Lawaetz-Vorstand Karin Schmalriede über das Erfolgsgeheimnis ihrer Stiftung, knappe Kassen und den Wandel der Stadt.
(aus Hinz&Kunzt 283/September 2016)
Hinz&Kunzt: Frau Schmalriede, die Lawaetz-Stiftung feiert 30. Geburtstag. Was sind die schwerstwiegenden Veränderungen im Vergleich zu den Gründungstagen?
KARIN SCHMALRIEDE: Als wir gestartet sind, war Hamburg eine reiche Stadt. Da wurde noch jedes politische Problem mit Geld gelöst. Jetzt haben wir einen Sparhaushalt nach dem anderen, und es wird immer schwieriger, ausreichend Geld für Projekte zu bekommen. Positiv ist: Vor 30 Jahren gab es in der Stadt relativ wenig Akzeptanz für Menschen, die nicht angepasst sind. Diese Akzep- tanz ist enorm gewachsen.
Ihre Stiftung soll „Projekte initiieren und fördern, die für sozial benachteiligte Personen Wohn-, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten schaffen“. Das speziell dafür geschaffene Programm „Alternative Baubetreuung“ (ABB) hat die Stadt aber faktisch eingestellt. Macht das Ihre Arbeit nicht unnötig schwer?
Der Auslöser für das Programm waren ja Hausbesetzungen in den 1980er-Jahren. Der Stadt fehlte es an preiswertem Wohnraum, gleichzeitig ließ sie alte Häuser leer stehen – ein politischer Skandal. In den folgenden zehn bis 15 Jahren haben wir so ziemlich alles saniert, was sanierungsfähig war.
Die Stadt verkauft immer mehr ihrer Häuser an Saga GWG. Betroffen davon sind auch ABB-Projekte. Die Bewohner fürchten steigende Mieten und das Ende der Selbstverwaltung. Teilen Sie diese Sorge?
Wir wollen die ABB-Projekte übernehmen, die bei der Lawaetz-Service GmbH in der Verwaltung sind, und das will der Senat auch. Eine entsprechende Bürgerschafts-Drucksache befindet sich in Arbeit.
Wie soll das konkret aussehen?
Es wird ein Erbbaurecht bestellt. Das bedeutet: Wir werden Eigentümer auf Zeit. 99 Jahre wären schick …
Statt Hausbesetzer fördert der Senat heute lieber Baugemeinschaften. Oft sind das Gutverdiener, die sich den Traum vom gemeinschaftlichen Wohnen verwirklichen. Hilft dieses Instrument auch Menschen mit geringem Einkommen?
Auf jeden Fall. Für uns ist das eine Mischfinanzierung. Besonders gut haben wir das bei einer historischen Budenreihe in der Marktstraße im Karolinenviertel hinbekommen. Da gibt es Eigentumswohnungen im Neubau und hintendran im sanierten Altbau nun wieder eine Zukunft in preiswerten Wohnungen. Und die Eigentümer mussten mehr bezahlen, um das überhaupt möglich zu machen.
Die Bewohner der Budenreihe haben ihren Eigenanteil erbracht, indem sie mit angepackt haben. Das ist im Neubau nicht möglich …
Nein, leider nicht.
Sie haben unzählige Projekte für benachteiligte Menschen umgesetzt. Welches ist Ihr persönlicher Liebling?
Ich freue mich, wenn Menschen genau das verwirklichen, was für sie wichtig ist. Gutes Beispiel ist das Community- Center Hohenhorst – Haus am See. Da gibt es ein Café, eine Veranstaltungshalle, einen Kindergarten, Menschen mit Behinderungen, die gemeinsam kochen und basteln, und die Senioreninitiative „U 99“, die Diskoabende veranstaltet. Dieses Haus lebt. Oder das Kinderkulturhaus in Lohbrügge-Ost, das Kinder im Leben erfolgreich machen will. An solchen Projekten wird deutlich: Wir übernehmen als Bauherr oder Eigentümer oft das wirtschaftliche Risiko und ermöglichen es anderen so, ihre guten Taten zu vollbringen.
Und bei den Wohnprojekten?
Mir gefällt es besonders, wenn alte Bausubstanz erhalten bleibt, wie bei „Greves Garten“ in Bergedorf. Da haben wir das Grundstück gemeinsam mit der Bewohnerinitiative im Höchstgebotsverfahren erworben. Ein Kollektiv war wettbewerbsfähiger als alle Investoren – so etwas finde ich toll.
Ihre Stiftung berät auch Existenzgründer …
Ja. Und zwar Menschen, die sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig machen wollen. Ohne unsere Beratung und Unterstützung durch das Kleinstkreditprogramm der Stadt könnten viele Menschen gar nicht gründen. Ein Bankkredit wäre quasi undenkbar.
Ist Hamburg eine „kooperative, sozial und wirtschaftlich erfolgreiche Stadt“, wie Sie es als Vision der Stiftung formuliert haben?
Ja. Es kann immer noch besser werden, klar. Aber als vergangenes Jahr die Flüchtlinge kamen, gab es eine große Solidarität in dieser Stadt. Wir arbeiten viel mit Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe. Deren Einsatz zu sehen, finde ich wunderbar.
Unternimmt der Senat genug gegen die wachsende Wohnungsnot in der Stadt?
Uns liegen vor allem die vordringlich Wohnungssuchenden am Herzen. Da bedarf es mehr Anstrengungen. Es braucht Investoren, die genau für diese Zielgruppe bauen. Wir hätten dafür gerne einen eigenen Geldtopf.
Vergangenes Jahr hat die Lawaetz-Stiftung die „Rote Flora“ in städtischem Auftrag gekauft. Der „Zeit“ haben Sie gesagt, womöglich gehe es nur darum, das Haus „zu managen“, dann sei der Aufwand sehr gering. Hat sich diese Erwartung bestätigt?
Ja. Wir haben einen guten Weg gefunden. Dazu gehört auch, dass wir in den Medien nicht viel darüber reden.
Ihre Stiftung hat Erfahrung mit ungewöhnlichen Projekten. So haben Sie auch mal die Häuser an der Hafenstraße verwaltet. Was ist das Gute daran, wenn eine Stiftung wie die Ihre solche Aufgaben übernimmt?
Dass wir hinter dem Ziel stehen, dass Hamburg eine vielfältige und soziale Stadt ist – und nicht nur eine Stadt des Kommerzes.
Interview: Ulrich Jonas und Jonas Füllner
Foto: Mauricio Bustamante
Johann Daniel Lawaetz (1759–1826) war ein Altonaer Fabrikant, der Arme durch Hilfe zur Selbsthilfe förderte.
Mehr Infos über die Stiftung unter www.lawaetz.de