Die neue Koalition aus SPD und Grünen in der Hamburger Bürgerschaft will sich dafür einsetzen, dass Containern keine Straftat mehr ist. Schwarzfahren soll jedoch eine bleiben – was vor allem Arme betrifft.
Mehr als 18 Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jährlich im Müll. Das geht aus einer Studie des Umweltverbandes WWF hervor. Containern – also aussortierte aber noch genießbare Lebensmittel aus den Müllcontainern von Supermärkten zu fischen – ist in Deutschland dennoch eine Straftat und wird wie Diebstahl behandelt.
Der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) will das schon länger ändern. Bei den laufenden Koalitionsverhandlungen nach der Hamburger Bürgerschaftswahl haben sich SPD und Grüne darauf geeinigt, sich für die Entkriminalisierung des Containerns einzusetzen. Der Vorschlag ist nicht neu: Erst im vergangenen Jahr hatte sich Till Steffen bei der Justizministerkonferenz für eine entsprechende Strafrechtsreform eingesetzt – allerdings erfolglos.
Mit der Einigung aus den Koalitionsgesprächen im Rücken, wird die Justizbehörde nun aber nochmals eine bundesweite Regelung anstreben: „um für alle Rechtssicherheit zu schaffen und einen möglichst großen Beitrag im Kampf gegen Lebensmittelverschwendungen zu leisten“, wie es auf Hinz&Kunzt-Nachfrage von den Hamburger Grünen heißt.
Schwarzfahren bleibt eine Straftat
Nichts ändern soll sich nach Ansicht der Koalitionäre in spe daran, dass Schwarzfahren eine Straftat ist. Die Grünen hätten sich auch hier gern für eine Abstufung zur Ordnungswidrigkeit eingesetzt – auch um die Justiz zu entlasten.
„Beim Schwarzfahren wird sich nichts verändern.“– Andy Grote
Besonders betroffen von dieser Regelung sind Arme: Können Sie eine verhängte Strafe wegen “Erschleichens von Leistungen” nicht bezahlen, müssen sie eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Innensenator Andy Grote (SPD) machte im Anschluss an die Koalitionsgespräche aber dennoch klar: „Beim Schwarzfahren wird sich nichts verändern.“
Ersatzfreiheitsstrafen während Corona
Wegen der Corona-Krise wurde bei 65 Ersatzfreiheitsstrafen die Vollstreckung unterbrochen, wie es auf Hinz&Kunzt-Anfrage aus der Justizbehörde heißt. Darunter sind auch 5 Menschen, die eine Ersatzfreiheitsstrafe wegen Schwarzfahrens absitzen.
Scharfe Kritik an den Verhandlungsergebnissen kam von der Hamburger Linksfraktion: „Richtig peinlich ist, dass die Grünen noch nicht mal die weit verbreitete Forderung durchsetzen konnten oder wollten, zumindest Schwarzfahren zu entkriminalisieren“, sagte die justizpolitische Sprecherin Cansu Özdemir: „Gerade jetzt, wo wegen des Corona-Lockdowns viele Menschen das Einkommen nicht mehr haben, um sich die teuren Fahrkarten des HVV zu kaufen, ist das nichts anderes als ein grünes Bekenntnis zur Kriminalisierung von Armut.“