Geschätzt 175.000 Menschen in Hamburg gelten als überschuldet. Für sie gibt es spezielle Beratungsstellen. Doch nur jeder Zehnte findet den Weg zu den Helfern. Ist das politisch gewollt? Und warum müssen die Berater manche Menschen wegschicken? Über diese und weitere Fragen diskutieren Fachleute heute.
16 Euro: Genau diesen Betrag verdient Sebastian L. im Monat zu viel, um kostengünstige Hilfe bei einer Schuldnerberatungsstelle in Hamburg zu finden. „Ich musste den jungen Mann leider sagen, dass er seine Schuldenregulierung komplett selbst zahlen muss“, berichtet Mark Schmidt-Medvedev, Schuldnerberater und Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung Hamburg. Verantwortlich dafür ist eine Vorgabe der Behörde: Wer als Alleinstehender mehr als 1404 Euro netto im Monat verdient, den müssen Mitarbeiter der sechs Schuldnerberatungsstellen, die im Auftrag der Stadt arbeiten, wieder wegschicken. „Sinnvoll ist das nicht“, meint Schmidt-Medvedev. „Viele landen in der Folge bei einer unseriösen Schuldnerberatung, zahlen 1000 oder 2000 Euro und haben am Ende nur noch mehr Schulden.“ Auf lange Sicht könne das katastrophale Folgen haben: „Dann haben wir wieder eine Zwangsräumung mehr, und den Steuerzahler kommt es viel teurer.“
Geschätzt 175.000 Menschen in Hamburg gelten als überschuldet. Doch nur jeder Zehnte findet den Weg in eine Beratungsstelle. „Zu 60 Prozent ist Scham dafür verantwortlich, zu 40 Prozent Unwissenheit“, so Schmidt-Medvedev. Mehr Hilfesuchende könnten seine Kollegen und er allerdings auch kaum betreuen: Schon heute beträgt die Wartezeit für einen Termin zwischen drei und fünf Monaten. Für dringende Fälle allerdings – etwa wenn die Wohnung wegen Mietschulden gekündigt worden ist – gibt es Notfallsprechstunden – kostenlos und für jedermann offen.
Was muss geändert werden, damit die Berater künftig auch den Menschen helfen können, deren Einkommen knapp über den behördlichen Grenzen liegen, die den Zugang zur staatlich finanzierten Schuldnerberatung regeln? Und wie sollen die Beratungsstellen die zusätzlichen Aufgaben bewältigen, die sich aus Gesetzesänderungen wie der Einführung des Pfändungsschutz-Kontos („P-Konto“) oder der Reform des Insolvenzrechts ergeben? Über diese und weitere Fragen diskutieren Fachleute mit Vertretern der Bürgerschaftsfraktionen von SPD, CDU, Grüne und Die Linke. Der Gesprächsbedarf lasse sich auch aus den Statistiken ablesen, so Schmidt-Medvedev: „In der Beratungsstelle, in der ich arbeite, sind bis Ende Oktober schon 20 Prozent mehr Hilfesuchende in die Notfallberatung gekommen als im gesamten vergangenen Jahr.“
Text: Ulrich Jonas
Foto: Gabi Eder/pixelio.de
3.12.2014, 15–17 Uhr, HAW Hamburg, Fakultät Wirtschaft und Soziales, Alexanderstr. 1
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