Ein Youtube-Video zeigt, wie Polizisten Obdachlose aus dem Alten Elbpark vertreiben. Der Vorwurf: Sie würden dort „lagern“. Und offensichtlich passiert so etwas regelmäßig. Dabei gibt es keinen Aufenthaltsort für die Obdachlosen.
„Sie haben ja schön eingepackt“, sagt die Polizistin zu den Obdachlosen, die sich im Alten Elbpark neben der Kersten-Miles-Brücke auf St. Pauli niedergelassen haben. Dort sitzen sie, spielen Gitarre, trinken Wein. Auf der Wiese liegen ein paar gepackte Rucksäcke. Der Polizistin passt das nicht: „Und jetzt bitte einmal aus dem Park entfernen“, fährt sie fort. „Gehen sie irgendwo anders hin.“ Der Vorwurf, den sie den Obdachlosen macht: Sie würden „an einer Stelle lagern“. Die Obdachlosen überlegen, wo sie hingehen sollen. Anzusehen ist die Szene, die sich am 4. September abgespielt hat, in einem Video bei Youtube.
Die Polizei erklärt auf Nachfrage, vom Bezirksamt Mitte zur Unterstützung gerufen geworden zu sein. Offenbar kein Einzelfall, sondern hamburgweit gängige Praxis: „Die Bezirksämter gehen regelmäßig gegen das illegale Campen vor“, sagt Polizeisprecherin Karina Sadowsky. Das so genannte Ordnungswidrigkeiten-Management des Bezirks Mitte hat laut Sprecherin Sorina Weiland den Auftrag, „im gesamten Bezirksamtsbereich auf Zelte in Grünanlagen zu achten, denn dies ist nach dem Gesetz über Grün- und Erholungsanlagen und entsprechender Verordnung nicht zulässig.“
Doch die Obdachlosen müssen kein Zelt aufbauen, um von den Behördenmitarbeitern verscheucht zu werden. Auch „regelhafte Lagerstätten“ würde das Amt nicht dulden, sagt Weiland. Die Obdachlosen würden dort oft Müll hinterlassen. Bei dem im Video dokumentierten Einsatz habe es sich um keinen Einzelfall gehandelt: „Im maßgeblichen Zeitraum waren im Alten Elbpark zahlreiche Lagernde aus Ost- und Südosteuropa anzutreffen.“
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Raimund Samson war zufällig mit seiner Kamera bei den Obdachlosen, als die Ordnungshüter kamen. Das Video hat er anschließend im Internet veröffentlicht. Beim Community-Sender Tide hat er sogar eine ganze Sendung mit den Obdachlosen von der Kersten-Miles-Brücke ausgestrahlt. „Ich will darauf aufmerksam machen, dass das auch Menschen sind“, begründet er das. Und er fragt sich: „Wo sollen die denn hin? Unsere Parks sind ja öffentlich!“
Das sieht auch Stephan Karrenbauer so. Der Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter sagt: „Solange die Stadt ihnen keine Alternativen anbietet, macht es einfach keinen Sinn, sie ständig zu vertreiben.“ Denn die Tagesaufenthaltsstätten, die es für Obdachlose gibt, sind überfüllt. Erst recht gibt es keine Betten für diese Menschen, in denen sie nachts Schutz finden können.
Hinz&Künztler Erich Heeder macht die Vertreibung wütend: „Ich dachte, dass sich das mit dem Abbau von Schreibers Zaun erledigt hat.“ Der ehemalige Bezirksamtsleiter hatte 2011 einen Zaun unter der Kersten-Miles-Brücke errichten lassen, um Obdachlose fernzuhalten. Nach massiven Protesten ließ er ihn wieder abbauen. „Dass sich das nun wiederholt, finde ich zum Haare raufen“, sagt Erich. Deswegen hat er uns das Video gezeigt, damit wir drüber berichten. Und er hat einigen Politikern einen Brief geschrieben. Auch von Bezirksamtsleiter Andy Grote hat er bislang keine Antwort bekommen: „Das finde ich zum Kotzen.“
Text: Benjamin Laufer
Bild: Screenshot Youtube