Seit einem Jahr müssen neu ankommende Geflüchtete auch in Hamburg mit der „SocialCard“ überwiegend bargeldlos bezahlen – eine umstrittene Maßnahme. Eine Initative verschafft ihnen Bargeld.
Die Kundschaft wird an diesem Freitagnachmittag Anfang Februar nicht weniger im Café Exil. Ein ständiges Kommen und Gehen beherrscht den hellen Raum, in dem munter getauscht wird – der ausliegende Flyer in sechs Sprachen erklärt, wie das funktioniert: Denn hier werden Einkaufs-Gutscheine in Bargeld verwandelt. Einer der Einwechsler ist Rostam. Der 31-jährige Afghane kommt mit drei Budni-Gutscheinen à 50 Euro, die er gerade mit der „SocialCard“ erworben hat, und wird dafür 150 Euro in bar mit nach Hause nehmen. „Ich möchte gerne selbst entscheiden, wo und wofür ich Geld ausgebe“, sagt Rostam, der seit zwölf Monaten als Asylsuchender in Deutschland lebt. „Das geht mit der Karte nicht.“
Im Februar 2024 hat Hamburg als erstes Bundesland die SocialCard für neu ankommende Geflüchtete eingeführt – mittlerweile wird sie in allen Bundesländern außer Berlin eingesetzt und Stück für Stück durch eine deutschlandweit einheitliche Karte ersetzt. Das erklärte Ziel der Länder: behördliche Auszahlvorgänge verschlanken. Ein Jahr nach Einführung zeigt sich die Hamburger Sozialbehörde mit dem Projekt zufrieden. Stand Ende Januar 2025 waren in Hamburg 3341 SocialCards und 712 bundesweite Karten im Einsatz. Die Akzeptanz der Nutzer:innen sei „sehr gut“, Beschwerden gebe es „nur in Einzelfällen“, so eine Behördensprecherin. Die geflüchteten Neuankömmlinge seien in der Regel „erleichtert, dass sie gleich etwas in der Hand haben und nicht erst einen Bescheid bekommen, mit dem sie zu einem anderen Ort (einer bezirklichen Kasse) gehen, warten müssen und erst dann Geld bekommen“.
„Der Teufel steckt in den Details.“
Unterstützer Tobias Walter
So weit, so theoretisch nachvollziehbar – das sagt auch Tobias Walter. Der 42-jährige Ingenieur engagiert sich ehrenamtlich in der Hamburger Initiative „Nein zur Bezahlkarte“. Sie hat es sich – wie ähnliche Initiativen in anderen Städten – zur Aufgabe gemacht, geflüchtete Menschen mit Bargeld zu versorgen, so wie heute im Café Exil. Denn bei der Bezahlkarte stecke der Teufel „immer wieder in vielen Details“, sagt Walter. Weshalb seine Einschätzung und die seiner Mitstreiter:innen lautet: „Das Leben hier soll Geflüchteten schwerer gemacht werden – in der Hoffnung, dass zukünftig weniger Menschen nach Deutschland kommen.“ Auch der anwaltliche Grundrechtsverein „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ schreibt: „Die Bezahlkarte hat den Charakter einer Schikanemaßnahme.“
Es sind eine Reihe von Punkten, die diese Betrachtungsweise nähren. 185 Euro monatlich stehen Geflüchteten nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz zu. Maximal 50 Euro davon dürfen sie nur noch als Bargeld abheben, für jedes Kind sogar nur zehn Euro. Die Karte werde zwar bei vielen großen Discountern akzeptiert, oft aber nicht da, wo Geflüchtete noch günstiger und lieber einkaufen würden: etwa auf Flohmärkten oder in Secondhandshops. Weitere Kritikpunkte: Geflüchtete würden durch die Karte stigmatisiert, Überweisungen waren bisher verboten (fürs Inland stehen gerade Änderungen an), der Einsatz von Online-Bezahlanbietern wie etwa Paypal sei nicht möglich. Und manche Geschäfte verlangten beim Einsatz der Karte zu hohe Mindestumsätze.
Die praktische und aus Sicht der Initiative rechtlich geprüft unangreifbare, von den Ländern allerdings mehr (Bayern) oder weniger heftig (Hamburg) kritisierte Lösung: der oben beschriebene Tausch von Discounter-Gutscheinen in Bargeld – via Whatsapp-Gruppe informieren sich geflüchtete Menschen über Orte und Termine. Die Initiative wechselt die erhaltenen Gutscheine dann mit regelmäßigen Unterstützer:innen sowie an Infoständen (etwa bei Heimspielen des FC St. Pauli), wo jede:r einen solchen Gutschein erwerben kann, gegen frisches Bargeld. Bis zu 40.000 Euro monatlich werden inzwischen auf diese Weise ringgetauscht, sagt Walter, „der Bedarf ist aber weiter deutlich steigend, wir stoßen an unsere Grenzen.“ Der Wunsch der Initiative: allen geflüchteten Menschen statt der Bezahlkarte ein Basiskonto ermöglichen.
Mehr Infos: www.bezahlkarte-nein.de