Steuerprüfungen

Reiche werden viel seltener überprüft als Arme

Illustration: Julia Pfaller

Sechs Prozent aller Einkommensmillionär:innen (870 von 15.133) wurden vergangenes Jahr von Deutschlands Finanzämtern überprüft – in drei von vier Fällen mit dem Ergebnis, dass sie Steuern nachzahlen mussten, so die Bundesregierung im Mai auf Anfrage der Fraktion Die Linke. Im Durchschnitt wurden pro Prüfung 109.000 Euro fällig.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Ganz anders sieht es bei Bürgergeld-Beziehenden aus: Hier wurden vergangenes Jahr 1,2 Millionen Fälle überprüft, so die Bundesagentur für Arbeit (BA) – mithilfe des ­automatisierten Datenabgleichs, den die Jobcenter regelmäßig mit anderen Behörden durchführen. Wie viele der durchschnittlich 5,2 Millionen Hilfebeziehenden in 2022 davon betroffen waren, werde aus Datenschutzgründen nicht erfasst, so die ­Behörde. Da auch mehrere Fälle einen Bürgergeld-Beziehenden betreffen könnten, seien es ­sicher weniger als 1,2 Millionen Menschen, so ein Sprecher.

Die „Trefferquote“ fiel jedenfalls deutlich geringer aus als bei den Reichen: In knapp 10 Prozent der Fälle habe es Leistungsmissbrauch oder den Verdacht auf einen ­solchen gegeben, so die BA, bei 4 Prozent aller. Prüfungen zusätzlich den Verdacht auf eine Straftat. Wie oft der sich bewahrheite, sei ebenfalls nicht bekannt. Zumeist, so die Behörde, geht es um Nebenjobs, und teilweise haben Hilfebeziehende sich gar nichts zuschulden kommen lassen. Der Ertrag pro überprüften Fall ist vergleichsweise bescheiden: 273,50 Euro.

Steuerprüfungen bei den Reichen sind für den Staat also deutlich lohnender. Trotzdem sinkt die Kontrollquote hier seit Jahren beständig. So prüften die Finanzämter vor zehn Jahren noch 15 Prozent aller Einkommensmillionär:innen und holten 270 Millionen Euro nicht bezahlte Steuern rein. 2022 waren es nicht mal mehr 95 Millionen Euro.

Dabei steigt die Zahl der Vermögenden seit Jahren kontinuierlich. So gab es 2010 in ­Hamburg 610 Einkommensmillionär:innen, 2019 waren es schon 994 (neuere Daten liegen nicht vor, Red.). Die Prüfquote sank hingegen auch in Hamburg und lag ­vergangenes Jahr gerade mal bei 1,2 Prozent (12 Fälle), so die Finanzbehörde. In zwei Dritteln der geprüften Fälle habe es Nachzahlungen gegeben, insgesamt 1,24 Millionen Euro. Handlungsbedarf sieht die Behörde dennoch nicht: „Die risikoreichsten Fälle wurden ermittelt.“ Deshalb sei bei mehr Prüfungen „nicht automatisch gewähr­leistet, dass ein vergleichbares Mehrergebnis zu erzielen“ sei.

Artikel aus der Ausgabe:

Dating für Arme

Alle daten heutzutage mit Apps – was bedeutet das für Menschen mit wenig Geld? Dating-Apps sind „ein fucking Business-Case“, warnt die Sozialpsychologin Johanna Degen im Interview. Außerdem: ein Treffen mit Schlagerstar Kerstin Ott und die spannende Suche nach den Autor:innen eines gefälschten Umberto-Eco-Buchs.

Ausgabe ansehen
Autor:in
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas
Ulrich Jonas schreibt seit vielen Jahren für Hinz&Kunzt - seit 2022 als angestellter Redakteur.

Weitere Artikel zum Thema