Ein Rentner überführte Limousinen – und muss vor Gericht um sein Geld streiten
(aus Hinz&Kunzt 171/Mai 2007)
Vielleicht hätte Georg Koch stutzig werden müssen. Ein Vorgesetzter, der seine Geschäfte in einer Kneipe abwickelt. Ein Arbeitgeber, der keinen Arbeitsvertrag ausstellt. Und ein Lohn, der sich nicht an der Arbeitszeit orientiert, sondern an der Zahl der erledigten „Jobs“. All das hätte sein Misstrauen wecken können. Doch Georg Koch wollte vor allem eines: etwas Geld dazuverdienen zu seiner kleinen Rente.
„Ich weiß, wenn man das hört, denkt man: Wie blöd ist der eigentlich?“, sagt der drahtige 67-Jährige. Er habe damit gerechnet, dass es unbezahlte Wartezeiten geben werde. „Aber ich ging davon aus, dass man abends das Geld ausbezahlt bekommt, wie im Hafen bei den Schauerleuten.“
Angefangen hat alles im Oktober mit einer Anzeige im Wochenblatt: „Pkw-Fahrer gesucht! 400-Euro-Job, ansprechende Erscheinung, pünktlich u. zuverlässig.“ Koch ruft unter der angegebenen Mobiltelefon-Nummer an. Es geht darum, Pkws in Hamburg und Umgebung zu überführen – etwa von einem Autohaus zum anderen. Pro Fahrt gibt es 7,50 Euro. Die Fahrtkosten für Bus oder Bahn erstattet der Arbeitgeber, die Firma „The Creative House Company“ (TCHC), Strafzettel müssen die Fahrer aus eigener Tasche bezahlen. „Wir treffen uns bei ,Eier-Carl‘ am Fischmarkt“, heißt es weiter. „Da gingen bei mir schon Warnsignale an“, erinnert sich Koch. „Aber ich brauchte das Geld – und Autofahren kann ich gut!“
Die ersten Wochen ist der „Shuttler“ einigermaßen zufrieden. An guten Tagen bekommt er neun Fahrten zugeteilt, an schlechten vier. Hat er Glück, bekommt er am Abend vorher die Aufträge telefonisch mitgeteilt. Meist muss er sie jedoch am gleichen Tag via Handy erfragen. Manchmal wird er zum Auftraggeber geschickt, doch das Auto ist noch nicht da oder nicht mehr. Diese „Stornos“ sind dann sein Pech. Was noch schlimmer ist: Georg Koch bekommt keinen Lohn ausbezahlt. Zwar reicht er Woche für Woche seine Fahrtenbelege inklusive Abrechung ein. Doch nichts passiert. Als er sich beschwert, heißt es, man müsse erst mal schauen, was an Strafzetteln noch komme. Gleichzeitig bekommt der Rentner immer weniger Jobs zugeteilt. Schließlich bittet Koch einen befreundeten Rechtsanwalt, ein Schreiben aufzusetzen. Da ist es Dezember.
Björn Sakschewski ist ein jovial auftretender Enddreißiger mit zurückgegelten Haaren. Den kurzen Rock der Justizbeamtin kommentiert er mit einem Spruch unter Männern. Das Arbeitsgericht hat Mühe gehabt, ihn ausfindig zu machen. Die erste Vorladung kommt zurück, weshalb die Verhandlung verschoben werden muss. Erst der zweite Versuch klappt. Die Ursache für das Zustellungsproblem: Die Firma TCHC operiert offenbar mit unterschiedlichen Anschriften und Namen. In dem Schreiben, das Georg Kochs Anwalt Ende Dezember erhält, steht im Briefkopf: „The creative house Company, Hamburg, Fischmarkt 3/Sarenweg 78“. Wer das Unternehmen am Fischmarkt sucht, findet unter der angegebenen Anschrift aber nur ein Wohnhaus – und die Eckkneipe „Slattery’s Irish Pub“, wie der „Eier-Carl“ seit einigen Jahren heißt. Auch unter der Wohldorfer Adresse ist die Firma nicht bekannt – zumindest nicht bei der Telefonauskunft. Darauf angesprochen erklärt Björn Sakschewski, die Firma heiße „The Creative House Service Company“ (TCHSC) und residiere auch in Geesthacht. Im Übrigen sei er nicht der Inhaber oder Geschäftsführer, sondern lediglich der „Tourenplaner“. Ein Job reicht zum Leben nicht, sagt Sakschewski vor der Gerichtsverhandlung Ende März und erklärt, warum die Eckkneipe am Fischmarkt eine Art Filiale der Firma ist: Er sei der Mitbetreiber des Lokals.
