Nach Polizeikontrolle in Altona :
Obdachloser muss wegen Schwarzfahrens ins Gefängnis

Im Parkhaus am Bahnhof Altona wurde ein Obdachloser kontrolliert. Weil er merfach Schwarzgefahren war, muss er nun ins Gefängnis. Foto: Benjamin Laufer.

Weil er eine Geldstrafe wegen „Leistungserschleichungen“ nicht bezahlt hat, muss ein Obdachloser für 120 Tage ins Gefängnis. Setzt sich Justizsenator Till Steffen (Grüne) mit seiner Forderung „Kein Knast für Schwarzfahrer“ durch, könnten solche Meldungen bald Geschichte sein.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Es war auch der Zufall, der einem Obdachlosen vier Monate Knast beschert hat: Als eine Polizeistreife vergangenen Sonnabend im Parkhaus des Altonaer Bahnhofs die Personalien des 47-Jährigen überprüfte, stellte sie fest, dass der Mann per Haftbefehl gesucht wurde – wegen Schwarzfahrens.

Für ihn endete die Nacht im Gefängnis, so die Polizeipressestelle. Dort muss er nun „eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Tagen zu verbüßen“.

Die Meldung erhellt beispielhaft ein soziales Problem: Zwölf Mal konnte der Obdachlose bei Kontrollen in Bus und Bahn keinen Fahrschein vorzeigen, 480 Euro sollte er fürs wiederholte Schwarzfahren bezahlen. Weil er diese Rechnung nicht beglich, wurde aus der Geld- eine Freiheitsstrafe.

Strafrecht soll geändert werden

Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) fordert, Schwarzfahrer nicht länger ins Gefängnis zu stecken. In den meisten Fällen gehe es um eine Geldstrafe, so der Senator. Weil die Betroffenen die nicht bezahlen könnten, landeten sie im Knast. „Das finde ich nicht gerecht. Denn sie werden praktisch härter bestraft als andere“, so Steffen gegenüber Hinz&Kunzt.

Seine Argumentation: Als Ordnungswidrigkeit würde Schwarzfahren den gleichen Rang einnehmen wie Falschparken – und um diese Kategorie von Unrecht gehe es.

Mehrere Justizminister-Kollegen Steffens sympathisieren mit der Idee, das Strafrecht entsprechend zu ändern – auch weil der Staat so viel Geld sparen würde. Ein Hafttag kostet immerhin 164 Euro pro Gefängnisinsassen, so die Justizbehörde. Ob der Reformvorschlag des Senators eine Mehrheit findet, wird sich im Juni zeigen, wenn die Justizminister der Länder darüber beraten.

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In unserer Juni-Ausgabe gibt es ein Interview mit Justizsenator Till Steffen und aktuelle Zahlen zum Thema „Schwarzfahrer gehören nicht in den Knast“. Ab 30. Mai überall auf Hamburgs Straßen zu haben.

Wer dreimal ohne Fahrschein im öffentlichen Nahverkehr erwischt wird, den zeigen die Verkehrsunternehmen wegen „Beförderungserschleichung“ an. Nach derzeitiger Gesetzeslage sind dafür „Freiheitstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe“ möglich.

Wie viele Menschen wegen Schwarzfahrens inhaftiert sind, wird in Hamburg nur an Stichtagen erfasst. Am 23. Februar diesen Jahres saßen laut Senat 48 Häftlinge wegen „Erschleichens von Leistungen“ im Gefängnis.

Flugblätter für freies Fahren

Wie Bürger politisch Druck machen können, damit Schwarzfahrer nicht länger im Knast landen, haben Aktivisten aus München aufgezeigt: Sie fuhren bei einer öffentlichen Aktion ohne Fahrschein mit der Bahn und verteilten dabei Flugblätter: gegen die Kriminalisierung von Schwarzfahrern, für einen kostenlosen öffentlichen Personenverkehr.

Eine legitime Form des Protests, meinte das Landgericht München und urteilte, die Aktivisten hätten sich nicht strafbar gemacht.

Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

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