Sportjournalistin Mara Pfeiffer

„Fußball ist ein Brennglas“

Mara Pfeiffer (45) beschäftigt sich seit 2002 als Bloggerin mit dem Fußball, seit 2008 als Journalistin. Foto: Fotofarmer

Die Sportjournalistin Mara Pfeiffer über den Mangel an bezahlbaren EM-Karten, Rassismus in den Stadien und fehlende Mindestgehälter für Bundesligaspielerinnen

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Hinz&Kunzt: Manche träumen in Erinnerung an die Heim-Weltmeisterschaft 2006 von einem „Sommermärchen 2.0.“. Mit Recht?

Mara Pfeiffer: lch finde diesen Begriff und seine wiederkehrende Verwendung schlimm. Alles muss inzwischen märchenhaft sein, sogar bei der WM in Katar haben manche gefragt: „Gibt es jetzt ein ‚Wintermärchen?‘“ Ich freue mich auf gute Fußballspiele. Die letzten Turniere haben gezeigt, dass in diesem Sport noch viel Entwicklung möglich ist. Gar nicht märchenhaft finde ich es, wenn sich der Fokus bei solchen Turnieren aufs Nationale richtet.

Aber es ging im Sommer 2006 doch nicht nur um nationalistische Gefühle. Sondern auch um ein Miteinander verschiedener Kulturen.

Wenn hinter dem Begriff der Wunsch steht, dass Menschen aus aller Welt gemeinsam ein friedliches Fest feiern, schließe ich mich dem an. Beim Thema Nationalismus bin ich raus. Und ich sehe immer die Gefahr, dass die falschen Leute aufspringen – gerade in der aktuellen politischen Lage.

Rassismus ist in den Stadien und auf den Plätzen ein wachsendes Problem.

Vor allem ein wiederkehrendes Problem. Es gibt zwei Phänomene: Im Profifußball den Rassismus, der von Teilen der Fans kommt. Und im Amateur:innenbereich, vor allem bei den Männern, Rassismus unter Spielern und gegenüber Schiedsrichtern. Beide Formen sind Ausdruck von Unzufriedenheiten in der Gesellschaft. Wenn ich mit meinem Leben zufrieden bin, gibt es keinen Grund, andere abzuwerten. Selbstverständlich spielt auch eine Rolle, in welchem Umfeld jemand aufgewachsen ist. Und Bildung ist ein Faktor.

Der Fußball ist also ein Spiegelbild der Gesellschaft?

Eher ein Brennglas: Wir sehen Probleme besonders deutlich, die gesamtgesellschaftlich vorhanden sind. Und da der Fußball ein sehr männlich dominierter Bereich ist, verstärken sich Probleme wie Sexismus und Rassismus dort auch noch.

Anders als vor 30 Jahren bildet die Nationalmannschaft heute die Unterschiedlichkeit unserer Gesellschaft ab. Kann sie dazu beitragen, Vorurteile abzubauen?

Man sollte davon ausgehen. Allerdings gibt es offenkundig Grenzen. Der belgische Nationalspieler Lukaku hat das mal treffend formuliert: „Wenn es gut lief, war ich Romelu Lukaku, der belgische Stürmer. Wenn es nicht gut lief, war ich Romelu Lukaku, der belgische Stürmer kongolesischer Abstammung.“

Wer in den Stadien mitfeiern will, muss wieder tief in die Tasche greifen und zwischen 50 und 600 Euro zahlen. Trotzdem waren die Tickets innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

Es gibt nach wie vor genug Menschen mit viel Geld. Menschen mit wenig oder keinem Geld werden bei solchen Turnieren leider immer noch nicht mitgedacht. Ein Kontingent an Tickets speziell für sie wäre toll gewesen. Dass Menschen für ein Fußballspiel viel Geld ausgeben, auch über ihr Budget hinaus, finde ich emotional total nachvollziehbar. Das befreit die Verantwortlichen aber nicht davon, auch sozialverträgliche Tickets anzubieten.

Auch im Fernsehen wird Fußball immer teurer. Pro Pay-TV-Anbieter zahlen Fans inzwischen rund 30 Euro im Monat. Geht es nur noch ums Geld?

Es geht schon lange hauptsächlich ums Geld. Das hat man bei der Debatte um den Investor:inneneinstieg bei der Deutschen Fußball Liga gerade erst wieder gesehen. Positiv ist: Was die Fans da in Bewegung gesetzt haben, um den Einstieg letztlich erfolgreich zu verhindern, war toll. Und wer soll – neben den Medien – den Verantwortlichen auf die Finger schauen, wenn nicht die Fans?

Deutschland will 2027 gemeinsam mit Belgien und den Niederlanden die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen ausrichten. Tut der DFB genug, um den Frauenfußball von der Amateurinnen- bis zur Profiebene zu fördern?

Nein. Der Verband hat die Förderung des Frauenfußballs inzwischen zwar zu einer Lizenzauflage für Männerbundesliga-Vereine gemacht. Aber es gibt nicht überall Überzeugungs-täter:innen. Das Ganze wird nur funktionieren, wenn man investiert. Derzeit wird in der Frauen-Bundesliga nicht mal ein Mindestgehalt bezahlt. Dort gibt es zwölf Vereine, doch nur in vier bis fünf können Spielerinnen davon leben, dass sie Fußball spielen. Die anderen haben daneben noch einen Job oder studieren. Es geht nicht um große Summen, die genannt werden: 2500 bis 3500 Euro im Monat. Trotzdem stellen sich Vereinsfunktionäre hin und sagen: „Das können wir uns unmöglich leisten!“ Und geben kurz darauf 25 Millionen für den nächsten männlichen Fußball-Profi aus.

Artikel aus der Ausgabe:

Das Spiel mit dem Geld

Unser Blick auf die EM: Was Sportwetten für Spielsüchtige bedeuten, ein Ausblick auf die Homeless Europameisterschaft und ein Portrait von Europas bester Blindenfußballerin, Thoya Küster vom FC St. Pauli.

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Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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