All das weiß Winfried Kümpel-Jurgenowski offenbar nicht. Der Arbeitsrichter wirkt genervt von der Unübersichtlichkeit der Geschichte, und mehr als 15 Minuten sind nicht anberaumt für den Gütetermin. 1139,36 Euro, so die Klageschrift, stehen Georg Koch zu. 292,50 Euro hat TCHC Ende Januar überwiesen, eine Abrechnung gibt es nicht. Bleiben rund 850 Euro offen für Fahrten, von denen Sakschewski angeblich nichts weiß. „Ich versteh nicht, wie das bei Ihnen abläuft!“, knurrt der Richter den Beklagten an. Der erklärt: „Wir haben fünf Firmen als Auftraggeber, unser Hauptkunde ist BMW. Wir holen Fahrzeuge ab und bringen sie woanders hin.“ Abgerechnet werde mit Hilfe der Tourenzettel, die die Fahrer bei TCHC einreichen und diese dann bei BMW. „Ich kann nur das abrechnen, was ich bekomme.“ Die Überführungen aber, die Georg Koch erledigt haben will, könne er nicht nachvollziehen.
„Das bedeutet, dass ein Fahrer nur dann risikolos für Sie arbeiten kann, wenn er sich Kopien der Tourenzettel macht“, staunt der Richter und fährt fort: „Dann wäre es aber tunlich, dass Sie das Ihren Fahrern empfehlen, Herr Sakschewski!“ Das mache er, versichert der Beklagte.
Richter Kümpel-Jurgenowski blättert in den Akten. Er ist nicht zufrieden mit den Unterlagen, die Georg Kochs Anwalt vorgelegt hat. Zu ungenau sind ihm diese: „Mit Ihrer Liste kann niemand was anfangen!“ Sein Beschluss: Eine Woche haben Koch und sein Rechtsbeistand Zeit, eine detaillierte Aufstellung der Fahrten anzufertigen und dem Beklagten zu schicken. Der soll dann innerhalb von zwei Wochen abklären, welche der Forderungen berechtigt sind und welche nicht. Gebe es keine Klärung, sehe man sich wieder vor Gericht.
Vier Wochen später. Georg Koch und sein Anwalt Jens Bulnheim haben ihre Hausaufgaben gemacht. Akribisch haben sie noch einmal auf vier DIN-A4-Seiten aufgelistet, welche Fahrzeuge Koch wann und wohin überführt hat – Autokennzeichen inklusive. Björn Sakschewski hingegen hat es nicht geschafft, die Forderungen wie versprochen zu überprüfen. Das jedenfalls erklärt er Hinz&Kunzt auf Nachfrage. Rechtsanwalt Bulnheim hat beim Arbeitsgericht einen Kammertermin beantragt.
BMW erklärte auf Anfrage, das Unternehmen arbeite nicht mehr mit TCHC zusammen. „TCHC war der billigste Anbieter, deswegen haben wir uns damals für ihn entschieden“, sagte Thomas Magold, Leiter der Hamburger BMW-Niederlassung. „Aber solche Geschäftspraktiken passen nicht zu unseren Unternehmensrichtlinien.“