15 von 100 Deutschen sind arm. Das ergibt ein neuer Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. In Hamburg liegt die Quote knapp unter dem Schnitt. Die nationale Armutskonferenz fordert höhere Hartz-IV-Sätze und mehr sozialen Wohnungsbau.
Vor der „sozialen Verödung ganzer Regionen“ und einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich warnt der Paritätische Wohlfahrtsverband anlässlich der Veröffentlichung seines Armutsberichts 2013. Mit einer Quote von 15,2 Prozent habe die Armut in Deutschland ein neues Rekordhoch erreicht.
Als arm beziehungsweise armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens seines Landes zur Verfügung hat. 2012 lag die demnach errechnete Grenze für einen Singlehaushalt bei 869 Euro, für eine vierköpfige Familie bei 1826 Euro. „Sämtliche positive Trends aus den letzten Jahren sind zum Stillstand gekommen. Deutschland war noch nie so gespalten wie heute“, sagt Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Gemeinsam mit der Nationalen Armutskonferenz fordert der Paritätische die gezielte finanzielle Förderung notleidender Kommunen sowie ein Paket von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und zum Erhalt der sozialen Infrastruktur vor Ort.
In Hamburg ist die Armutsquote laut dem Bericht trotz sinkender Arbeitslosigkeit und sinkender Hartz-IV-Quoten auf den höchsten Stand seit 2006 gestiegen und liegt jetzt bei 14,8 Prozent. „Viele Menschen haben Arbeit, aber immer weniger Menschen können davon leben“, erklärt Joachim Speicher, Geschäftsführer des Paritätischen Hamburg, die Ergebnisse. Hamburg sei „immer stärker sozial gespalten“.
Die Hansestadt sei „die Hauptstadt der Altersarmen“: Ende 2012 bezogen 6,2 Prozent aller Hamburger über 65 Jahren Leistungen zur Grundsicherung. Der Paritätische Hamburg fordert den Senat auf, sich für höhere Hartz-IV-Regelsätze einzusetzen, Beschäftigungsangebote für Langzeitarbeitslose zu schaffen und die Quartiere zu stärken, die seit Jahren abgehängt seien. Andernfalls werde die Kluft zwischen wohlhabenden und ärmeren Stadtteilen weiter steigen.
Auch die Nationale Armutskonferenz (NAK) bewertet die Befunde als alarmierend. „Der Bericht zeigt, dass wir in Deutschland weiter von einer chancengerechten Gesellschaft entfernt sind, als je zuvor“, so nak-Sprecher Joachim Speicher. Die Nationale Armutskonferenz fordert Maßnahmen zur Armutsbekämpfung und hat ihre Forderungen in einem Katalog zusammengefasst.
„Die Kassen der Länder und Kommunen sind leer“, sagt Speicher. „Es fehlt Geld zur Armutsbekämpfung, für sozialen Wohnungsbau, für die Stärkung von Quartieren. So werden Regionen noch weiter abgehängt.“ Deshalb fordert die NAK, dass Städte und Gemeinden gezielt finanziell unterstützt werden müssten.
Langzeitarbeitslose will die NAk besser fördern: „Die Zahl der Langzeitarbeitslosen, die seit 2005 Hartz IV beziehen, liegt bei rund 400.000. Es geht um Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt kaum zu vermitteln sind. Wir dürfen diese Menschen nicht ins Nichtstun abschieben.“ Stattdessen müsse es einen „öffentlich geförderten, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungssektor“ geben. „Wir dürfen nicht vergessen, dass Arbeit mehr bedeutet als die Sicherung des Lebensunterhalts. Arbeit trägt auch zur Sinnstiftung bei, stärkt das Selbstbewusstsein und gibt das Gefühl, anerkannt und gebraucht zu werden.“
Zudem seien die Hartz-IV-Regelsätze zu gering und müssten angehoben werden. Die Regelsätze für Kinder müssten „eigenständig und bedarfsgerecht“ ermittelt werden und das Bildungs- und Teilhabepaket reformiert werden. „Die Maßnahmen kommen bei den Kindern nicht an“, sagt Speicher.
Auch gegen wachsende Wohnungslosigkeit müsse etwas getan werden. Mittel der Wahl müsse laut NAK die Förderung des sozialen Wohnungsbaus sein. Enttäuscht äußerte Speicher sich darüber, dass die neue Bundesregierung in ihren Koalitionsverhandlungen ein Thema unter den Tisch habe fallen lassen, das im Wahlkampf noch präsent war: „Wir fordern eine stärkere Besteuerung von Reichtum und Vermögen, um der sozialen Ungleichheit unserer Gesellschaft entgegenzuwirken.“