Obdachlose Frauen

Psychische Probleme durch „Periodenarmut“

Sie weiß, was obdachlose Frauen brauchen: Gülay Ulaş von GoBanyo. Foto: Mauricio Bustamante

Gülay Ulaş von GoBanyo, dem Duschbus für Obdachlose, über das Grundbedürfnis Hygiene, das auf der Straße oft zu kurz kommt.

Hinz&Kunzt Randnotizen

Freitags informieren wir per Mail über die Nachrichten der Woche:

Hinz&Kunzt: Was unterscheidet Frauen, die den Duschbus nutzen, von Männern?

Gülay Ulaş: Viele Frauen scheuen sich, unser Angebot anzunehmen, denn sobald du unseren Duschbus besuchst, „outest“ du dich als Person, die auf der Straße überleben muss. Die Frauen, die zu uns kommen, nutzen vor allem den Frauentag.

Gab es den Frauentag bei Ihnen von Anfang an, oder haben Sie den auf Nachfrage eingeführt?

Wir hatten den bei der Gründung nicht mitgedacht, ihn aber kurz vor Betriebsstart eingeführt, weil wir von vielen Stellen gehört haben, dass es für Frauen viel zu wenig Schutzräume gibt. Sehr viele Frauen sind von Männern traumatisiert, spätestens, wenn sie auf der Straße überleben müssen. Uns war sehr wichtig, dass wir ein Angebot schaffen, bei dem Frauen sich sicher fühlen und Männer kein Hindernis sind.

Was können Sie tun, um Ihren weiblichen Gästen die Hemmungen zu nehmen? <!-paywall>

Ich zum Beispiel achte nicht darauf, wie die Frauen aussehen, sondern gucke ihnen direkt in die Augen und frage, wie es ihnen geht. Dadurch entstehen sehr vertraute Gespräche, die aber auch nur möglich sind, weil an den Frauentagen deutlich weniger los ist als an den anderen Tagen.

Ist mangelnde Hygiene gerade für Frauen, die auf der Straße leben, besonders dramatisch?

Ja, wegen der psychischen Belastung und der Scham, die entsteht, wenn du menstruierst, aber kein Badezimmer hast und dir keine Periodenprodukte leisten kannst. Das lässt sich auch in dem Begriff „Periodenarmut“ zusammenfassen. Du kannst dich weniger bewegen in der Öffentlichkeit, leidest im Verborgenen. Oder du besorgst dir von öffentlichen Toilettenanlagen Papier, um das als Alternative zu nutzen. Und wenn du Periodenprodukte hast, fehlt dir oft die Möglichkeit, dir vor und nach dem Wechseln die Hände zu waschen. All das geht mit einem erhöhten Risiko für Infektionskrankheiten einher.

Wie sieht es mit der gynäkologischen Versorgung aus bei auf der Straße lebenden Frauen?

Die medizinische Versorgung auf der Straße ist auf einem Minimum, das betrifft natürlich auch die Gynäkologie. In Hamburg ist das Women’s Health Team ein paarmal im Monat unterwegs, es gibt die Krankenmobile, die Menschen weiterverweisen. Und das Gesundheitsmobil, das kommt seit einem halben Jahr jeden Freitag zu uns, weil unsere Gäste nach der Dusche offener dafür sind, sich von Ärzt:innen anschauen zu lassen. Denn das ist sonst mit sehr viel Scham verbunden. 

Artikel aus der Ausgabe:
Ausgabe 381

Von der Straße auf die Bühne

Xenia Brandt war obdachlos – heute ist sie Comedian und verarbeitet so ihre Erfahrungen. Außerdem im Schwerpunkt über obdachlose Frauen: Wie Periodenarmut zu psychischen Problemen führt. Und: Hinz&Künztlerin Annie erzählt über Gewalt und Erniedrigung auf der Straße.

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Autor:in
Yasemin Ergin
freie Journalistin

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