Mehr als ein Jahr arbeitete Jan Lukas Strozyk an den Panama-Papieren. Zusammen mit 370 anderen Rechercheuren und Journalisten aus 78 Ländern landete er einen der größten Enthüllungscoups aller Zeiten.
(aus Hinz&Kunzt 279/Mai 2016)
Er war einer der Ersten, der von dem Whistleblower und den Panama-Papieren erfuhr. Denn Jan Lukas Strozyk gehört zum Investigativteam von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung. Monatelang wühlte er sich durch Dokumente, Verträge und E-Mails.
Eine seiner Lieblingsgeschichten, auf die er persönlich stieß: Die Kanzlei Mossack Fonseca (Mossfon) hatte eine Stiftung gegründet: die Faith Foundation. Das wunderte ihn dann doch. Nutznießer dieser Stiftung sollte das Rote Kreuz sein. „Ich hätte Mossack Fonseca nie einen moralischen Horizont zugetraut“, sagt der 31-Jährige. Das wollte er sich mal genauer ansehen. Aber natürlich hatten die Wegbereiter von mehr als 200.000 Briefkastenfirmen nicht wirklich das Wohl einer Hilfsorganisation im Sinn. Die Stiftung und der weltweit bekannte Name Rotes Kreuz wurden ohne Wissen der Organisation genutzt – oder besser: missbraucht.
Dazu wird eine Lücke im Gesellschaftsrecht von Panama genutzt: Man gründet eine Stiftung, in diesem Fall die Faith Foundation,und gibt einen Begünstigten an. In diesem Fall das Rote Kreuz. In deren Auftrag werden Briefkastenfirmen gegründet, die wiederum in Wirklichkeit Kunden von Mossack Fonseca gehören. Sinngemäß stand in den Mossfon-E-Mails: Wir haben uns das Konstrukt ausgedacht, quasi als Eintrittskarte, damit ihr eine Briefkastenfirma und ein Konto bei einer europäischen Bank eröffnen könnt.
Aus den E-Mails geht auch hervor, dass die Kunden Angst hatten, ihr Geld dem Roten Kreuz schenken zu müssen. Mossfon beruhigte sie: Diese Sorge muss man in Panama nicht haben. „Bevor die Stiftung Geld ausschüttet, kann sie einfach sagen: Nein, doch nicht!“ Für eine gemeinnützige Organisation wie das Rote Kreuz ist so eine unfreiwillige Verquickung katastrophal. „Zum einen, weil ihr guter Ruf in Gefahr ist“, sagt Jan Lukas Strozyk.
Aber noch wichtiger: „Es muss nur ein Vertrag auftauchen, bei dem das Rote Kreuz vorkommt und wo es in Wirklichkeit um das Verschieben von Waffen geht – und wir haben ja gesehen, dass Waffengeschäfte über Mossack Fonseca abgewickelt wurden“, so Strozyk. „Das kann für die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, die in Krisengebieten im Einsatz sind, lebensgefährlich werden.“ Übrigens gab es noch eine zweite Schein-Stiftung und weitere missbrauchte Hilfsorganisationen: den WWF und Unicef.
Warum es eine seiner Lieblingsgeschichten ist? „Mossack Fonseca sagt gerne, dass sie sich immer an geltendes Recht halten. Vielleicht stimmt das sogar. Aber losgelöst vom Wortlaut des Gesetzes hätte jeder anständige Mensch gesagt: ‚Das ist bösartig!‘“
Die Panama-Papiere – Strozyk ist stolz, bei diesem Mammut-Projekt dabeizusein. Auch, weil man damit „Menschen davon überzeugen kann, dass Journalismus toll und wichtig ist“. Es wird Jahre dauern, bis alles aufgearbeitet ist. Jan Lukas Strozyk ist bislang noch mit der Aufklärung rund um die Berenberg Bank befasst. Dann will er mal Urlaub machen. „Vermutlich aber nicht in Panama.“
Text: Birgit Müller
Foto: Martin Jäschke
Buchtipp: Panama Papers, Bastian Obermayer, Frederik Obermaier, Kiepenheuer& Witsch, 16,99 Euro