“ Ersatzstoffe auszugeben und ihnen so aus der Drogenspirale zu helfen. Deshalb setzen wir weiter auf Law and Order – weniger gegen die Abhängigen, mehr gegen die Dealer.
Angenommen, Sie ziehen als Erster Bürgermeister ins Hamburger Rathaus ein: Welches Thema würden Sie als Erstes angehen?
Die Sicherheit, weil davon alle profitieren. Eine lebenswerte Stadt ist immer eine sichere Stadt. Ohne Sicherheit ist alles nichts.
Vielen Dank für das Gespräch!