Wer Sozialleistungen beantragt, muss von seinem Sachbearbeiter umfassend beraten werden – auch wenn er nicht danach fragt. Das hat der Bundesgerichtshof bekräftigt.
Sachbearbeiter sind dazu verpflichtet, Sozialleistungsempfänger und Antragsteller „umfassend“ so zu beraten, dass sie sich im komplizierten Paragrafendschungel zurecht finden. Das hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung am Donnerstag betont. „Eine umfassende Beratung des Versicherten ist die Grundlage für das Funktionieren des immer komplizierter werdenden sozialen Leistungssystems“, befanden die Richter.
Und zwar nicht nur, wenn der Hilfeempfänger danach fragt – denn das würde Wissen voraussetzen, über die er oft nicht verfüge. Deshalb sei der Sachbearbeiter schon „von Amts wegen“ verpflichtet zu prüfen, ob er den Hilfeempfänger auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinweisen sollte, die mit seinem Anliegen verbunden sind. Die Richter sprechen von einer „verständnisvollen Förderung“, zu der die Sachbearbeiter qua Gesetz verpflichtet seien.
Hintergrund ist der Fall eines schwerbehinderten Mannes, der seit 2004 eine Grundsicherung wegen Erwerbsminderung erhielt. Dass er auch einen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben könnte, darauf wies erst 2011 eine neue Sachbearbeiter hin. Seitdem bekommt er die Rente, die ihm bereits sieben Jahre zuvor zugestanden hätte. Der Bundesgerichtshof entschied nun, dass der vorherige Sachbearbeiter verpflichtet gewesen wäre, auf einen möglichen Rentenanspruch hinzuweisen. Er habe die Pflicht gehabt, „dem Bürger nahezulegen, sich (auch) von dem Rentenversicherungsträger beraten zu lassen“.