10 Jahre Hinz&Kunzt – zehn Geburtstags-Forderungen
(aus Hinz&Kunzt 127/September 2003)
Darum geht es:
Erwerbsfähige Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeempfänger müssen sich laut Gesetz selbst um Arbeit bemühen. Doch viele der Betroffenen finden auf dem engen Arbeitsmarkt keinen Job. Andere schaffen es nicht allein, oder sie können die Anforderungen nicht erfüllen. Das Ergebnis: Ihnen wird vom Amt die Stütze gestrichen, und sie fallen aus dem sozialen System. Deshalb fordert Hinz & Kunzt, dass diese Menschen intensive Unterstützung von sozialen Job-Agenturen bekommen und ihnen nur dann die Hilfe gestrichen wird, wenn sie diese Unterstützung nicht annehmen.
Der Hintergrund:
Die meisten Sachbearbeiter in den Ämtern sind mit der Aufgabe überfordert, ihre Klienten bei der Arbeitssuche zu unterstützen. Gängige Praxis ist deshalb, dass Hilfeempfänger die Auflage bekommen, sich selbst um Arbeit zu bemühen. Je nach Sachbearbeiter werden ihnen bis zu 20 nachweisbare Bewerbungen pro Monat auferlegt. Dass diese Situation unbefriedigend ist, erkannten Hamburger Sozialpolitiker schon in den neunziger Jahren. Neben Fachstellen zur Arbeit innerhalb der Sozialämter wurden deshalb soziale Job-Agenturen in den Bezirken eingerichtet.
Die Agenturen arbeiten auf eigene Rechnung und werden von freien Trägern geführt. Die Ämter zahlen ihnen ein Honorar: eine Hälfte, wenn der Hilfeempfänger einen versicherungspflichtigen Job bekommt (keinen Mini-Job), die andere Hälfte, wenn er ein halbes Jahr durchgehalten hat. Ziel ist, für jeden der Stützeempfänger einen Arbeitsplatz zu finden, der wie angegossen zu ihm passt. Nicht allein die Ausbildung zählt, sondern auch die persönlichen Stärken und Schwächen. Die Jobs suchen die Agenturen in kleinen und mittleren Betrieben, für die es oft zu aufwändig ist, eine Anzeige in der Zeitung zu schalten.
Das Problem: Die Sachbearbeiter können, aber sie müssen ihre Klienten nicht zu den Agenturen schicken. Zwar haben Hilfeempfänger die Möglichkeit, selbst Kontakt zu den Agenturen aufzunehmen und sich nachträglich zuweisen zu lassen. Aber viele wissen das nicht oder schaffen einen solchen Schritt nicht. Fakt ist, dass die Hilfe mitunter auch in den Fällen gekürzt wird, in denen noch gar nicht der Versuch unternommen wurde, Stützeempfänger über die sozialen Agenturen zu vermitteln.
Die beste Job-Agentur nützt allerdings nichts, wenn sie es sich nicht leisten kann, Schwervermittelbare aufzunehmen. Und das ist immer häufiger der Fall. Denn inzwischen ist der Zeitraum, den die Agenturen haben, um einen Menschen zu vermitteln, von durchschnittlich einem Jahr auf ein halbes gekürzt worden. Und auch die Vermittlungsvorgaben wurden verschärft: Wenn die Träger einen festen Pool von Klienten haben, wurde die Vermittlungsquote in vielen Fällen von 20 auf 40 Prozent erhöht. Haben sie dagegen keinen festen Pool, dann fehlt den Agenturen die Planungssicherheit.
Wie andere es besser machen:
Die Idee sozialer Job-Agenturen haben wir von den Niederländern abgeguckt. Dort allerdings funktionierte das System im großen Stil. Es gab kein Nebeneinander zwischen Ämtern und Job-Agenturen. Und weil Sozialhilfeempfänger schnell zu den Agenturen durchgereicht wurden und mit ihnen gearbeitet wurde, war der Vermittlungserfolg höher.
Allerdings ist die Vermittlungsquote in den vergangenen Monaten auch in den Niederlanden aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage und aufgrund von Sparmaßnahmen zurückgegangen.
So müsste es laufen:
– Sachbearbeiter müssen arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger grundsätzlich an eine soziale Job-Agentur überweisen
– Die Job-Agenturen müssen finanziell so ausgestattet sein, dass sie auch Schwervermittelbare erfolgreich betreuen können
– Die Agenturen machen eine Bestandsaufnahme und legen fest, welche Maßnahmen individuell für einen Klienten erforderlich sind, um ihn wieder einsatzfähig zu machen (Bewerbungstraining, Schuldenberatung, aber auch Fortbildungen oder Ausbildungsempfehlungen)
– Die Sozialhilfe darf nur gekürzt werden, wenn der Hilfeempfänger keine der angebotenen Maßnahmen befolgt.
Birgit Müller
Reaktionen auf unsere Geburtstags-Forderungen:
„Guthaben-Konto für jedermann“ forderten wir in unserer August-Ausgabe. Der Grund: Arbeit- und Wohnungsgeber verlangen oft, dass ihre Mitarbeiter und Mieter ein Konto haben. Außerdem sind Bareinzahlungen teuer. Zwar haben die Geldinstitute in einer Selbstverpflichtung erklärt, jedem Bürger werde auf Wunsch eine Bankverbindung eingerichtet. Aber in der der Praxis gibt es immer wieder Probleme. Hinz & Kunzt hakte nach.
Die Beispiele: Einem Hamburger war das Konto gekündigt worden, weil er erheblich ins Minus gerutscht war. Nachdem er bei der Schuldnerberatung „reinen Tisch gemacht“ hatte, wollte er bei der Postbank ein Konto auf Guthabenbasis einrichten. Die verwehrte ihm das mit dem Hinweis, „dass Sie bereits ein Girokonto führen“. Tatsächlich jedoch war das alte Konto längst aufgelöst.
Auf Anfrage von Hinz & Kunzt erklärte die Postbank: „Grundsätzlich halten wir für jeden Bürger ein Girokonto bereit, damit er am normalen Leben teilhaben kann.“ Ausnahmen gebe es nur bei „Missbrauch des Kontos, Betrug oder Geldwäsche“.
In einem anderen Fall hatte die Sparkasse Harburg-Buxtehude einer Sozialhilfeempfängerin wegen einer Pfändung das Konto aufgelöst. Tragisch an dem Fall: Verantwortlich für die Schulden war vor allem der Ex-Ehemann. Trotz Fürsprache einer Diakonin verweigerte die Sparkasse zunächst die Eröffnung eines neuen Kontos. Nach einer Anfrage von Hinz & Kunzt kam dann die Wende: „Wir versuchen es noch mal!“