Energiearmut :
Rot-Grün lehnt Soforthilfen ab

Wegen rasant steigender Stromosten fordert eine Initiative Soforthilfen – der rot-grüne Senat lehnt das ab. Foto: Axel Hoffmann / pixelio.de.

50 Euro Soforthilfe monatlich für Menschen mit wenig Geld fordert die Initiative „Hamburg traut sich was“ von der Stadt. SPD und Grüne halten davon nichts: Die Ampel-Koalition im Bund werde sich um das Problem kümmern.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Die Hamburger Regierungsfraktionen sehen derzeit keine Notwendigkeit, angesichts explodierender Strompreise Geringverdienenden Zuschüsse zu zahlen. Die entsprechende Forderung der Kampagne „Hamburg traut sich was“ lehnten SPD und Grüne auf Nachfragen von Hinz&Kunzt ab. Einen Offenen Brief, der die Notwendigkeit der Soforthilfe erläutert, ließen die Regierungsfraktionen laut Kampagne bis Freitagmorgen unbeantwortet. „Wir interpretieren das als Ignoranz gegenüber den Sorgen und finanziellen Problemen von Menschen mit geringem Einkommen“, erklärte dazu Kampagnen-Sprecher Wolfgang Völker. „Von Respekt wird viel geredet. Gezeigt wird er nicht.“

In dem Schreiben hatte „Hamburg traut sich was“ von Rot-Grün erneut gefordert, die Stadt müsse Geringverdienenden mit mindestens 50 Euro Soforthilfe monatlich unter die Arme greifen, damit die nicht bald im Dunkeln sitzen. Gegenüber Hinz&Kunzt verwiesen beide Fraktionen auf geplante Maßnahmen der Ampel-Koalition im Bund. „Was wir benötigen, ist das Bürgergeld und inflationssichere, armutsfeste, also höhere Regelsätze“, erklärte Mareike Engels, Sprecherin Soziales der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Und Alexander Mohrenberg, energiepolitischer Sprecher der Hamburger SPD-Fraktion, teilte mit: „Für jede Kommune eine Sonderregelung zu machen ist nicht sinnvoll.“

Veranstaltung

Was muss die Politik tun, um die wachsende Energiearmut zu bekämpfen? Darüber diskutieren Expert:innen in der Reihe „Hamburg! Gerechte Stadt“ am Dienstag, 22. Februar von 18 bis 19.30 Uhr online. Titel der Veranstaltung: „Strom muss für alle bezahlbar bleiben!“ Mehr Infos und Zugangslink unter grabbe@diakonie-hamburg.de 

Anders als in Hamburg ist das Problem in Schleswig-Holstein im Landtag angekommen: Die dortigen Koalitionsfraktionen von CDU, Grünen und FDP appellierten in einem gemeinsamen Antrag an die Stromunternehmen, Sperren „nur äußerst restriktiv zur Anwendung zu bringen“. Und die SPD, hoch im Norden Opposition, forderte gar ein Moratorium. Denn, so die Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli Ende Januar im Landtag: „Wir dürfen nicht zusehen, wenn Menschen massenhaft die Anschlüsse abgedreht werden, weil sie beim Preisanstieg nicht mehr hinterherkommen.“ Die Hamburger SPD hingegen erklärte: “Stromsperren auszusetzen ist nicht ohne Weiteres möglich, da es sich um Verträge der Kunden mit den Anbietern handelt.”

Zahlreiche Stromsperren in Hamburg

Menschen mit geringen Einkommen bleiben bislang auf den explodierenden Stromkosten sitzen. Die Berliner Ampel-Koalition hat zwar angekündigt, staatliche Abgaben zu senken, um den Preisanstieg zu bremsen. Doch sind die Beträge, die die Ämter Hilfeempfänger:innen für deren Stromrechnung zahlen, seit Jahren viel zu niedrig. So hat eine Analyse des Vergleichsportals Verivox jüngst ergeben, dass Hartz-IV-Beziehende in Hamburg jährlich bis zu 185 Euro an anderer Stelle einsparen müssen, um ihre Stromrechnung begleichen zu können.

Laut der Betreibergesellschaft Stromnetz Hamburg bekamen vergangenes Jahr 6821 Haushalte in der Stadt den Strom abgeklemmt. Im Jahr zuvor waren 7369 Fälle erfasst worden. Wie viele Haushalte im Januar von einer Sperrung betroffen waren, wollte das Unternehmen nicht mitteilen: Die Veröffentlichung der Zahlen erfolge grundsätzlich quartalsweise, so eine Sprecherin.

 

Update: Freitagmittag haben die Grünen auf den Offenen Brief der Kampagne geantwortet. Darin heißt es unter anderem: „Es würde die Hamburger Kräfte weit übersteigen, monatliche Soforthilfen an alle Empfänger:innen von Sozialleistungen auszuzahlen. Zudem wäre es nicht zielführend, denn solche Zuschläge würden nach aktueller Rechtslage vom regulären Regelsatz wieder abgezogen.“

Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

Weitere Artikel zum Thema