(aus Hinz&Kunzt 253/März 2014)
Einer jungen Lettin aus dem Winternotprogramm wurde fünf Tage nach der Geburt ihr Baby weggenommen. Der Grund: Kindeswohlgefährdung, weil sie keine Wohnung hat. Sie könne Baby Miranda wiederbekommen, wenn sie ausreise, wurde Kristine gesagt. Bis dahin dürfe sie ihr Baby zwei Mal täglich besuchen. Das geht zu weit, finden wir. Familien stehen unter dem besonderen Schutz unserer Gesellschaft. Zumal es keine Vorbehalte gegen die Mutter gibt. Sie ist weder alkoholkrank, noch drogenabhängig oder psychisch krank. Sie ist nur eins: bitterarm. Nachdem wir die Geschichte aufgegriffen haben, wehrte sich die Sozialbehörde. Sie sagte, sie habe der Familie Angebote gemacht, die sie ausgeschlagen habe. Davon weiß die Familie nichts. Nur dass sie eine Rückfahrkarte hätte bekommen können. Klar ist: Da ist einiges schiefgelaufen.
Schon im Herbst hatten wir die Sozialbehörde aufgefordert, Familienunterkünfte einzurichten, natürlich auch für EU-Bürger. Aus gutem Grund: Unter der Kennedybrücke lebte damals eine bulgarische Familie mit zwei Kindern.
Das Jugendamt untersuchte den Fall, kam aber zu dem Schluss, dass keine Kindeswohlgefährdung vorliege. Das sahen wir anders: Nicht durch die Eltern lag eine Gefährdung vor, diese gehen sehr liebevoll mit ihren Kindern um. Sehr wohl aber waren die Kinder durch die Umstände gefährdet: Es kann schließlich nicht angehen, dass sie unter einer Brücke leben. Deshalb brachten wir die Familie in einer Kirchenkate unter. Bald fanden sich Spender, die die Kosten übernahmen.
Damals forderten wir, spätestens zum Winter Unterkünfte für Familien und Geld für ihre Versorgung bereitzustellen. Das wurde als nicht notwendig angesehen. Stattdessen gab es individuelle Lösungen – und die sind eben Glückssache. Wir wissen nicht einmal, ob Baby Miranda das einzige Kind ist, das seinen Eltern aus Armutsgründen entzogen wurde. Die Behörde kann dazu jedenfalls keine Angaben machen.
Auch unser neuer Herausgeber, Landespastor Dirk Ahrens, hat sich in die Diskussion eingeschaltet: „Wir können unter keinen Umständen akzeptieren, dass Familien in Hamburg auf der Straße leben müssen. Ebenso wenig darf man Eltern die Kinder wegnehmen, nur weil sie zu arm sind, um sich eine Unterkunft zu leisten“, sagt der Diakoniechef. „Die Stadt muss sofort mit einer angemessenen Unterkunft helfen und im Zweifel Hotelzimmer anmieten. Das hat die Diakonie bereits mehrfach gefordert, zuletzt im Herbst 2013.“
Zum Glück gibt es für Baby Miranda ein Happy End. Das Deutsche Rote Kreuz hat der Familie eine Unterkunft angeboten. Aber es geht um mehr als um Baby Miranda. Es geht darum, die EU-Zuwanderer, die hierbleiben, zu integrieren. Es geht um den sozialen Frieden in unserer Stadt. Und es geht um ein vereinigtes Europa der Menschen – und nicht eines der Waren und billigen Arbeitskräfte.
Text: Birgit Müller und Stephan Karrenbauer