Die private Initiative „Hilfe für Hamburger Obdachlose“ um den Ex-Obdachlosen Max Bryan hat ein so genanntes Sommernotprogramm gestartet. Erster Erfolg: ein Zimmer für den 65-jährigen Bolle.
Er hat den Vertrag unterschrieben. Jetzt hat Bolle es schriftlich: Mietbeginn: sofort. Das Zimmer mag klein sein, aber es ist alles da, was man zum Leben braucht. Hier in Eckernförde. Noch dazu den Strand gleich um die Ecke.
Ein neues Zuhause ist immer ein Grund zu Feiern. Für Bolle, 65 Jahre, der nach einem Unfall auf eine Krücke angewiesen ist, ist es wie ein Wunder. Schon das zweite innerhalb kurzer Zeit.
Das erste Wunder geschah, als der gebürtige Breslauer dachte, er hätte (mal wieder) einen rabenschwarzen Tag erwischt: Es war im November vergangenen Jahres. Der Tag, an dem die begehrten Containerplätze für den Winter an Obdachlose verteilt wurden.
Bolle wartete mit vielen anderen in der Bundesstraße vor der Tagesaufenthaltsstätte des Diakonie-Zentrums für Wohnungslose, kurz TAS. Mit dem Deutsch sprechen klappt es bei Bolle nicht so gut, aber er war pünktlich da, beantwortete alle Fragen, so gut es eben ging. Die TAS wählte andere Obdachlose aus. Es waren wieder viel mehr Menschen als Container da, wie schon in den Vorjahren.
Bolle wusste nicht weiter. Weil er Osteuropäer ist, macht es ihm die Stadt im städtischen Winternotprogramm schwer. Blieb also nur noch die Straße. Mit 65 Jahren, gehbehindert, nur bruchstückhaft Deutsch sprechend.
Hilfe für ältere Obdachlose
Womit Bolle nicht gerechnet hatte, war Max Bryan. Der ehemalige Obdachlose hat die Privatinitiative „Hilfe für Hamburger Obdachlose“ gegründet, die sich besonders um Menschen wie Bolle kümmert: über 55 Jahre alt, ohne Leistungsanspruch, gesundheitlich angeschlagen.
Bereits drei Obdachlosen konnte so privat ein Container organisiert werden. Als Bryan im November vor der TAS erneut nach einem Obdachlosen suchte, der durch alle Raster fällt, fand er: Bolle.
„Bolle lebt ohne staatliche Unterstützung. Er hat kein Einkommen und ist krank. Er möchte in Deutschland bleiben, weil er sich wünscht, in der Nähe seiner Kinder zu sein, die hier in Hamburg leben“, sagt Max Bryan. Noch ist es Wunschdenken, denn derzeit herrscht Funkstille zwischen Bolle und seinen Kindern. Nachdem seine Ehe zerbrach und er seinen Job als Autohändler verlor, geriet Bolles Leben völlig aus den Fugen. „Viel schwierig“, sagt er und guckt traurig.
Gemeinde bewertet Aktion positiv
Was ihm hingegen gut tat: Dass er über den Winter zur Ruhe kommen konnte. In einem Container, den die Initiative auf dem Parkplatz der Ansgar-Gemeinde in Langenhorn aufstellte. Voll eingerichtet. Ein Dixie-Klo: direkt nebenan. Initiative und Kirche arbeiteten Hand in Hand, auch die Nachbarn unterstützten die Aktion. „Menschen sehr gut hier“, sagt Bolle, „gute Zeit, sehr gute Zeit.“
Auch Pastor Tobias Götting von der Ansgar-Gemeinde zieht eine positive Bilanz. „Er hat sich hier gut eingefügt ins Gemeindeleben, aber wir waren auch nicht klebrig, haben ihm keine Vorschriften gemacht.“ Beeindruckt hat den Pastor, wie gut sich Bolle um sein Zuhause auf Zeit gekümmert habe: „Er hat immer artig gefegt vor seinem Container“, sagt er.
Gerne wäre Bolle noch länger in Langenhorn geblieben. Doch nach sechs Monaten endete das private Winternotprogramm auf dem Parkplatz, eine dauerhafte Genehmigung sei baurechtlich nicht zu bekommen, heißt es.
Und auch nicht vorgesehen: „Wir haben das von Anfang an als Winternotprogramm für eine begrenzte Zeit gedacht“, sagt Pastor Götting. „Es bleibt der berühmte Tropfen auf den heißen Stein, aber der ist besser als nichts.“
Initiative startet Sommernotprogramm
Max Bryan ist hartnäckig. Er weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, ohne Obdach zu sein. In seiner Facebook-Gruppe postete er einen Aufruf: „Leute, wer hat ein Zimmer für Bolle? Er steht sonst nach dem Winter wieder auf der Straße.“ Achim L. aus Eckernförde sagte: „Hier!“ Und stellte ein Zimmer für Bolle zur Verfügung, ganz nah an der Ostsee, für günstige 200 Euro. Zunächst für sechs Monate zahlen Spender aus der Initiative die Miete für Bolle.
Bryan ist froh über die Unterstützung: „Wir haben jetzt ein Sommernotprogramm“, sagt er. Denn, nur weil sich die Jahreszeit ändere, gehe es den Menschen auf der Straße nicht plötzlich besser. „Wir wollen vor allem ältere Obdachlose wie Bolle nach dem Winternotprogramm auffangen, damit sie nicht wieder auf der Straße landen.“ Bei Bolle hat es geklappt. Bryan hofft, dass das erst der Anfang ist.