Am Mittwoch gab Olaf Scholz eine Regierungserklärung in der Bürgerschaft ab. Neue Maßnahmen verkündete er nicht. Flüchtlinge müssten sich darauf einstellen, auch im Winter in Zelten zu bleiben.
Im Sommer war von einer „kurzfristigen Maßnahme“ die Rede. Und noch im September sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel: „In einer wohlhabenden Stadt kann es nicht sein, dass Flüchtlinge im Winter im Zelt schlafen müssen“. Doch spätestens seit der gestrigen Regierungserklärung von Olaf Scholz (SPD) ist klar: Flüchtlinge werden auch im Winter in Zelten leben müssen. „Wir alle wissen, dass es in Hamburg wie überall in Deutschland so sein wird, dass es auch im Winter Zelte geben wird“, drückte der Erste Bürgermeister die schlechte Nachricht ziemlich umständlich aus.
Es werde aber derzeit „mit Hochdruck daran gearbeitet, diese Plätze zu ersetzen oder winterfest zu machen“, beeilte sich Scholz seine Kritiker zu beschwichtigen. Fakt aber ist: Derzeit haben rund 4100 Flüchtlinge in Hamburg statt einem festen Dach nur eine Zeltplane über dem Kopf. Sie sind in Massenunterkünften untergebracht, von denen die meisten nicht wintertauglich sind: ohne Heizungen, ohne ausreichenden Schutz vor Kälte und Wind – Familien berichten von erkrankten Kindern. Zudem fehlt es vielen Flüchtlingen an warmer Kleidung.
Am Dienstag protestierten deshalb rund 80 Flüchtlinge auf dem Rathausmarkt. Einige hielten Plakate hoch, auf denen stand: „Wir wollen nicht erfrieren“. Viele der Zelte sind weiter unbeheizt, trotz des Kälteeinbruchs in den vergangenen Tagen. Es ist jetzt sogar schon so weit, dass der städtische Unterkunftsbetreiber fördern&wohnen Bürger dazu aufruft, Wärmflaschen zu spenden.
Scholz machte den Flüchtlingen jedoch kaum Hoffnung auf einen baldigen Umzug: „Die Flüchtlinge werden sich darauf einstellen müssen, noch längere Zeit in den großen Massenunterkünften zu bleiben“, sagt er. Damit meinte er auch die Unterbringung in Baumärkten – auf die teils katastrophalen Zustände (Hinz&Kunzt berichtete) und den Brandbrief von führenden Mitarbeitern von fördern&wohnen ging er nicht weiter ein.
Obdachlosigkeit vermeiden
Oberstes Ziel sei „die Vermeidung von Obdachlosigkeit“, so der Erste Bürgermeister weiter. Dafür müsste die Stadt „vielen vieles abverlangen“. Scholz sprach damit auch die Nachbarn von potentiellen Flüchtlingsunterkünften an. Man dürfe „bei aller Dramatik (…) nicht in den Gestus des Notstandes verfallen.“
Die Opposition reagierte teils harsch auf Scholz’ Regierungserklärung: „Das ist die schlechteste Krisenbewältigung ever“, ätzte der CDU-Fraktionsvorsitzende André Trepoll. Cansu Özdemir von der Linken warnte vor einer „humanitären Katastrophe“ und warf Scholz vor: „Nicht Sie haben sich die Flüchtlingspolitik zur zentralen Aufgabe gemacht, sondern die Zivilgesellschaft in Hamburg!“
Text: Simone Deckner
Foto: Christian Charisius/picture alliance dpa
Die gesamte Regierungserklärung von Olaf Scholz zum Nachlesen