Fünf Jahre nach der Einführung von Hartz IV haben Wissenschaftler, Sozialarbeiter und Betroffene auf einer Konferenz eine kritische Bilanz gezogen. Ihr Fazit: Die Hartz-Gesetze und die Praxis der Hamburger Behörden müssen dringend geändert werden.
(aus Hinz&Kunzt 207/Mai 2010)
Schluss mit Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger, endlich verständliche Bescheide von den Argen, kostenloser Nahverkehr für Arbeitslose: Die 150 Teilnehmer der Konferenz „Agenda 2010 – Ziel erreicht? Hartz IV in der Krise“ haben Anfang April Forderungen zur Reform der Sozialpolitik aufgestellt. „Hartz IV ist zu einem Synonym für Armut, aber auch für Abwertung und Diskriminierung geworden“, sagte Pia Peddinghaus vom „Hamburger Netzwerk SGB II“, das zu der Konferenz eingeladen hatte. Hartz IV setze voraus, „faule Arbeitslose“ seien das Hauptproblem, so die Sozialarbeiterin.
Eine ähnliche Kritik übte Peter Bartelheimer vom Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen. Noch in den 70er-Jahren sei Arbeitslosigkeit als Folge der wirtschaftlichen Gesamtlage angesehen worden. In den vergangenen Jahren habe sich dieses Meinungsbild gedreht, auch durch Lobbyarbeit aus der Wirtschaft, so der Wissenschaftler. „Mit Hartz IV wurde per Gesetz die Vorstellung festgeschrieben, dass Arbeitslosigkeit ein individuelles Problem ist, das durch eine ‚Aktivierung‘ der Betroffenen behoben werden kann.“ Ein weiteres Problem sei, dass die Grundsicherung durch das Arbeitslosengeld II an das Verhalten der Empfänger bei der Arbeitsvermittlung geknüpft werde. „Die Sicherung des Existenzminimums ist eine sozialstaatliche Verpflichtung, die Verkopplung mit der Vermittlung in Arbeit ist nicht angemessen.“
Diakonie und „Netzwerk SGB II“ planen die Einrichtung einer Dokumentationsstelle, die den Arge-Alltag kritisch begleiten soll. Ein Konferenzteilnehmer erntete gegen Ende viel Beifall für sein persönliches Fazit: „Wir brauchen einen flächendeckenden Mindestlohn statt Zeit- und Leiharbeit. Die Sanktionen müssen weg. Hartz IV muss weg!“ HAN