Neubau ist überflüssig, meint Buchautor Daniel Fuhrhop. Sinnvoller wäre es, die vielen leerstehenden Gebäude zu nutzen, die es gibt, erklärt der ehemalige Verleger in seiner Streitschrift. Am Montag stellt Fuhrhop sein Buch „Verbietet das Bauen!“ in Hamburg erneut zur Diskussion.
Hinz&Kunzt: Herr Fuhrhop, Sie haben ein Buch mit dem Titel „Verbietet das Bauen“ verfasst. Was haben Sie gegen Neubau?
Daniel Fuhrhop: Neubau ist teuer und darum unsozial. Zudem ist er unökologisch, weil er viel Energie verbraucht und die Städte zersiedelt. Und weil Neubau teuer ist, ist er oft auch wirtschaftlich betrachtet die schlechtere Wahl.
In Hamburg herrscht großer Mangel an bezahlbaren Wohnungen, die Unterkünfte für Wohnungslose sind hoffnungslos überfüllt. Der Neubau von Sozialwohnungen erscheint da dringend geboten…
Fuhrhop: Grundsätzlich findet der überwiegende Teil des Neubaus in einem Preissegment statt, das Menschen mit wenig Geld nicht hilft. Und wenn gesagt wird, es müssten mehr Sozialwohnungen gebaut werden, muss man sich mal das absurde System des deutschen Sozialwohnungsbaus vor Augen führen: Da bekommen Investoren Zuschüsse bezahlt, damit sie für einen begrenzten Zeitraum – meist 15 Jahre – Wohnungen günstig vermieten. Danach aber ist Schluss mit dem Sozialen, dann werden diese Wohnungen teuer. Das ist ein grundsätzlich unsinniges System, das viel Geld verschwendet.
Was ist die Alternative?
Fuhrhop: Sinnvoller wäre es, eine bestimmte Anzahl an Wohnungen dauerhaft günstig anzubieten und nicht immer wieder neues Geld an private Investoren auszuschütten.
Wie stellen Sie sich das vor?
Fuhrhop: Die landeseigenen und kommunalen Wohnungsgesellschaften sollten dafür sorgen, dass genug Wohnungen im günstigsten Segment vorhanden sind. Und sicher macht es auch Sinn, wenn die Stadt Belegungsrechte für Wohnungen erwirbt, wenn der Bedarf groß ist.
Immobilienbesitzer und Investoren behaupten oft, es sei teurer zu modernisieren als neu zu bauen. Wollen sie verschleiern, dass sie mit Neubau mehr Geld verdienen können?
Fuhrhop: Das kann ein Grund sein. Manche glauben das vielleicht auch selbst. Viele unterliegen dem Irrglauben, Neubau sei planbar, und verdrängen, welch unangenehme Überraschungen auf einen zukommen können. Das gilt nicht nur für die Elbphilharmonie. Klar, auch bei einer Modernisierung kann man sich vertun. Aber grundsätzlich gibt es nichts Günstigeres, als bereits vorhandene Häuser zu nutzen.
Sie fordern, Leerstand konsequent zu beseitigen. Woran liegt es, dass in einer Stadt wie Hamburg nach Schätzungen 5000 Wohnungen leer stehen?
Fuhrhop: Teilweise ist da sicherlich Spekulation im Spiel. Deshalb habe ich Sympathie für ein Modell, das bis 2010 in den Niederlanden galt: Dort wurden Besetzungen von Häusern, die längere Zeit leer standen, legalisiert.
Engagieren sich die zuständigen Ämter nicht genug gegen Leerstand? Oder reichen die Gesetze nicht aus?
Fuhrhop: Beides ist richtig. Hinzu kommt eine gewisse Ideenlosigkeit, was Alternativen zum Neubau angeht. In meinem Buch zeige ich 50 Werkzeuge auf, die Neubau überflüssig machen. Da geht es um sehr verschiedene Beispiele und Ideen, wie man aus bereits gebauten Häusern mehr herausholen kann. Da gehört der Umbau genauso dazu wie das Beenden von Leerständen.
Sollen Kommunen leerstehende Gebäude notfalls beschlagnahmen können, damit diese als Wohnraum genutzt werden können?
Fuhrhop: Wir haben in Deutschland ein sehr starkes Eigentumsrecht. Ich bin dafür, dass Gemeinwohl stärker in den Vordergrund zu rücken. In Amsterdam beispielsweise gibt es die Möglichkeit, dass die Stadt leerstehende Bürobauten auch gegen den Willen des Eigentümers vermietet, wenn der sich zuvor beratungsresistent gezeigt hat und es einen Mietinteressenten gibt. Das halte ich für eine sehr gute Idee.
In Hamburg müssen Flüchtlinge in Zelten schlafen, weil es an Unterkünften fehlt. Der Senat will deshalb allein dieses Jahr 5600 Wohnungen für sie in sogenannten Expressbauten errichten. Was ist die Alternative zu diesen Großsiedlungen auf der grünen Wiese?
Fuhrhop: Das Argument, dass wir jetzt Platz für Flüchtlinge schaffen müssen, wird in manchen Fällen und gerade in Hamburg als K.O.-Argument benutzt, damit niemand mehr etwas gegen Neubauprojekte sagt. Ich halte es trotzdem für sinnvoll, dass man sich sehr genau überlegt, wo wie viele Menschen auf welche Art und Weise zusammenwohnen sollen. Wenn Tausende Flüchtlinge an einem Ort in direkter Nachbarschaft untergebracht werden, scheint mir das keine gute Voraussetzung dafür zu sein, dass diese Menschen gut integriert werden.
Sie schlagen vor, dass Flüchtlinge in die Regionen ziehen sollen, wo Wohnungen leer stehen. Das sind aber teilweise Gegenden, in denen Fremdenfeindlichkeit verbreitet ist. Haben Sie nicht Angst, dass es dann zu noch mehr Brandanschlägen kommen könnte?
Fuhrhop: Fremdenfeindlichkeit gibt es in kleinen Orten wie in Großstädten. Da ist auch Hamburg nicht von ausgenommen. Die Aufgabe, Verständnis zu wecken für die Menschen, die zu uns kommen, besteht so oder so – unabhängig von der Frage, an welchem Ort sie wohnen.
Interview: Ulrich Jonas
Foto: privat und Actionpress/Christian Ohde
15.2., Buchvorstellung mit Podiumsdiskussion, Warburg-Haus, Heilwigstraße 116, 19 Uhr, Eintritt frei, Anmeldungen willkommen unter info@denkmalverein.de
Mehr Infos unter www.verbietet-das-bauen.de. Für eine Leseprobe hier klicken!