Poetry Slammer Marco von Damghan knöpft sich heikle und politische Themen vor. Sein Vehikel: kluger Humor. Zu hören und zu sehen am Donnerstag, 28. August beim Benefiz-Poetry-Slam für Hinz&Kunzt auf der Cap San Diego.
Marco von Damghan ist in Schwierigkeiten. Er steht im Bauch des Museumsschiffes Cap San Diego und er kriegt es einfach nicht hin: das mit dem Ernstgucken. Während der Fotosession für Hinz&Kunzt muss der 21-Jährige immer wieder lächeln, auch wenn gerade eine seriöse Pose gefragt ist. Vielleicht einfach mal anders hinstellen und die Arme verschränken? Erneut blitzen Zähne. Fotograf Mauricio Bustamante nimmt es mit Humor.
Humor, das ist das Stichwort: Marco von Damghan nutzt ihn als Poetry Slammer wie ein Bergsteiger sein Seil: als unverzichtbares Hilfsmittel. Ein typischer Text von Marco ist so aufgebaut: Freundlich starten, das Publikum in Sicherheit wiegen, überraschend antäuschen und nach hinten raus langen. Und zwar ordentlich. Bei dem Text „Angela Merkel“ etwa klingt das dann so: „Angie, bei dir gab’s mehr Rücktritte als in einem verdammten Fahrradladen.“ Wenn alle dann schön aufgelockert sind, kommt er auf den Punkt. Dann kritisiert der Slammer im Stakkato das inhumane Asylrecht oder die Richtlinien des Transfusionsgesetzes, die besagen, dass homo- und bisexuelle Männer in Deutschland kein Blut spenden dürfen.
Die Fotosession ist im Kasten. Marco sitzt im Schiffs-Café und schaut nun ziemlich ernst: „Dieses Transfusionsgesetz ist nicht lustig. Das ist komplett menschenverachtend“, sagt er. Er versteht sich als politischen Menschen. Wutreden wird man von ihm trotzdem nicht hören. Er bevorzugt „die elegante Lösung“, die mit Humor. Ein typischer Slam dauert fünf Minuten. „Wenn du da nur einen Fakt nach dem anderen raushaust, schalten die Leute auf Durchzug“, sagt er.
Wie man es richtig macht, hat Marco vor zwei Jahren erfahren: Bei einem Poetry Slam im Haus 73 auf dem Schulterblatt. Nach einem Auftritt von Slammer Alex Meyer ging er schwer beeindruckt nach Hause. „Der hat sich auf sehr interessante Art und Weise über das Flatratesaufen von Jugendlichen aufgeregt“, erinnert sich Marco.
Im Urlaub schrieb er seinen ersten eigenen Text, über die amerikanische Modekette Abercrombie & Fitch. Deren Chef verkündet in Interviews gern mal, dass Übergewichtige seine Kleidung bitte nicht tragen sollen, sondern nur schöne Menschen. Gerade erst hat die Kette die Magergröße XXXS eingeführt.
Marco stand in einem dieser Läden und spürte: Wut. Und Ekel. „Total skurril“ sei ihm diese „Scheinwelt“ vorgekommen: mit falsch lächelnden Verkäuferinnen, die jeden Kunden auf Englisch mit dem immer gleichen Satz „Welcome to Abercrombie, how can I help you?“ begrüßen. Seine Meinung dazu hat er in „Engel aus Plastik und Wachsfiguren“ aufgeschrieben. Er erzählt auf schön bissige Weise davon, wie die Kette versucht,13-Jährigen einzureden, sie seien potthässlich, solange sie kein „Shirt für 50 Euro“ kaufen. Er macht sich lustig, überzeichnet, spricht von „perfekten Nasenbeinen“ und engelhaften Erscheinungen. Bis der Teil kommt, an dem er wieder draufhaut. Von Kinderarbeiterinnen in Indien spricht, die die teuren Shirts für einen Hungerlohn herstellen. Von bulimischen Mädchen, die er bemitleidet. Und von Menschen, die sich über „Anziehsachen definieren“. Die Abercrombie-Abrechnung endet mit einem Witz auf seine Kosten: „Wer mag, kann nachher gerne ein Foto von mir und meinem Durchschnittskörper machen.“
Wenn es nach Marcos Mutter geht, deutete sich eine Bühnenkarriere schon früh an. Mit drei Jahren dirigierte der Sohn einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters die überraschten Musiker einer Hotelcombo ausdauernd. In der Schule fand er beim Darstellenden Spiel großen Gefallen daran, die Rampensau zu geben: „In Mathe habe ich dafür immer einen draufgekriegt, aber da ging das endlich.“ Später stand er im Jugendclub des Ernst-Deutsch-Theaters auf der Bühne. Seit zwei Jahren sieht man den Umtriebigen auf allerlei Poetry-Slam-Events. Mit dem „Digger Slam“ in Bramfeld hat er sogar eine eigene Veranstaltung ins Leben gerufen. Das kam gut an in der Lyrik-Diaspora. So gut, dass es jetzt statt alle zwei Monate jeden ersten Freitag im Monat einen Slam gibt im Stadtteilkulturzentrum Brakula.
Wie findet er seine Themen? „Gut!“, sagt Marco, nippt an seinem Kaffee und lacht. Nein, jetzt mal im Ernst: Das seien immer so „kleine Momente“, die Widerstand in ihm auslösen. „Irrationale Widersprüche“, die es zu finden gelte. Widersprüchlich sei auch das Bild des Irans in den deutschen Medien, findet Marco. „Bei der Fußball-WM kam der Iran das erste Mal 90 Minuten vor, ohne dass ständig über Uran gesprochen wurde“, sagt er. „Sehr schade“ findet er diese reduzierte Berichterstattung. Jedes Jahr fährt er in die Heimat seines Vaters. Gerade hat er angefangen, Persisch zu lernen, weil ihn die Kultur des Landes fasziniert. Er mag auch den iranischen Humor, „sehr schwarz“ sei der.
Welchen Text er beim Benefiz-Poetry-Slam für Hinz&Kunzt vortragen wird, lässt Marco noch offen. Vermutlich aber einen neuen. Seine klare Meinung zum Thema Obdachlosigkeit hat er ohnehin. „Ich war mit einem Freund am Hauptbahnhof. Da, wo sie mit klassischer Musik die Obdachlosen vertreiben wollen. Die Musik stoppte kurz und setzte dann laut wieder ein. Da hat einer von den Obdachlosen zu seinem Kumpel rübergerufen: „Uwe, sie spielen unser Lied!“ Und ich dachte mir nur: ‚Ja, genau so muss man damit umgehen.‘“
Text: Simone Deckner
Foto: Mauricio Bustamante
Kampf der Künste präsentiert: Benefiz-Poetry-Slam „Momentaufnahmen #2“, Do, 28.8., 20 Uhr. Mit Marco von Damghan, Paul Fejfar, David Friedrich und Meral Ziegler. Moderation: Michel Abdollahi. Ort: Cap San Diego/Luke 4, an der Überseebrücke/Landungsbrücken. Eintritt: 10/8 Euro, Tickets unter http://www.huklink.de/poetrycsd