G20-Gipfel :
Polizei schickt Obdachlosen weg

Hartmuth muss seine Platte räumen, weil das Schaufenster vernagelt wird. Foto: BELA

Weil in der Innenstadt Geschäfte ihre Schaufenster verbarrikadieren, verschwinden Schlafplätze für Obdachlose – wie der von Hartmuth. Hinz&Kunzt geht davon aus, dass er kein Einzelfall bleibt.

Hinz&Kunzt Randnotizen

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In der Innenstadt verbarrikadieren immer mehr Läden ihre Schaufenster mit Holzplatten, weil sie gewalttätige Proteste gegen den G20-Gipfel befürchten. Erst Karstadt, dann Galeria Kaufhof, nun auch der Nike Store. Vor vielen dieser Schaufenster hatten vorher Obdachlose geschlafen, etwas geschützt durch den jeweiligen Mauervorsprung. Dieser Schutz fällt nun weg.

Am Mittwochvormittag kommt der Obdachlose Hartmuth (55) den Sicherheitsvorbereitungen in die Quere. Fernab von Sicherheitszonen und abgesperrten Hotels. Er hatte vor einem Schaufenster des Nike Stores am Hauptbahnhof geschlafen. Zwei Polizisten schicken ihn nun weg – freundlich, aber bestimmt. Die Arbeiter, die die Bretter anbringen wollten, hätten sich gestört gefühlt, sagen sie ihm. „Kein Mensch hat etwas zu mir gesagt, es kamen gleich die Polizisten“, beschwert Hartmuth sich. Und die hätten ihm auch nicht gesagt, wo er stattdessen hingehen solle.

Im Vorfeld hatte Hinz&Kunzt mehrfach darauf hingewiesen, dass Obdachlose durch die Sicherheitsmaßnahmen vertrieben werden könnten. Polizeisprecher Timo Zill hatte Hinz&Kunzt daraufhin versprochen, für Obdachlose würden „individuelle, pragmatische Lösungen“ gefunden werden. Für Fälle wie den von Hartmuth hat die Polizei eigentlich einen direkten Draht in die Sozialbehörde eingerichtet, die dann Straßensozialarbeiter losschicken will. Nur haben die beiden Polizisten diese Nummer nicht angerufen.

„Das ist genau das, wovor wir die ganze Zeit gewarnt haben.“– Stephan Karrenbauer

Als Alternative verweist die Stadt auf die Notunterkunft Pik As. Derzeit sind dort nach Angaben des Unterkunftbetreibers fördern&wohnen 135 Plätze frei. Doch da wollen viele Obdachlose nicht hin. Für Wohnungslose mit Hund gibt es dort auch nur noch einen einzigen Platz. Und auch Hartmuth hat starke Vorbehalte: „Ich war schon mal im Pik As, da gehe ich nie wieder hin“, sagt er. In einer Nacht habe er sich dort Läuse und die Krätze eingefangen. Also zieht er ein paar Meter weiter – fürs Erste.

„Das ist genau das, wovor wir die ganze Zeit gewarnt haben“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer. „Die Wohnungslosen wissen nicht, wohin sie gehen sollen.“ Hinz&Kunzt geht davon aus, dass es viele solcher Fälle gibt – von denen aber niemand etwas mitbekommt.

G20-Informationen der Sozialbehörde für Obdachlose 

Autor:in
Benjamin Laufer
Benjamin Laufer
Seit 2012 bei Hinz&Kunzt. Redakteur und CvD Digitales.

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