Studie zu Hartz IV :
Sanktionen des Jobcenters motivieren nicht, sie schüchtern ein

Mit dem neuen Bürgergeld soll mehr Vertrauen zwischen Betroffenen und Jobcenter geschaffen werden. Sanktionen sollen trotzdem möglich sein. Foto: BELA

Auch das neue Bürgergeld sieht vor, dass Jobcenter Sanktionen gegen Betroffene aussprechen können. Expert:innen sagen: Aus Hartz IV könnte man lernen, dass solche Leistungskürzungen nicht motivieren –  im Gegenteil.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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Als vor knapp zwanzig Jahren die Hartz-Reformen ins Leben gerufen wurden, gab es einige Umbenennungen, man ging beispielsweise nicht mehr zum Arbeitsamt, sondern von nun an ins Jobcenter. Und trat dort in ein Verhältnis, das sich „Eingliederungsvereinbarung“ nannte: das Jobcenter entscheidet, welche Leistungen der oder die Betroffene vom Staat erhält.

Im neuen Bürgergeld, dass zum Jahreswechsel Hartz IV ablösen soll, klingt dieses Verhältnis freundlicher, beinahe gemeinschaftlich: Es heißt nun „Kooperationsplan“. Und es gibt in den ersten sechs Monaten eine „Vertrauenszeit“, in der das Jobcenter keine Sanktionen an Betroffene aussprechen darf. Danach sind Leistungskürzungen, zum Beispiel bei „Meldeversäumnissen“ oder „Ablehnung einer zumutbaren Arbeit“ aber möglich. So steht es jedenfalls im Gesetzesentwurf der Bundesregierung.

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Dass so etwas wie ein Vertrauensverhältnis aber durch Sanktionen sowieso nicht entstehen kann, davon sprechen Sozialverbände seit Jahren. Im Jahr 2019 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass Hartz-IV-Sanktionen nur bis maximal 30 Prozent des Regelsatzes in Ordnung wären. Außerdem müsste die Wirkung von Leistungskürzungen auch wissenschaftlich begründet werden, verlangte das Gericht.

Andere fordern schon lange: gar keine Sanktionen mehr. Der Verein „Sanktionsfrei“ kann das jetzt auch wissenschaftlich begründen: Er stellte gerade eine Langzeitstudie vor, die er beim Berliner Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES) in Auftrag gegeben hatte. Bei der Hälfte der Befragten wurden Sanktionszahlungen vom Verein übernommen, bei der anderen Hälfte nicht. Unterschiede, zum Beispiel in der Motivation der Betroffenen, gab es nicht. Helena Steinhaus, Gründerin des Vereins sagte: „Sanktionen verfehlen ihre behauptete Wirkung.“ Sie würden nur einschüchtern, aber nicht motivieren.

Laut Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), unterstreichen auch Untersuchungen des DIW diese Ergebnisse: Es zeigte sich sehr deutlich, dass Sanktionen sogar demotivieren können, dass sie „entweder ineffektiv sind oder in sehr vielen Fällen kontraproduktiv“. Fratzscher sagte, der deutsche Sozialstaat sei nicht mehr zeitgemäß, weil er zu passiv sei, zu viel sanktioniere. Das Bürgergeld könnte ein wichtiger Schritt sein, um dieses System zu modernisieren.

Autor:in
Anna-Elisa Jakob
Anna-Elisa Jakob
Ist 1997 geboren, hat Politikwissenschaften in München studiert und ist für den Master in Internationaler Kriminologie nach Hamburg gezogen. Schreibt für Hinz&Kunzt seit 2021.

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